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COP27: Nächtelang wurde gerungen, dann kam dieser Kompromiss heraus


Ist das Klima noch zu retten?
Nächtelang wurde gerungen, dann kam das heraus

Von afp, dpa, lw

Aktualisiert am 20.11.2022Lesedauer: 5 Min.
Die deutsche Delegation um Außenministerin Annalena Baerbock beim Weltklimagipfel in Scharm el-Scheich.Vergrößern des BildesDie deutsche Delegation um Außenministerin Annalena Baerbock (3.v.r.) beim Weltklimagipfel in Scharm el Scheich. (Quelle: IMAGO/Thomas Trutschel)
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Nach langem Ringen haben sich die rund 200 Staaten beim Weltklimagipfel auf eine Abschlusserklärung verständigt. Doch es gibt massive Kritik.

Die UN-Klimakonferenz hat am Sonntagmorgen den "Scharm el Scheich Implementation Plan" mit grundsätzlichen Zielen zu Klimaschutz und -finanzierung beschlossen. In diesem Text werden die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens bekräftigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber 1,5 Grad verglichen mit dem vorindustriellen Niveau, zu begrenzen.

Dafür seien sofortige und nachhaltige Senkungen der Treibhausgasemissionen erforderlich. Bis 2030 sollen diese um 43 Prozent verglichen mit dem Stand von 2019 sinken und etwa 2050 soll weltweit Treibhausgasneutralität erreicht sein. Staaten, die dies noch nicht getan haben, sollen ihre nationalen Emissionsziele bis zum Jahr 2030 nachschärfen.

Das Aktionsprogramm läuft zunächst bis 2026, kann aber verlängert werden. Grundlage ist der Glasgow Climate Pact von 2021. Der Beschluss fällt allerdings weniger ehrgeizig aus, als es die EU in den Verhandlungen gefordert hatte.

Fonds für Klimaschäden in ärmeren Ländern

Die Gipfelteilnehmer einigten sich zudem erstmals auch auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern. In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die rund 200 Staaten am frühen Sonntagmorgen außerdem ihre frühere Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt. Damit bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Umweltschützer zurück, die ein Ende der Abhängigkeit von schmutzigen Energieträgern als zwingend betrachten.

Der neue Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Die Frage hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Scharm el Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde.

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Keine genauen Summen

In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll. Dies soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Auf diese Eingrenzung hatte besonders die EU gepocht.

In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Die Konferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmer ans Rote Meer gereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht zum Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen folgte am frühen Sonntagmorgen schließlich der Durchbruch.

USA blockierten zunächst den Entschädigungsfonds

Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um.

Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte "verletzlichen Staaten" aber Vorrang ein.

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Baerbock: "Hoffnung und Frustration nah beieinander"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zog eine durchwachsene Bilanz der UN-Klimakonferenz. "Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander", sagte Baerbock am Sonntagmorgen zum Abschluss der Beratungen. "Auf keinen Fall haben wir das Maximum erreicht."

Positiv wertete Baerbock, dass besonders mit dem Beschluss für einen Fonds zum Ausgleich für klimabedingte Schäden "ein Durchbruch bei der Klimagerechtigkeit" geschafft worden sei. Damit schlage die Konferenz "ein neues Kapitel in der Klimapolitik" auf. Es sei auch verankert worden, "dass die Hilfe sich auf die verwundbarsten Länder konzentriert".

"Zudem konnten wir einen Rückschritt hinter den Konsens von Glasgow und Paris verhindern", hob die Ministerin hervor. Es sei gelungen, das Ziel zu verteidigen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

"Nicht ganz gescheitert"

Mehr als frustrierend sei aber, "dass aufgrund der Blockade von einigen großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert wurden". Die Welt verliere dadurch "kostbare Zeit, Richtung 1,5-Grad-Pfad zu kommen".

Dass die Konferenz "am Ende trotz der Blockade und organisatorischer Schwächen nicht ganz gescheitert ist, verdanken wir vor allem einem progressiven Bündnis von Staaten über verschiedene Kontinente hinweg", sagte Baerbock weiter.

"Enttäuscht" über die Ergebnisse äußerte sich EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. Die Ergebnisse von Scharm el Scheich seien "nicht genug für einen Schritt vorwärts", sagte Timmermans. Viele Parteien seien nicht bereit gewesen, mehr für den Klimawandel zu tun, kritisierte er. "Wir werden nicht aufhören, für mehr zu kämpfen", so Timmermans.

"Unser Planet ist in der Notaufnahme"

UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. "Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist ein dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen."

Zugleich warf er der Klimakonferenz vor, zentrale Ziele verfehlt zu haben. Es sei dort nicht gelungen, die "drastischen Emissionssenkungen" auf den Weg zu bringen, die notwendig seien, um die Erderwärmung einzudämmen, sagte Guterres am Sonntagmorgen. "Unser Planet ist in der Notaufnahme", unterstrich der UN-Generalsekretär die Dramatik der Lage. "Wir müssen die Emissionen drastisch verringern und dies anzugehen hat die Klimakonferenz versäumt."

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Umweltorganisationen: Ergebnisse zu Klimaschutz ungenügend

Bei der drängenden Eindämmung der Erderwärmung stellen auch Umweltorganisationen der Konferenz ein ungenügendes Zeugnis aus. Das "deprimierende Ergebnis" gehe nicht über die Klimakonferenz im vergangenen Jahr hinaus, kritisierte Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam Deutschland. "Schwer enttäuscht muss man darüber sein, dass die zwingend notwendige Abkehr von allen fossilen Energien im Abschlusstext nicht vorkommt – obwohl zahlreiche Länder genau das gefordert hatten."

Es sei letztlich nicht einmal gelungen, einen klaren Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu legen – was insbesondere am Widerstand aus Saudi-Arabien gelegen habe. "Ohne einen zügigen und global gerecht organisierten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist die Begrenzung der Erwärmung auf unter 1,5 Grad nicht zu schaffen", sagte Kowalzig.

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kipp-Elemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Greenpeace: Hilfszahlungen bislang nicht gezahlt

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichszahlungen, mahnte aber an: "Nun müssen die Verursacher der Klimakrise zu ihrer Verantwortung stehen und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen." Gerächt habe sich allerdings, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern seit Jahren die zusagten Hilfszahlungen bisher schuldig geblieben sind.

Eigentlich sollten Letztere mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich unterstützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständliches Misstrauen ausgelöst, so Kaiser. "Hätten insbesondere die USA ihre Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besseren Verhandlungsposition gewesen, auch China und andere Schwellenländer schon jetzt zur Einzahlung in den Fonds zu verpflichten. Am Ende dieser Klimakonferenz klebt somit ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde."

"Das war nicht einfach"

COP-Präsident Samih Schukri bezeichnete die zweiwöchigen Verhandlungen als mühsam. "Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet", sagte Schukri am Sonntagmorgen zum Ende der Konferenz. "Jegliche Ausrutscher, die es gegeben haben mag, waren nicht beabsichtigt."

Die Gespräche der Vertreter aus rund 200 Ländern seien teilweise angespannt gewesen, aber "am Ende haben wir geliefert", sagte Schukri. Die Einigung auf einen neuen Geldtopf für die Folgen von Klimaschäden in ärmeren Ländern gebe Millionen Betroffenen rund um die Welt Hoffnung. Weitere Reaktionen auf die umstrittene Abschlusserklärung lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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