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CDU-Grundsatzprogramm: Islam gehört inzwischen zu Deutschland


Er ist da, und er wird mehr
Die CDU und ihr Islam-Irrtum

MeinungVon Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 19.12.2023Lesedauer: 6 Min.
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Friedrich Merz: Die CDU hat ein neues Grundsatzprogramm präsentiert.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Die CDU hat ein neues Grundsatzprogramm präsentiert. (Quelle: Arnulf Hettrich/imago images)

Die Merz-CDU bricht mit der Islampolitik eines früheren Bundespräsidenten aus ihren Reihen und mit ihrer Altkanzlerin. Sie wünscht sich dabei eine Welt zurück, die es nicht mehr gibt.

Hin und wieder wundere ich mich, warum sich alle so wundern. Beim Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft in Berlin gegen die Türkei zum Beispiel. Ein großes Wundern hob an, wie es sein konnte, dass die türkischen Fans aus dem Heimspiel der deutschen Mannschaft eines der türkischen gemacht haben. Dabei ist daran gar nichts verwunderlich in einer Stadt mit 110.000 türkischstämmigen Einwohnern, bei denen vielfach der Nationalismus und Patriotismus umso größer scheint, je weiter Erdoğan und die unmittelbaren Folgen seiner Politik entfernt sind.

Es war auch nichts daran verwunderlich, dass nach dem Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel der Antisemitismus in Deutschland unappetitlich aufflammte. Es gibt furchtbarerweise urdeutschen Judenhass, immer noch und leider auch wieder zunehmend. Aber das, was sich zuletzt zeigte, war ganz offensichtlich muslimischer Judenhass. Wie er auch vorher schon immer wieder Jüdinnen und Juden in einschlägigen Berliner Stadtteilen widerfuhr, die als solche erkennbar in einschlägigen Stadtteilen angegriffen, gedemütigt und teilweise verletzt worden sind.

Drittes Beispiel der jüngsten Zeit: Die katastrophalen Ergebnisse der deutschen Schülerinnen und Schüler in der jüngsten Pisa-Studie. Es kann sein, dass dabei eine gewisse Leistungsaversion aufgrund einer mittlerweile eher auf Lob denn auf Kritik setzenden Pädagogik eine Rolle spielt. Aber die Charts der OECD belegen eindeutig, dass auch hier der Anteil der Zugewanderten die Ergebnisse maßgeblich beeinflusst hat. Die Zuwanderung erfolgt zu großen Teilen aus dem muslimischen Raum.

Die Zeit, in der die Frage gestellt werden konnte, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, ist schlichtweg vorbei. Er ist da, und er wird mehr.

Die CDU will mit dem Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms hinter den Satz "ihres" früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und hinter die liberale bis schicksalsergebene Migrationspolitik ihrer Kanzlerin Angela Merkel zurückkommen, indem sie stattdessen sagt: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland". Sie darf damit gerne geduldiges Papier bedrucken. Aber ihr neues Programm hin oder her: Die muslimisch-multikulturelle Welt, auf die sich Katrin Göring-Eckardt und andere seinerzeit gefreut haben, sie ist da. Und wir alle müssen mit ihr umzugehen lernen.

Ich räume ein, dass ich erstens allen Religionen und Kirchen ausgesprochen reserviert gegenüberstehe, und zweitens dem Islam insbesondere. In meinen Augen ist er die totalitärste und illiberalste unter den Weltreligionen, er ist per se resistent gegen Veränderung und weitestgehend immun gegen jede Form der Aufklärung und Säkularisierung, weil jedes Wort des Koran (im Unterschied zur Bibel) direkt von Gott selbst kommt. Und damit als unabänderlich und nicht wirklich auslegbar gilt.

Die Welt wird in einen Raum des Friedens (dort, wo der Islam herrscht) und einen Raum des Krieges (dort, wo er sich erst noch durchsetzen muss) eingeteilt. Man darf aus ihm nicht austreten, ohne an Leib und Leben bedroht zu sein. Es gibt keine Trennung von Staat und Kirche. Im Gegenteil. Sein Frauenbild ist ebenso inakzeptabel wie seine Rechtsordnung und seine Homophobie, wie sie beispielsweise gerade wieder Jens Spahn (CDU) in einer Schule widerfahren ist, als sich ein muslimischer Schüler demonstrativ von ihm wegsetzte, als habe er eine ansteckende Krankheit. Eine übergroße Zahl an schrecklichen Verbrechen, Morden und Massakern sind in den vergangenen Jahren vor allem im Namen dieser Religion geschehen. Auch hierzulande.

Die Frage stellt sich nicht mehr

Dennoch geht es jetzt nicht mehr um die Frage, ob sich jemand ein Land ohne den Islam wünscht oder nicht. Es geht nicht mehr darum, ob jemand diese Religion einnehmend findet oder nicht. Sie ist fester und offensichtlicher Bestandteil dieses Gemeinwesens geworden. Es geht schlechterdings nicht mehr darum, ob der Islam zu Deutschland gehört, sondern wie.

Vielleicht hätte es vor zehn Jahren noch einen Moment gegeben, eine Entwicklung regulativ zu beeinflussen. Aber das ist vorbei. Diese Religion ist da, und zwar in relevantem und zunehmend gesellschaftsprägendem Maßstab. Es leben offiziell 5,6 Millionen Muslime in Deutschland, umgerechnet knapp sieben Prozent der Bevölkerung. Das sind Zahlen von 2020, neuere belastbare gibt es bislang nicht. Statistisch liegt Deutschland damit inzwischen nicht weit weg von Frankreich, das auf eine ganz andere Kolonialgeschichte im arabischen und maghrebinischen Raum zurückblickt.

Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Zahl sowohl wegen weiterer Zuwanderung aus dem islamischen Raum als auch aufgrund biologischer Faktoren heute höher liegt. Das renommierte Pew-Forschungsinstitut hat schon vor sechs Jahren errechnet, dass der Anteil der Muslime auf 20 Prozent steigen wird, sollte die Zuwanderung auf dem Niveau der Jahre 2014 bis 2016 bleiben (und dort liegt sie im Moment in etwa auch). Da ist das Viertel in Reichweite.

Die Geburtenrate liegt höher

Neben der Migration spielten zwei Faktoren maßgeblich in diese Rechnung hinein. Erstens: Der Altersdurchschnitt der Muslime in Deutschland lag zum Zeitpunkt der Studie bei 31 Jahren. Nicht-Muslime sind hierzulande im Schnitt 47 Jahre alt.

Zweitens: Die Geburtenrate der Muslime ist höher als diejenige der angestammten Bevölkerung. Zwar ist der Unterschied zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Frauen in Deutschland weniger groß als in anderen europäischen Staaten. Dennoch ist er da: Das Institut schätzte seinerzeit, dass die Geburtenrate muslimischer Frauen in Deutschland zwischen 2015 und 2020 bei 1,9 Kindern lag, während nicht-muslimische Frauen hierzulande 1,4 Kinder bekommen.

Ein dritter Faktor, der politisch hinzukommt: Das neue Staatsbürgerschaftsrecht wird etwa zwei Millionen Türken in Deutschland die Möglichkeit eröffnen, neben der türkischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Meine Kollegin Annika Leister hat in diesem Zusammenhang auf die reale Möglichkeit verwiesen, dass sich vor diesem Hintergrund ein Ableger der Erdoğan-Partei AKP in Deutschland gründen und sich Hoffnung machen könnte, in den Bundestag einzuziehen.

Kurzum: Es bringt nichts mehr, die Schlachten von gestern zu schlagen, wie es die CDU mit ihrem neuen Grundsatzprogramm jetzt tut. Der Satz, nur die Muslime gehörten zu Deutschland, die unsere Werte teilten, ist leerer Klingklang, gemeint als eingrenzende Variation auf den allgemeingültigen Satz von Christian Wulff. Denn erstens: Wer definiert denn diese Werte so genau und grenzt ab, bei wem sie so gerade eben noch erkennbar sind und bei wem just nicht mehr? Und zweitens sind auch die, die diese Werte nicht teilen, nun einmal da. Sind ebenso gesellschaftlicher Teil dieses Landes. Sie gehören also dazu.

Die Religionsfreiheit gehört zu den höchsten Gütern des Grundgesetzes, die es zu achten gilt. Ebenso gilt es, die Realitäten anzunehmen und sich auf eine Gesellschaft einzustellen, in der der Islam in Deutschland eine maßgebliche politische und gesellschaftliche Kraft stellt. Mit jedem Tag mehr.

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Statt alter kommen daher ganz neue Fragen. Wer will eigentlich, nur als Beispiel, der nach Katholizismus und Evangelismus drittgrößten Religion hierzulande noch lange anteilig und im Wechsel morgens einen festen Sendeplatz im Deutschlandfunk bei der "Morgenandacht" verwehren, zumal die beiden christlichen Kirchen von rasantem Mitgliederschwund begriffen sind? Wieso am Sonntag ein Fernsehgottesdienst in den Öffentlich-Rechtlichen und freitags kein Freitagsgebet? Und wieso treibt der Staat die Steuern für die christlichen Kirchen ein, für andere Religionen aber nicht? Müssen wir neu auf die offiziellen Feiertage schauen und etwa das Zuckerfest aufnehmen?

Es ist gut und richtig, dass jetzt Abstand genommen wird von den aus der Türkei entsandten Imamen, sie stattdessen hierzulande ausgebildet werden. Aber die Frage bleibt: Wie weiter umgehen mit den aus der Türkei gesteuerten Imamen in den deutschen Moscheen, die schon lange da sind und sich so schnell nicht werden austauschen lassen? Wie kann man Moscheen und Moscheevereine wie jene der tapferen Seyran Ateş unterstützen und ihr mehr Zulauf sichern?

Kurzum: Es geht jetzt darum, die Religionsfreiheit für den Islam wie für alle anderen Religionen hierzulande hochzuhalten und gleichzeitig die Hoheit eines hier etablierten Menschenbildes und eine Werteordnung aufrechtzuerhalten sowie die Gültigkeit des hiesigen Rechts. Das wird schwer genug. Für die Scharmützel von gestern um eine wie auch immer geartete "Leitkultur" bleiben da weder Zeit noch Kraft.

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