"Gibt Leute, die sagen: 'Lassen Sie mich in Ruhe'" Jobcenter-Chef fordert drastische Bürgergeld-Sanktion

Das Bürgergeld wird seit seiner Einführung kontrovers diskutiert. Laut dem Chef des Jobcenters Duisburg ist der Spielraum für Sanktionen zu gering. Er macht einen Vorschlag.
Der Geschäftsführer des Jobcenters in Duisburg, Frank Böttcher, fordert mehr Möglichkeiten zur Sanktionierung von Bürgergeld-Empfängern, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Dabei geht es etwa um Termine, die nicht wahrgenommen werden.
"Wenn jemand nicht zu einem Termin erscheint und zu einem zweiten auch nicht, wäre es hilfreich, wenn wir eine gerichtsfeste Möglichkeit hätten, die Leistungen vorläufig einzustellen", sagte Böttcher in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Das sei etwas anderes als eine reguläre Sanktion, so Böttcher. "Wir spielen damit den Ball in die Spielfeldhälfte des Betroffenen. Wenn er dann erscheint und mit uns zusammenarbeitet, setzen wir wieder ein mit der Leistungszahlung."
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"Zahlen Sie mir einfach die 90 Prozent, und lassen Sie mich dann in Ruhe"
Bisher kürze seine Behörde Bürgergeld-Empfängern, die ohne triftigen Grund von Terminen fernbleiben, die Leistungen zunächst um zehn Prozent. "Es gibt Leute, wenn auch nur sehr wenige, die sagen meinen Vermittlerinnen und Vermittlern: Zahlen Sie mir einfach die 90 Prozent, und lassen Sie mich dann in Ruhe." Das mache das Problem mit der aktuellen Sanktionierung deutlich, so Böttcher.
Bisher ist es Jobcentern unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Leistungen für zwei Monate komplett zu streichen – etwa wenn ein konkretes Arbeitsangebot abgelehnt wird. Die Hürden seien dafür aber so hoch, "dass man es kaum anwenden kann", so Böttcher. In seiner Behörde sei diese Maßnahme bisher kein einziges Mal zur Anwendung gekommen. Der Jobcenter-Chef fordert angesichts dessen "umsetzbare Regelungen".
In Deutschland beziehen rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Nach Jahren sinkender Zahlen gab es erstmals 2023 wieder mehr sogenannte Regelleistungsberechtigte – vor allem wegen der starken Fluchtbewegung von Ukrainern seit Russlands Angriff auf ihr Land.
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Schwarz-Rot will beim Bürgergeld kürzen
Die staatliche Grundsicherung ist ein Streitpunkt der schwarz-roten Bundesregierung. Besonders die Union dringt auf deutliche Kürzungen beim Bürgergeld. Die für das Bürgergeld zuständigen Jobcenter sollen im Jahr 2026 600 Millionen Euro mehr für Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erhalten. "Ziel ist es, mehr Leute in Arbeit zu bringen und damit auf der passiven Seite Einsparungen zu erzielen", sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, am Donnerstag in Nürnberg.
Ab 2026 stehen den Jobcentern laut Haushaltsentwurf der Regierung 4,7 Milliarden Euro im Eingliederungsbudget zur Verfügung. Das ist eine Milliarde Euro mehr als 2024. Bereits 2025 gab es beim Eingliederungsbudget ein Plus von 400 Millionen Euro.
Trotz der zusätzlichen Mittel will die Bundesregierung die Ausgaben für das Bürgergeld 2026 leicht senken. Nach dem Haushaltsentwurf der Regierung sind für Leistungen zum Lebensunterhalt und den Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft 41,05 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind rund 1,55 Milliarden Euro weniger als im laufenden Jahr. Für alle drei Ausgabenblöcke in der Grundsicherung für Arbeitsuchende – Bürgergeld, Kosten der Unterkunft sowie Eingliederungs- und Verwaltungsbudget – sind für 2026 rund 51 Milliarden Euro vorgesehen und damit rund 950 Millionen Euro weniger als 2025.
- spiegel.de: "'Manchmal ruft jemand an und kündigt an, alles in die Luft zu sprengen'" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters