Kommentar zur G20-Randale Krawalle blamieren Merkel im Beisein von Putin und Erdogan
Hamburg brennt. Die Schreckensbilder von Straßenschlachten und Verletzten bei den Protesten zum gehen um die Welt. Mit der Wahl Hamburgs als Gipfel-Ort hat auch die Kanzlerin zu der aktuellen Situation beigetragen. Die Krawalle blamieren Deutschland an dem Punkt, an dem hierzulande gern der moralische Zeigefinger gegenüber anderen Staaten erhoben wird.
Ein Kommentar von Patrick Diekmann.
Das hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel anders vorgestellt. Beim G20-Gipfel sollte die Politik im Mittelpunkt stehen. Bilder der Einigkeit der wichtigsten Staats- und Regierungschefs sollten um die Welt gehen. Stattdessen legen Teile der Demonstranten ganze Straßen in Schutt und Asche – Randale in einem unvorstellbaren Ausmaß, das bestraft werden muss. Es gibt Plünderungen, Feuer und Gewalt. Und auch die Polizei trifft bei ihrem Einschreiten oftmals Unschuldige. Die Leidtragenden sind die Bewohner Hamburgs. Aber warum wählte man gerade die Elbmetropole? Deutschland wollte beweisen, dass der Gipfel hierzulande auch in einer großen Metropole stattfinden kann. Aus einer Visitenkarte für Deutschland wurde ein Bild des Chaos.
Die Wunschvorstellung der Kanzlerin war schon vor Beginn des eigentlichen Gipfels Makulatur. Hatte die Politik wirklich geglaubt, dass es in der Elbmetropole bei friedlichen Protesten bleibt? Auf der einen Seite kamen tausende gewaltbereite Extremisten in die Stadt. Auf der anderen Seite gab man Hartmut Dudde die G20-Einsatzleitung, der dafür bekannt ist, schnell zu intervenieren. Dieser ist verhasst in der linken Szene und es erscheint vielerorts der Eindruck, dass linke Autonome einen Krieg gegen Dudde und die Polizei führen und nicht gegen den G20-Gipfel demonstrieren.
Dazu ist der Austragungsort, die Hamburger Messe, nur einen Steinwurf vom Schanzen- und Karolinenviertel entfernt - Hochburgen der linken Szene. Zu gewaltbereiten Extremisten kommen ein Versagen der Sicherheitsbehörden und ein unnötig riskanter Austragungsort.
Hamburg als Schauplatz internationaler Kapitalismuskritik
Die Vermischung all dieser Faktoren lässt Hamburg seit Donnerstag im Chaos versinken. Das Thema "G20" mobilisiert in Deutschland und in Europa. Abgesehen von den gewaltbereiten Randalierern ist der Protest richtig und wichtig. Die G20 sind ein exklusiver Verein, der vor allem daran interessiert ist, das System der globalen Wirtschaft am Leben zu halten.
Hamburg ist dieser Tage das Zentrum der internationalen Kapitalismuskritik und das ist auch gut so. Aufgrund der urbanen Struktur ist die Trennung der Randalierer von dem Großteil der friedlichen Demonstranten fast unmöglich. Derweil gehen sowohl der friedliche Protest als auch die politischen Ereignisse in den Rauchschwaden von brennenden Autos und Barrikaden unter.
Nach den ersten Straßenschlachten kam die Stadt nicht mehr zur Ruhe und es gibt zahlreiche Verletzte auf beiden Seiten. Die Linksautonomen ziehen randalierend in kleinen Gruppen durch die Straßen und zu ihnen gesellen sich Menschen, die sich in ihrem Recht auf Demonstrationsfreiheit eingeschränkt fühlen. Polizisten gehen teilweise auch gegen friedliche Demonstranten vor und reagieren immer empfindlicher auf kleine Versammlungen. Die Bilder des Chaos und der brennenden Straßen gehen um die Welt.
G20-Austragungsort mit politischen Konsequenzen
In Anwesenheit von Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin wollte Angela Merkel ein Land der Meinungsfreiheit präsentieren. Die aktuellen Bilder sind peinlich für Deutschland. Die Bundesregierung war in der Vergangenheit immer sehr gut darin, das Vorgehen gegen Demonstranten in Russland oder in der Türkei zu kritisieren. Die Krawallbilder suggerieren ein anderes Bild.
Machthaber wie Erdogan und Putin werden das gegenwärtige Chaos in Hamburg in Zukunft für innenpolitische Zwecke benutzen. "Nach solchen Aufnahmen ist es immer wieder überraschend von der 'Besorgnis' einiger Länder über die Härte des Vorgehens der russischen Sicherheitskräfte [...] zu hören", schreibt die russische Botschaft. "Schaut nur. Deutschland ist nicht besser", hört man jetzt schon Erdogan seinen Anhängern zurufen.
Mit der Entscheidung, Hamburg zum Gipfel-Ort zu machen, hat Merkel nicht nur die Sicherheitskräfte verstimmt. Die Krawalle helfen künftig autoritären Machthabern, ihr Vorgehen zu legitimieren. Erinnert man sich an G20 in Hamburg, wird man sich wahrscheinlich an Gewalt, Wasserwerfer und brennende Autos erinnern. Ein Staatsversagen.