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Corona-Krise: Massentests in der Slowakei – Vorbild für Deutschland?


Kampf gegen Corona
Kann die Slowakei-Strategie auch in Deutschland funktionieren?

Von dpa, t-online, mam, sms

Aktualisiert am 02.11.2020Lesedauer: 3 Min.
Testzentrum in der Slowakei: Alle Bürger und Bürgerinnen zwischen zehn und 65 Jahren sind aufgerufen, sich testen zu lassen.Vergrößern des BildesTestzentrum in der Slowakei: Alle Bürger und Bürgerinnen zwischen zehn und 65 Jahren sind aufgerufen, sich testen zu lassen. (Quelle: Pavol Zachar/dpa)
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Mit Massen-Schnelltests will die Slowakei das Coronavirus besiegen – und einen Lockdown vermeiden. Wer sich nicht testen lässt, muss in Quarantäne. Wäre das auch in Deutschland möglich?

Kampf gegen den Lockdown: Gleich zwei Mal will die Regierung der Slowakei die gesamte Bevölkerung von knapp 5,5 Millionen Einwohnern auf das Coronavirus testen lassen. Tausende Soldaten und Polizisten helfen mit. Wer kein negatives Testergebnis vorweisen kann, darf nun nicht mehr zur Arbeit, erhält keinen Verdienstausfall und muss sich für zehn Tage in Quarantäne begeben.

Der slowakische Ministerpräsident Igor Matovič setzt große Hoffnung auf seine Strategie und rief alle Bürgerinnen und Bürger zwischen zehn und 65 Jahren dazu auf, sich den kostenlosen Tests zu unterziehen. "Wir haben die große Chance, Europa und der Welt zu zeigen, dass es auch anders geht, ohne Schließung der Wirtschaft und Millionen Arbeitsloser", so Matovič.

Kann das wirklich funktionieren – und taugt die Slowakei-Strategie damit sogar als Vorbild für andere Länder?

Massentest in Deutschland möglich?

Deutschland hat mehr als 80 Millionen Einwohner und damit fast 15 Mal so viele wie die Slowakei. Entsprechend bräuchte es in Deutschland mindestens 650.000 medizinische Fachkräfte sowie 75.000 Testzentren, um ein ähnliches System wie in der Slowakei zu schaffen.

Die fachärztlichen Labore im Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM e.V.) weisen allerdings schon seit einigen Wochen auf die dynamische Entwicklung der Pandemie hin. In der vergangenen Woche meldete der ALM mehr als 1,2 Millionen PCR-Tests in Deutschland, das wiederum bedeutet eine Auslastung von 89 Prozent der Labore. Durch diese hohen Zahlen kommt es bereits jetzt dazu, dass Testergebnisse erst spät übermittelt werden können.

"Unsere Mitarbeiter, aber auch die Maschinen stehen seit Wochen unter extremer Dauerbelastung. Das macht uns wirklich Sorgen", sagt Professor Dr. Jan Kramer, Vorstand im ALM e.V. Und Vorstand Wolf Kupatt bestätigt: "Anlasslose Tests sollten jetzt vermieden werden. Der Fokus muss nun konsequent auf dem medizinisch Notwendigen liegen. Dazu gibt uns die bekannte Nationale Teststrategie die richtige Guidance!" Kurz: Tests für alle wie in der Slowakei wären in Deutschland schlicht nicht umsetzbar.

Lieferengpässe bei Testmaterialien

Neben personellen Engpässen sei zudem problematisch, dass es immer wieder Lieferengpässe beim Material gebe: "Mal sind es Abstrichtupfer, mal Reagenzien, dann wieder Verbrauchsmaterialien, jetzt gerade Pipettenspitzen, die fehlen. Das macht die Arbeit in den Laboren unnötig schwer", so ALM-Vorstand Evangelos Kotsopoulos.

Ein anderer wichtiger Faktor ist die Sicherheit der Antigen-Schnelltests, die in der Slowakei verwendet werden: In Deutschland wird diese Testvariante vor allem dann angewandt, wenn ein schnelles Ergebnis vorliegen muss. Sie können nicht nur schneller durchgeführt werden als PCR-Tests, sondern liefern auch schnelle Ergebnisse und könnten Labore entlasten.


Doch: Die Antigen-Tests werden aktuell noch auf Tauglichkeit und Qualität untersucht. Bislang ist der Stand: Die Sensitivität der Antigen-Tests ist etwas geringer als die der PCR-Methode. Es gilt daher als wichtig, einen positiven Antigen-Test noch einmal durch einen PCR-Test zu bestätigen, um zu sehen, ob die jeweilige Reaktion auch Covid-19-typisch ist.

Test oder Quarantäne – wäre das rechtens?

Neben der Frage der Umsetzbarkeit gibt es auch rechtliche Bedenken. So warnte die liberale slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová schon vorab davor, die Bürger in zwei Klassen einzuteilen. In diejenigen mit "Passierschein für die Freiheit" und jene, die nicht mehr an die Reihe gekommen seien.

"Ein solches Vorgehen ist ein Grundrechtseingriff, das steht ganz außer Frage", sagt Christian Pestalozza, Professor für Öffentliches Recht an der Freien Universität Berlin, zu t-online. Dennoch könne dies gerechtfertigt werden, wenn sich das Verfahren für den Gesundheitsschutz eigne, es kein milderes Mittel gebe und es für einzelne Personen zumutbar sei.

Eine Quarantäne auf Zwang, infolge einer Test-Verweigerung, erscheine ihm unverhältnismäßig. "In vielen Fällen kann das unzumutbar sein, etwa, wenn man seine Arbeit nicht von zu Hause erledigen kann, auf beengtem Raum lebt oder auf Leistungen von Außen angewiesen ist."

Nach Zahlen der EU-Gesundheitsagentur ECDC steckten sich in der Slowakei binnen 14 Tagen statistisch gesehen 528,2 Menschen je 100.000 Einwohner an. Im benachbarten Tschechien lag dieser Wert bei 1535,8 und in Deutschland bei 195,6. Seit Beginn der Pandemie starben in der Slowakei 219 Menschen an der Lungenkrankheit Covid-19. Allerdings zählt das Land nur Verstorbene, bei denen eine andere Todesursache ausgeschlossen wurde.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Prof. Dr. Christian Pestalozza
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