"Neuer Corona-Indikator" Kommunen fordern flexiblere Lösungen bei Beschränkungen

Die Städte und Gemeinden sehen die Unterstützung für die Corona-Maßnahmen schwinden. Vor allem der Inzidenzwert von 100 ist Städtetags-Präsident Burkhard Jung ein Dorn im Auge.
Vor dem Hintergrund rasant steigender Corona-Infektionszahlen dringen die Kommunen auf flexiblere Regeln für Beschränkungen. Der Deutsche Städtetag sowie der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderten vor der nächsten Bund-Länder-Runde am Montag eine Abkehr von der starren Fokussierung auf den Inzidenzwert, der die Zahl der Neuinfektionen ja 100.000 Einwohner binnen einer Woche beschreibt. Ab einem Wert von 100 sollen gemäß einer von Bund und Ländern vereinbarten Notbremse Öffnungsschritte wieder kassiert werden. Immer mehr Bundesländer haben diese Marke in den vergangenen Tagen überschritten.
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Städtetagspräsident Burkhard Jung zeigte sich unzufrieden mit der Corona-Politik. "Ich mache mir Sorgen, dass die Corona-Politik von Bund und Ländern die Unterstützung vor Ort verliert – auch bei den Oberbürgermeistern", sagte Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Die Geschlossenheit unter den Oberbürgermeistern bekomme Risse. Jung monierte Festlegungen zu Corona-Tests ohne Beachtung der Infrastruktur, Beschlüsse zur Öffnung von Schulen und Kitas ohne eine erkennbare Teststrategie und zu viel Bürokratie. "Ich habe wirklich die gesamte Entwicklung immer mitgetragen", sagte Leipzigs Oberbürgermeister. "Aber wenn ich mir dieses Durcheinander anschaue, werde ich wütend."
Abkehr von Inzidenzwert
Jung forderte von Bund und Ländern, nicht nur auf die Inzidenzwerte zu schauen. "Wir sollten in Deutschland einen neuen Corona-Indikator einführen, der auch die Impfquote, die Belastung der Intensivstationen und die Fallsterblichkeit berücksichtigt." Auch der Städte- und Gemeindebund mahnte, der Inzidenzwert sollte nicht der einzige Maßstab sein. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der "Welt am Sonntag", auch Aspekte wie die Belastung der Krankenhäuser in der Region oder klar eingrenzbare Hotspots müssten berücksichtigt werden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bevölkerung bereits auf verschärfte Corona-Regeln eingestellt. "Wir werden leider auch von dieser Notbremse Gebrauch machen müssen", sagte sie am Freitag. In Hamburg gelten schon seit Samstag wieder härtere Corona-Auflagen.
Söder bleibt bei Notbremse
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verlangte, die Notbremse müsse überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden. "Sonst wird sie ein zahnloser Tiger, und die Sicherungswirkung verpufft", sagte der CSU-Chef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Öffnungsschritten erteilte Söder eine Absage. "Wer jetzt die falschen Schritte geht, riskiert, dass aus der dritten Welle eine Dauerwelle wird", warnte er. Auch Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Bürger eher auf Verschärfungen eingestimmt. Sein Thüringer Kollege Bodo Ramelow (Linke) hält Öffnungen ebenfalls nicht für geboten. Thüringen hat bundesweit den höchsten Inzidenzwert.
- Nachrichtenagentur dpa