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Corona-Pandemie: Neues Infektionsschutzgesetz – Merkel bekommt Gegenwind


Corona-Pandemie
Neues Infektionsschutzgesetz – Merkel bekommt Gegenwind

Von dpa, afp
Aktualisiert am 12.04.2021Lesedauer: 5 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie will die Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland vereinheitlichen.Vergrößern des BildesBundeskanzlerin Angela Merkel: Sie will die Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland vereinheitlichen. (Quelle: dpa-bilder)
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Keine Sitzungen bis tief in die Nacht, stattdessen ein Gesetz: Deutschlandweit sollen die gleichen Corona-Regeln gelten – niemand soll sich mehr rausreden können. Doch es gibt weiterhin Streit.

Der Bund hat vorgelegt, doch in den Ländern und im Bundestag regt sich Widerstand: Beim Ringen um einheitliche Maßnahmen gegen die dritte Corona-Welle geht es längst nicht nur um Inhalte, sondern auch um Macht. Ob die Bundesregierung ihren Zeitplan einhalten kann, das neue Infektionsschutzgesetz am Dienstag auf den Weg zu bringen, ist ungewiss. Genauso, was am Ende drinstehen wird.

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Lange hatte der Bund zugeschaut, wie die Länder gemeinsam getroffene Corona-Beschlüsse interpretierten: Hier Schulen auf, dort zu, hier Ausgangsbeschränkungen, dort nicht. Die dritte Infektionswelle rollte an, alle sprachen von einer "Notbremse" – doch traten unterschiedlich fest aufs Bremspedal. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) nahmen sich über Tage ihre Pappenheimer vor. Das Ergebnis: Der Bund greift ein, die Anti-Corona-Maßnahmen sollen vereinheitlicht werden. Doch schon nach wenigen Tagen zeigt sich, dass die Einigkeit doch nicht so groß ist.

Linke lehnt Zustimmung zu Änderung ab

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, machte im Gespräch mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland deutlich, dass seine Partei den Neuregelungen so nicht zustimmen könne. "Es ist gut, dass es Regelungen geben soll, die für alle nachvollziehbar sind", sagte Bartsch demnach. "Wir werden das Verfahren auch nicht bremsen. In der Sache habe ich allerdings ein paar fundamentale Kritikpunkte."

So solle zum Beispiel das private Verhalten hart reglementiert werden, während für Unternehmen keine Pflichten vorgesehen seien, monierte Bartsch. "Ich sehe deshalb kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen."

Die Grünen sagten hingegen Kooperation bei der Gesetzgebung trotz Kritikpunkten zu. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte dem RND, der Gesetzentwurf sei "allenfalls ein Notbehelf und in der Sache dringend nachbesserungsbedürftig". Sie betonte: "Es muss sichergestellt sein, dass vorgeschlagene Regelungen wirksam, verhältnismäßig und verfassungsfest sind." Auch müssten insbesondere Wirtschaft und Arbeitswelt verpflichtet werden, mehr zur Infektionsvermeidung beizutragen.

Um diese Punkte ringen Bund und Länder

Es geht um die zentrale Frage: Was passiert, wenn in Landkreisen die Sieben-Tage-Inzidenz auf mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner steigt? Das soll möglichst schon kommende Woche gesetzlich geregelt werden. Angesichts der vollen Intensivstationen drängt die Zeit – nach derzeitigem Stand wäre mehr als die Hälfte aller Landkreise von dem Gesetz betroffen. Doch mehrere Beteiligte machten bereits am Wochenende klar: Den Vorschlägen des Bundes für strenge Maßnahmen wollen sie so nicht zustimmen. Der erste Entwurf müsse überarbeitet werden. Über folgende Vorschläge wird debattiert:

  • Private Kontakte: Dass Treffen in der Öffentlichkeit und zu Hause eingeschränkt bleiben, scheint kaum umstritten. Wissenschaftlichen Studien zufolge gehören strenge Kontaktbeschränkungen zu den wirksamsten aller Corona-Maßnahmen und reduzieren die Verbreitung des Virus geschätzt um bis zu ein Viertel. Künftig könnte überall wieder gelten: Ein Haushalt darf sich maximal mit einer weiteren Person treffen, Kinder rausgerechnet dürfen es maximal fünf Personen sein.
  • Ausgangsbeschränkungen: Hier gehen die Meinungen stark auseinander. Der Plan des Bundes: Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr soll man das Haus nur noch in Ausnahmefällen verlassen dürfen, etwa bei medizinischen Notfällen oder für den Weg zur Arbeit, aber nicht für Spaziergänge oder Joggingrunden. FDP-Chef Christian Lindner hat dafür kein Verständnis: Vom abendlichen Spaziergang eines geimpften Paares gehe schließlich keinerlei Infektionsgefahr aus. Die Ausgangsbeschränkungen seien "ein unverhältnismäßiger und epidemiologisch unbegründeter Eingriff in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger". Ähnlich sieht das die Linke.
    Forscher der Universität Oxford gehen davon aus, dass nächtliche Ausgangsbeschränkungen die Verbreitung des Virus um rund 13 Prozent reduzieren können. Berliner Wissenschaftler warnten allerdings, dass sich die Menschen schon bald einfach zu anderen Zeiten treffen werden. Daher könne dieses Werkzeug "relativ schnell stumpf werden".
  • Tests in Schulen und Büros: Im Gespräch ist, dass Schulen nur regulär öffnen dürfen, wenn alle Schülerinnen und Schüler mindestens zweimal pro Woche getestet werden. Ab einer 200er-Inzidenz – derzeit in mehr als 40 Landkreisen – sollen die Schulen mit Ausnahmen für Notbetreuung und Abschlussklassen ganz zumachen. Daran gab es zunächst wenig Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt allerdings forderte schon ab einer 100er-Inzidenz verpflichtenden Wechselunterricht. Kitas sollten nur noch Notbetreuung anbieten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dagegen meint, der Bund sollte sich bei den Schulen überhaupt nicht einmischen. Zugleich zeichnet sich ab, dass die SPD die Reform nutzen will, um eine Testpflicht für Betriebe durchzusetzen. Mindestens einmal die Woche müsse jedes Unternehmen seinen Mitarbeitern einen Test anbieten, das solle am Dienstag gleich mitbeschlossen werden, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Auch Grüne und Linke meinen, es müsse mehr Regeln für Unternehmen geben, auch zu Homeoffice und Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Die Union und die Wirtschaft stemmen sich bislang dagegen. Auf Schnell- und Selbsttests kann man sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ohnehin nicht hundertprozentig verlassen. "Selbsttests sind keine Wunderwaffe", sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, bereits im Februar. Ein negatives Ergebnis ist eine reine Momentaufnahme und schließt eine Infektion nicht grundsätzlich aus. Vor allem bei Infizierten ohne Symptomen besteht nach bisherigem Wissen durchaus die Gefahr falscher Ergebnisse. Was aber niemand weiß: Ob diejenigen mit falsch-negativem Ergebnis überhaupt für andere ansteckend gewesen wären oder nicht.
  • Geschäfte: Geht es nach dem Willen des Bundes, müssten Modellprojekte mit Ladenöffnungen für Getestete in Kreisen mit hohen Infektionszahlen gestoppt werden. Ab der 100er-Inzidenz sollen wieder nur Supermärkte, Getränkemärkte, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Buchhändler, Blumenläden und Gartenmärkte öffnen dürfen. Das sehen die Kreise und auch die FDP nicht ein. Lindner kritisierte fehlenden Raum für Modellprojekte, mit denen man die Wirksamkeit alternativer Schutzvorhaben erproben könnte. Der Landkreistag beschwerte sich, dass "verantwortbare Modellversuche über einer Inzidenz von 100" praktisch unterbunden würden.
  • Freizeit und Sport: Auch hier müssten sich einige Landkreise nach den Plänen des Bundes von Öffnungsplänen etwa für Theater verabschieden. Der Entwurf sieht vor, dass nicht nur Konzerthäuser, Bühnen und Kinos geschlossen bleiben, sondern auch Museen, Schwimmbäder, Zoos und botanische Gärten. Seilbahnen und Ausflugsschiffe könnten stillstehen und auch Stadt- und Naturführungen untersagt sein. Sport könnte bundesweit nur noch alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt erlaubt sein, auch wieder für Kinder und Jugendliche. Ausnahme: Wettkampf und Training von Leistungssportlern.
  • Tourismus und Gastronomie: Hier gab es bis zuletzt die wenigsten Öffnungen – und es sind wohl auch keine in Sicht. Restaurants, Kneipen, Hotels und Ferienwohnungen müssen in Landkreisen mit 100er-Inzidenz wahrscheinlich zu bleiben. Der Verband der Eigentümer von Ferienwohnungen und Ferienhäusern betonte aber, in Landkreisen mit niedriger Inzidenz seien Öffnungsmöglichkeiten in Sicht.
  • Lockdown-Länge: Die im Gesetz geregelten Maßnahmen sollen so lange gelten, bis ein Landkreis an drei aufeinanderfolgenden Tagen unter die 100er-Inzidenz rutscht. Zwischen wenigen Tagen und mehreren Monaten ist also alles drin. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer forderte allerdings in der "Welt", das Gesetz müsse zeitlich befristet werden – "das heißt, es muss automatisch auslaufen". Die Spitze der SPD-Fraktion verlangt schon jetzt eine Festlegung, was bei niedriger Inzidenz als erstes geöffnet werde.
  • Die Machtfrage: Landkreise und einzelne Landespolitiker fühlen sich durch die Bundes-Notbremse entmachtet. So warnte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), der Bund habe keine Expertise für Krisenbewältigung. "Deshalb wäre es auch keine gute Idee, die Länder jetzt mitten in der Krise zu entmachten. Das wäre ein großer Fehler", sagte er der "Welt". Die Corona-Regeln sollten auch künftig regional an das Infektionsgeschehen angepasst werden. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schimpfte: "Diesen Einheitswahn teile ich überhaupt nicht." Der Landkreistag wertete die Vorschläge des Bundes als "ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen".
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen afp und dpa
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