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Droht die Impfdelle wegen zu vielen abgesagten Impfterminen?


Droht die Impfdelle?
"Viele Praxen sitzen abends noch auf Impfstoff"

Von dpa, das

Aktualisiert am 28.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Biontech-Impfstoff im Kühlschrank: Müssen bald Impfdosen vernichtet werden, weil Termine nicht wahrgenommen wurden? (Archivfoto)Vergrößern des BildesBiontech-Impfstoff im Kühlschrank: Müssen bald Impfdosen vernichtet werden, weil Termine nicht wahrgenommen wurden? (Archivfoto) (Quelle: imago-images-bilder)
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Erst waren sie heiß begehrt, jetzt erscheinen viele Bürger nicht mehr zu ihrem Impftermin – dabei werden zwei Impfungen aufgrund der Delta-Variante noch wichtiger. Geht der deutschen Impfkampagne schon die Puste aus?

Melanie Leonhard bittet weiter um Geduld. Zwar sind 10.000 neue Impftermine laut der Hamburger Gesundheitssenatorin (SPD) ab heute buchbar, nachdem die Hansestadt die Impfpriorisierung auch in den Impfzentren fallen ließ. Dennoch könne nicht jeder sofort seine Erstimpfung erhalten. "Zwar wird es noch immer etliche Wochen dauern, bis alle ihren Impftermin hinter sich haben. Dennoch: Nun ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem jede und jeder sich um einen Impftermin bemühen sollte", teilte Leonhard mit.

Wer sich in anderen Teilen Deutschlands umhört, nimmt dagegen ganz andere Sorgen wahr. Drei Wochen, nachdem die Impfpriorisierung generell nicht mehr befolgt werden muss, scheinen immer mehr Termine grundlos auszufallen. Bundesweit liegt die Ausfallquote laut einer Umfrage des "Tagesspiegel" aktuell zwischen einem und sechs Prozent. Bei deutschlandweit etwa 800.000 Impfungen pro Tag könnten also Tausende Termine ausfallen.

Doppelte Buchungen die Ursache?

Besonders viele Ausfälle verzeichnet offenbar Mecklenburg-Vorpommern. Dort liegt die sogenannte "No-Show-Rate" – also die Quote von Patienten, die ohne Grund nicht zu ihrem Termin erscheinen – zwischen 15 und 40 Prozent. In Hessen liegt sie bei 20 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei sechs Prozent.

Wer nach den Gründen sucht, erhält meistens zwei Antworten: die Urlaubszeit und doppelte Terminbuchungen. Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) glaubt etwa, dass viele Termine in Impfzentren ausfallen, weil sich Personen lieber von ihren Hausärzten impfen lassen.

Situation "teilweise dramatisch"

Die Hausärzte klagen allerdings ebenfalls über ausgefallene Termine. "Absagen oder No-Shows nehmen auch in den Hausarztpraxen zu", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Teilweise dramatisch" nennt Wolfgang Kreischer, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Berlin-Brandenburg, die Situation im Gespräch mit t-online. In seiner Praxis falle etwa die Hälfte der Termine momentan aus. Ähnliches höre er auch von seinen Kollegen: "Viele Praxen sitzen abends noch auf Impfstoff."

Kreischer bringt auch eine weitere Ursache ins Spiel: Die aktuell niedrigen Infektionszahlen könnten in Deutschland dazu führen, dass viele Bürger momentan keinen Wert auf einen Impfschutz legen. "Viele warten gerade ab. Denn die Gefahr ist nicht so evident", meint der Hausarzt. Für die Praxen und Impfzentren sei die Impfbummelei allerdings problematisch: Momentan könne Kreischer noch über Wartelisten die Termine möglichst schnell anderen Patienten anbieten, allerdings werde die Liste immer kleiner. Bald könnte es also so weit kommen, dass Impfstoff ungenutzt vernichtet werden muss.

Impftrend bisher positiv

Droht in Deutschland eine Impfmüdigkeit? Statistisch lässt sich das noch nicht erkennen. In absoluten Zahlen hat die Bundesrepublik laut Gesundheitsminister Jens Spahn am Samstag etwa Großbritannien bei den Erstimpfungen überholt. Prozentual wird man vermutlich in den nächsten Tagen dort auch die USA hinter sich lassen. Beide Länder waren mit ihren Impfkampagnen besonders schnell gestartet, können aber seit einigen Wochen kaum noch größere Anstiege verzeichnen.

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An eine ähnliche Impfdelle wegen abgesagter Termine glaubt Christian Hesse, Leiter der Abteilung für Mathematische Statistik an der Universität Stuttgart, nicht – vorausgesetzt, die Impfbereitschaft bleibe in der Bevölkerung weiter hoch: "Absagen wären dann ein Problem, wenn sie zum Beispiel darauf zurückzuführen wären, dass der prozentuale Anteil der Impfskeptiker und -verweigerer um zehn bis 20 Prozentpunkte zunehmen würde", sagte Hesse der "Bild"-Zeitung.

Mehr Impfstoff angekündigt

Auch in der Bundesregierung scheint weiter Optimismus vorzuherrschen. Dort geht man eher von einer Beschleunigung der Impfkampagne aus. Jens Spahn sagte etwa am Samstag, man könne jedem Erwachsenen wohl bis Ende Juli eine Erstimpfung anbieten. Damit liegt er weit vor den Prognosen der Bundeskanzlerin. Angela Merkel hatte bislang immer erklärt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger bis zum Ende des Sommers am 21. September ein Impfstoffangebot erhalte.

Der erwartete zusätzliche Schub für die Impfkampagne kommt daher, dass der US-Hersteller Moderna laut Gesundheitsministerium im dritten Quartal deutlich mehr Dosen liefern will als bislang angekündigt. Im Juli sollen pro Woche statt 733.000 nun jeweils 1,33 Millionen Dosen kommen, im ganzen Monat 5,32 Millionen, im August 10,28 Millionen und im September 14,5 Millionen.

Mehr Impfdosen und mehr Absagen?

In der kommenden Woche sollen zudem zusätzlich zu bereits eingeplanten Lieferungen fünf Millionen Dosen des Impfstoffes von Astrazeneca und eine Million Dosen von Johnson & Johnson an die Impfzentren sowie Arztpraxen und Betriebsärzte gehen. Allein in der ersten Juli-Woche würden fast fünf Millionen Dosen an die Impfzentren geliefert, kündigte Spahn an. "Die Größenordnung gab es noch nie."

Doch was helfen mehr Impfdosen, wenn die Termine nicht mehr wahrgenommen werden? Auch Virologe Christian Drosten sprach in seinem Podcast mit dem NDR zuletzt davon. Es werde wohl "die nächste große Aufgabe sein", die Bürger zu ermahnen, ihre Impftermine wahrzunehmen. Andere Länder schaffen bereits Anreize, um die Bürger zum Impfen zu motivieren. So will Griechenland allen 18 bis 25-Jährigen künftig pro Erstimpfung einen Gutschein im Wert von 150 Euro schenken.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Wolfgang Kreischer am 28. Juni 2021
  • Nachrichtenagentur dpa
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