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Antisemitismus: Goldegg Verlag fordert Erklärung von Sucharit Bhakdi


Verlag fordert Erklärung
Antisemitismus-Eklat um Corona-Bestsellerautor


Aktualisiert am 14.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Sucharit Bhakdi: Der Professor im Ruhestand löst mit einem Vergleich von Israel mit Nazi-Deutschland Empörung aus.Vergrößern des Bildes
Sucharit Bhakdi: Der Professor im Ruhestand löst mit einem Vergleich von Israel mit Nazi-Deutschland Empörung aus. (Quelle: Screenshot/Servus-TV)

Tiefer Sturz eines Wissenschaftlers: Sucharit Bhakdi, einst respektierter Professor für Mikrobiologie, fällt mit krass antisemitischen Aussagen auf. Der Verlag des Beststellerautors steht unter Druck.

Eklat um eine Ikone der Corona-Leugner-Szene: Sucharit Bhakdi hat in einem Interview erklärt, der jüdische Staat sei durch seine Impfpolitik schlimmer als Nazi-Deutschland. Der österreichische Goldegg-Verlag, der die Bestseller des früheren Mainzer Professors verlegt, wartet auf eine Erklärung, um über Konsequenzen zu entscheiden.

Der aus Thailand stammende Bhakdi sagte in dem Gespräch, das "Schlimme an den Juden" sei: "Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt und umgesetzt. Und deswegen ist Israel jetzt living hell, die lebende Hölle."

Hetze gegen Israels Impfpolitik

Die Juden hätten ihr Land "in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland damals war". Bhakdi ist energischer Gegner der Corona-Impfungen und hat dazu auch mehrfach mit Falschinformationen Angst schüren wollen. Israel ist das Land, das besonders früh und konsequent mit dem Impfen begonnen hat. Mit seiner Darstellung betreibt er NS-Relativierung und Täter-Opfer-Umkehr, schrieb das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus auf Twitter.

Die Gesprächsszene stammt aus einem anderthalbstündigen Interview, das ein zum "Querdenker"-Lager gehörender Fotograf im April führte. Nachdem ein Trailer davon am Wochenende bei YouTube hochgeladen wurde, löst ein Tweet mit dem Ausschnitt seit Dienstag Empörung aus.

Der Goldegg-Verlag löschte am Mittwoch etliche Postings* in sozialen Medien, die für die Bücher von Bhakdi und seiner Frau Katharina Reiss warben. Eine Sprecherin des Verlags sagte t-online: "Wir sind extrem betroffen. Das ist für alle im Verlag nicht nachvollziehbar und überraschend und kann für den Verlag sehr imageschädigend sein."

Nicht offen für Ratschläge vom Verlag

Der Verlag distanziere sich "energisch von jeder Form des Antisemitismus" und habe keine Berührungspunkte mit rechtsgerichteten Ansichten. "Entsprechende Tendenzen waren uns bei Herrn Bhakdi nie aufgefallen. In den Büchern gibt es auch keine Anzeichen dafür."

Jetzt will der Verlag eine Erklärung von Bhakdi. Es geht darum, ob und wie weiter mit ihm zusammengearbeitet wird. "Bevor wir jetzt mögliche weitere Konsequenzen ziehen, verlangt die Fairness, dass wir dazu mit Herrn Bhakdi sprechen. Wir haben ihn kontaktiert und warten darauf, dass er sich zurückmeldet."

Im Verlag gab es offenbar schon länger Bemühungen, Bhakdi vor sich selbst zu schützen. Bei seinem zweiten Corona-Buch habe die Lektorin ihn "enger geführt", also mehr Einfluss auf den Inhalt ausgeübt als beim ersten Buch, und das Hauptaugenmerk dabei auf die medizinischen Aspekte des Themas gelegt. "Wir haben auch versucht, auf die Auswahl seiner Interviewpartner einzuwirken, aber er war da wenig offen für Ratschläge", so die Verlagssprecherin.

Bhakdi-Cover als Plakatmotiv

Durch Zuspruch von Unterstützern und die Verkaufserfolge seiner Bücher sah sich Bhakdi offenbar bestätigt. Das im Juni 2020 herausgekommene "Corona Fehlalarm?" hatte monatelang die Bestsellerlisten in der Sachbuchsparte angeführt und verkaufte sich hunderttausendfach. In Faktenchecks waren dem Buch erhebliche Fehler bescheinigt worden. Auch das Folgebuch landete im Frühjahr auf Platz 1, verkauft sich aber insgesamt viel schlechter.

Auf Anti-Corona-Demonstrationen sind regelmäßig Plakate mit Bhakdis Konterfei oder seinem Buch zu sehen. Er wurde zu einem großen Hoffnungsträger für Menschen, die die Maßnahmen zur Eindämmung für schädlich und die Impfung für gefährlich halten. Während er selbst Panikmache kritisierte, warnte er etwa am Anfang der zweiten Welle: Wenn das Virus "so bekämpft [wird] wie zurzeit, dann sind wir auf dem Weg des kollektiven Selbstmordes".

Partei verteidigt Bhakdi

Bhakdis Entwicklung sei befeuert worden durch ein Vakuum, das sich darin äußerte, dass er in den gängigen Medien keine Plattform mehr gefunden habe, heißt es aus dem Verlag. Bei ihm gebe es möglicherweise eine tiefe Kränkung darüber. Er hatte auch in einem offenen Brief und in einem Video mit Millionen Abrufen Antworten von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert. Inzwischen spricht er von "Diktatur" und kandidiert bei der Corona-Verharmloser-Partei "Die Basis" für den Bundestag. Bei der Partei sieht man in den Äußerungen ihres Kandidaten kein Problem: Sie weise den Vorwurf des Antisemitismus mit aller Entschiedenheit zurück, das sei "billiges Framing" und eine "absurde Unterstellung", schrieb sie auf Twitter.

Der Verlag erklärt auch, wie es zur Zusammenarbeit mit Bhakdi gekommen ist: Die Veröffentlichung der Corona-Bücher im Goldegg-Verlag habe sich "ergeben, weil wir schon vor Corona ein Buch von ihm verlegt hatten. Es war damals eine sehr angenehme, unkomplizierte Zusammenarbeit."

Frühere Uni hat sich distanziert

Bhakdi war als Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie bis 2012 Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Mainz. Die Universität distanzierte sich im Oktober 2020 "an entscheidenden Stellen von den von Herrn Bhakdi vertretenen Positionen, die wir als irreführend bis falsch betrachten". Bhakdi war auch Mitgründer eines Vereins, der im großen Stil Flugblätter mit irreführenden Informationen verteilen ließ.

Bhakdi selbst fasste seine Äußerungen in dem Interview möglicherweise nicht antisemitisch auf: Er sagte in dem Interview auch, er habe Juden verehrt und sei jüdischen Künstlern nachgereist. Marina Weisband, Jüdin, Psychologin und heute bei den Grünen aktiv, frühere Geschäftsführerin der Piratenpartei, ordnete das auf Twitter ein: "Ich glaub ihm das", schrieb sie. "Philosemitismus [jemanden verehren, weil er Jude ist, Anm. d. Red.] ist die kleine Schwester des Antisemitismus. Niemand, der sich als 'Juden-Verehrer' bezeichnet, hat ein sauberes Verhältnis." Bhakdi sei "unter die Hardcore-Antisemiten" gegangen.

Verschwörungsmythen in der Corona-Krise, wie Vergiftungspläne durchs Impfen oder eine Steuerung durch eine geheime Elite, haben oft zum Teil jahrhundertealte antisemitische Tradition, erläutert Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg. Sie tauchen in abgewandelter Form immer wieder auf.

*Wir haben an dieser Stelle korrigiert, dass nicht alle entsprechenden Postings gelöscht sind. Es fanden sich am Mittwochabend noch solche Beiträge.

Verwendete Quellen
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