Beliebter Bundespräsident Für Steinmeier wird der SPD-Erfolg zur ernsten Gefahr
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Beliebt ist er, und so müsste die Wiederwahl Steinmeiers gesichert sein. Ist sie aber nicht, denn die drei höchsten Staatsämter liegen in Männerhand. Das kann eigentlich nicht so bleiben, oder?
Jetzt kommt es so, wie es kommen musste: Bald bildet die SPD mit den Grünen und der FDP eine Regierung. Dann haben wir einen Bundeskanzler, der Olaf Scholz heißt, und einen Vizekanzler, der Robert Habeck heißt. Als Bundestagspräsident ist Rolf Mützenich im Gespräch, den außerhalb der Bannmeile nur Eingeweihte kennen, aber egal.
Nur der Bundespräsident verspricht Kontinuität, alle anderen sind neu. Aber ausgerechnet er, Frank-Walter Steinmeier, könnte bald ein Problem bekommen.
SPD-Dominanz eher ein Zufall
Bundeskanzler, Bundestagspräsident, Bundespräsident: Die drei höchsten Staatsämter haben künftig drei Sozialdemokraten inne. Für eine Partei, die nur etwas mehr als ein Viertel aller abgegebenen Stimmen erhielt, ist das ein erstaunlicher Umstand. Dazu muss man sie beglückwünschen. Es hat sich so gefügt. Es ist so gekommen. Dahinter steckt keine Strategie. Es handelt sich eher um Zufall.
Zudem sind alle drei Amtsinhaber Männer. Auch das hat sich so gefügt. Die 16-Jahre-Kanzlerin will nicht mehr und die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ist zu kurz gesprungen. Damit entsteht ein Problem, das noch nicht richtig in Sicht ist, aber das dürfte sich alsbald ändern.
Wer will Esken als Bundestagspräsidentin?
Eines der drei herausragenden Staatsämter sollte schon eine Frau innehaben, oder? Das ist das Zeichen der Zeit, der Anspruch, der fast überparteiliche Wunsch, den in Kürze zumindest jemand aus der Zivilgesellschaft erheben wird, sei es Alice Schwarzer, sei es Carolin Emcke. Recht haben sie und recht werden sie bekommen, wie es aussieht.
Scholz bleibt Scholz und es dauert noch, bis er gewählt ist. Mützenich muss nicht Mützenich bleiben, aber Saskia Esken drängt es ja, Ministerin zu werden. Und will irgendwer Saskia Esken als Bundestagspräsidentin?
Steinmeier ist im Amt geachtet
Bleibt der Bundespräsident. Er wird Mitte Februar gewählt. Nicht zufällig hat Frank-Walter Steinmeier schon im Mai angekündigt, dass er gerne bleiben möchte, was er ist. 65 Jahre alt und beliebt, wie er ist, könnte die Wiederwahl eine leichte Übung sein. Wegen der Übermacht der Männer wird jedoch aus der leichten eine schwere Übung.
Es war einmal ein SPD-Vorsitzender, er hieß Sigmar Gabriel, der setzte Steinmeier als Bundespräsident durch. Nicht zur Freude der Kanzlerin, wie man sich denken kann, aber egal. Außerdem ist Steinmeier zu einem hochrespektablen Amtsinhaber geworden, der fast immer das Richtige im richtigen Ton sagt und Deutschland überall dort, wo er auftritt, bestens vertritt.
Bundespräsidenten gehen auf einem schmalen Grat. Das Reden gibt ihnen Daseinsberechtigung. Nur in ihnen kommt das Politische vor und dabei fällt es oft eher philosophisch oder moralisch aus, vielleicht auch nur pädagogisch. Sie geben Staatsbanketts und laden auch mal zu Jazz im Park ein.
Kein Grund, ihn nicht zu wählen
Steinmeier sagte zu rechten Morden und zum grassierenden Antisemitismus passende Sätze, zu Corona wie zum Mauerfall oder wie gestern in Babyn Jar zum Jahrestag des SS-Massakers. Viele Worte, gute Worte.
Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt keinen Grund, Frank-Walter Steinmeier nicht wieder zu wählen.
Natürlich sind die Sozialdemokraten jetzt damit beschäftigt, Koalitionsverhandlungen zu führen und eine Regierung zusammenzustellen, die dem Land Lösungen für seine gravierenden Probleme vorlegen kann. Dreierbündnisse sind Neuland und bedürfen umfangreicher Pflege. Doch bald schon, wenn der Kanzler und seine Minister vereidigt sind, zieht der Februar herauf und damit die Wahl zum Bundespräsidenten.
Ich bin gespannt, ob sich Olaf Scholz aufrafft und Steinmeier durchsetzt, wie es Gabriel vormachte. Und ich bin gespannt, welche Frau dazu ausgerufen wird, gegen dem Amtsinhaber anzutreten – und ob der Amtsinhaber dann noch zur Wahl antreten wird, wenn ihm eine respektable Konkurrentin erwächst.