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"Tag-X"-Demo in Leipzig: Polizei rechnet mit Ausschreitungen


Linksextreme Proteste in Leipzig
Angst vor der Explosion

Von Tobias Eßer

Aktualisiert am 02.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Polizist im Einsatz in Leipzig-Connewitz: Die Behörden fürchten am Wochenende Ausschreitungen. (Quelle: Sebastian Willnow/dpa)

Nach dem Urteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. haben Antifa-Gruppen in Leipzig den sogenannten "Tag X" ausgerufen. Was bedeutet das für die Stadt?

Fünf Jahre und drei Monate: Das ist die Dauer der Gefängnisstrafe, zu der die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. in erster Instanz verurteilt wurde. Gemeinsam mit anderen soll sie Jagd auf Neonazis gemacht und diese verprügelt haben.

Auch die radikal linke Szene in Leipzig hat sich solch militante Aktionen auf die Fahnen geschrieben. Deshalb gibt es innerhalb der Szene Solidarität mit Lina E. und der sogenannten "Hammerbande". Nach der Urteilsverkündung wurde der 3. Juni zum "Tag X" deklariert – eine angemeldete Kundgebung wurde von der Stadt Leipzig jedoch verboten.

Was bedeutet "Tag X" genau? Welche Aktionen werden am Samstag in Leipzig erwartet? Wie militant sind die Demonstrierenden? Und was ist am "Tag X" von der gemäßigten Linken zu erwarten? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet "Tag X"?

Mit "Tag X" bezeichnen linke Gruppen einen zentralen Aktionstag nach einem bestimmten Ereignis – in diesem Fall der Urteilsverkündung gegen Lina E. Zum ausgerufenen "Tag X" mobilisieren Leipziger Antifa-Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet und hoffen so auf eine möglichst große Beteiligung an geplanten und ungeplanten Demonstrationen. Diese sollen nach Auffassung der Gruppierungen nicht nur in Leipzig selbst, sondern überregional stattfinden.

Nicht nur aus dem gesamten Bundesgebiet sollen Linksradikale anreisen. Eine Quelle aus der autonomen Szene erzählte im Gespräch mit t-online, dass auch "Genossinnen und Genossen aus Frankreich, Italien und Griechenland" in Leipzig erwartet würden. Gerade Autonome aus diesen Ländern sind für ihre Bereitschaft zu militantem Verhalten bekannt.

Was ist am Samstag in Leipzig zu erwarten?

Der Samstag könnte in Leipzig chaotisch werden, denn die Stadt hat die Demonstration "United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen" verboten. Dagegen haben die Organisatoren vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig geklagt, wie ein Sprecher des Gerichts bestätigte. Noch am Freitag wolle das Gericht über das Verbot entscheiden – Beobachter erwarten jedoch, dass die Demonstration verboten bleibt.

Trotz des möglichen Verbots wollen linke Gruppen am Samstag ihre Wut über das Urteil gegen Lina E. zum Ausdruck bringen. "Massive Einschränkungen (des Demonstrationsrechts, Anm. d. Red.) werden wir als Verbotsszenario begreifen und rufen auf, entsprechend zu handeln", heißt es in der Mitteilung eines unbekannten Verfassers auf dem autonomen Nachrichtenportal "Indymedia".

Dabei könnten sich die Aktionen der Autonomen speziell gegen staatliche Institutionen richten. In einer Pressemitteilung warnt die Polizei Sachsen vor Angriffen auf "Objekte von Behörden, der Justiz und auch von Unternehmen". Im Klartext heißt das: Es drohen Krawalle.

Autonome Gruppen rufen dazu auf, am Samstag ab 17 Uhr ins Leipziger Szeneviertel Connewitz zu kommen. Das Viertel ist ein symbolträchtiger Ort für die linksradikale Szene in ganz Sachsen, hier sollte die derzeit verbotene Demonstration eigentlich stattfinden. "Lasst uns das gesamte Viertel als Aktionsraum sehen, bleibt mobil", heißt es auf "Indymedia". Das spricht weniger für eine große zentrale Kundgebung und mehr für dezentrale Aktionen – etwa Barrikadenbau und spontane Versammlungen.

Unübersichtlich kann es außerdem wegen des Leipziger Stadtfestes, eines großen Konzerts und dem Finale des Sachsenpokals geben. Gerade der Fußballpokal stellt eine potenzielle Gefahrenlage dar, denn dort spielt Lokomotive Leipzig gegen den Chemnitzer FC. Beide Vereine haben auch rechte bis rechtsextreme Fans. Wenn die Fans der Vereine danach in die Leipziger Innenstadt ziehen, könnte es zu Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten kommen.

Wie bereitet sich die Polizei auf den Einsatz am Samstag vor?

Die Polizei ist mit einem Großaufgebot in Leipzig vor Ort. Um der Lage besser Herr werden zu können, hat sie eine Zone eingerichtet, in der die Beamten verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen können. Das Gebiet reicht vom Leipziger Hauptbahnhof bis in den südlichen Stadtteil Connewitz.

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Darüber hinaus versucht die Polizei offenbar, durch Hausbesuche und das Verteilen von Meldeauflagen in Berlin und Hamburg eine überregionale Mobilisierung in Richtung Leipzig zu verhindern. In verschiedenen Accounts auf Twitter ist zu lesen, dass Betroffene wohl bereits zu Hause Besuch von Beamtinnen und Beamten hatten. Im Gespräch mit t-online erklärte eine Sprecherin der Polizei Berlin, solche Auflagen seien nicht verteilt worden: "Das ist ein Gerücht".

Wie gehen gemäßigte Linke mit dem Demonstrationsverbot um?

Auch Teile der Partei Die Linke wollen am Samstag auf die Straße gehen und demonstrieren. In einem offenen Brief erklärten Vertreter des Nachbarschaftsladens "linxxnet", zu dem auch die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel gehört, man wolle am Samstag demonstrieren: "Für eine antifaschistische Bewegung und gegen Repression."

Im "linxxnet" könne man "die Wut und Ohnmacht von Linken nachvollziehen", da man selbst "viele beschissene Erfahrungen mit Neonazis, Repression und Polizeigewalt" gemacht habe, heißt es in dem offenen Brief. Dabei seien militantes Auftreten und Gewalt keine Mittel, auf die "linxxnet" zurückgreifen wolle. "Selbstverteidigung dagegen finden wir legitim."

Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel erklärte im Gespräch mit t-online, die Situation am Samstag in Leipzig sei schwer einzuschätzen: "Im Gespräch mit Polizeibeamten und Innenminister haben wir diskutiert, ob es nicht besser wäre, durch eine zentrale Demo viele beisammen zu haben".

So könne eine "Polizeibelagerung" in der ganzen Stadt verhindert werden, meint sie. Eine Grenze ziehe Nagel bei Gewalt: "Mit Drohungen, wie eine Million Euro Sachschaden pro Haftjahr (von Lina E., Anm. d. Red.) oder Gewaltandrohungen in Richtung der Polizei wurde allerdings eine Grenze erreicht." Ein anonymes Schreiben auf "Indymedia" hatte damit gedroht, dass Autonome pro Haftjahr der Verurteilten Lina E. eine Million Euro Sachschaden an Einrichtungen staatlicher Institutionen verursachen wollten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräche mit Juliane Nagel und einer Sprecherin der Berliner Polizei
  • linxxnet.de: "Offener Brief"
  • umsganze.org: "Zur Tag-X Demonstration am 3. Juni nach Leipzig!"
  • merkur.de: "Nach Urteil gegen Lina E.: Linke Szene bereitet 'Tag X' vor – CDU wird deutlich"
  • mdr.de: "Klage gegen Demo-Verbot am Sonnabend in Leipzig"
  • polizei.sachsen.de: "Polizeieinsatz anlässlich 'Tag X' am 3. Juni 2023"
  • de.indymedia.org: "Zum Umgang mit einem möglichen Verbot oder Einschränkungen der Tag-X Demo im Antifa Ost-Verfahren"
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