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Robert Habeck ist so mächtig wie nie: Glück oder langfristiger Erfolg?


Robert Habeck
Plötzlich ist er mächtig wie nie

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 17.09.2023Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck: Noch am Abgrund, aber so mächtig wie nie zuvor. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Robert Habeck und die Grünen haben miese Monate hinter sich. Nun aber wirkt der Vizekanzler gelöst – und ist mächtig wie nie. Die Frage ist nur: wie lange?

Robert Habeck ist gut gelaunt. Der Vizekanzler steht am Donnerstag in Bremen auf der Bühne der Nationalen Maritimen Konferenz und darf über die weite Welt philosophieren. Von den Reedereien seiner Kindheit in Kiel geht es mit dem Wasserstoff-Schiff direkt zu den neuen Gefahren für die Lebensadern der Globalisierung. Es sind die ganz großen Linien, genau wie er es mag.

Die Lage der Branche ist schwierig, die der Welt düster. Habecks Laune ist blendend. Zumindest die Coronakrise, sagt er irgendwann, sei ja nun vorbei. "Hoffentlich – Herr Lauterbach erzählte mir neulich ganz Fürchterliches", ulkt Habeck plötzlich. "Aber der erzählt immer Fürchterliches. Es kommt dann immer nur halb so schlimm. Das ist die gute Nachricht!" Im Publikum regt sich erst schüchternes, dann lautes Gelächter, das seine Pointe halb verschluckt.

Ein Witz auf Kosten eines Kollegen, und das vor 800 Zuhörern. Noch vor einigen Wochen hätte Habeck sich das wohl nicht erlaubt. Da war er ausreichend damit beschäftigt, die Angriffe auf sich und das Heizungsgesetz abzuwehren. Mal reagierte er wütend, mal genervt, mal reumütig.

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Das lockere Welterklärertum ist die Qualität, die sie in seiner Partei besonders an Robert Habeck schätzen. Weil es Sympathien verspricht, also auch Wählerstimmen. Und die brauchen sie bei den Grünen nach dem Heiz-Desaster und den zeitweise nur noch 13 Prozent mehr denn je.

In diesen Tagen aber ist die Lockerflockigkeit des Robert Habeck zurück. Nicht nur in Bremen. Habeck grinst breit, als der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Mittwoch bei einer Pressekonferenz über die besondere Liebe des Finanzministers Christian Lindner zur Schuldenbremse spricht. Und feixt wenig später mit seinem Lieblingsgegner, auch wenn er dabei zugeben muss, so gar keine Ahnung zu haben. (Erhöhte Strahlung des iPhone 12, hat die Ampel das im Blick? Habeck: "Bist du zuständig vielleicht?" – Lindner: "Nee." – "Hm.")

Für Habecks gute Laune dürfte es vor allem zwei Gründe geben: Der ewige Streit über das Heizungsgesetz scheint mit dem Beschluss des Bundestages nun endgültig beendet zu sein. Und Robert Habeck selbst ist – so muss man das trotz seiner miesen Monate sagen – bei den Grünen plötzlich mächtig wie nie.

Habeck leidet noch mal

Freitag vor einer Woche, Plenarsaal des Deutschen Bundestags, 13.17 Uhr. Robert Habeck ist von der Regierungsbank aufgestanden und wartet längst, als er endlich ans Rednerpult gebeten wird. Er ist ungeduldig. Kein Wunder, heute will die Ampelkoalition sein Heizungsgesetz beschließen.

Die Debatte wird bis dahin für Habeck zum schmerzhaften Flashback der vergangenen Monate. Mit harten Angriffen – manche gut begründet, andere eher weniger. Habeck schüttelt den Kopf, verdreht die Augen, vergräbt sein Gesicht in den Händen. Er leidet noch mal öffentlich.

In seiner kurzen Rede dann scheint der Wirtschaftsminister jeden falschen Fakt, jede falsche Zahl selbst widerlegen zu wollen. Er verliert sich im Klein-klein, aber das ist nun auch nicht mehr wichtig.

Als die zweite Abstimmung über das Gesetz beginnt, beugt sich Habeck auf der Regierungsbank nach vorn und faltet die Hände auf dem Tisch. Viele andere Hände im Plenum gehen nach oben, es reicht für die Mehrheit. Habeck lächelt und wird das an diesem Nachmittag noch häufiger tun – für Selfies mit seinen Parteikollegen.

Und dann kam Paus

Bei den Grünen steht Robert Habeck in diesen Tagen hoch im Kurs, selbst Parteilinke stärken dem Realo vermehrt den Rücken. Was längst nicht immer so war. Viele von ihnen scheinen zu glauben, dass sie den Vizekanzler brauchen, um aus dem tiefen Tal zu kommen, in das sie Habeck ironischerweise selbst hineingeführt hat.

Hilft ja alles nicht. Mancher ist längst nicht mehr sicher, dass die 13 Prozent in den Umfragen die Talsohle waren. Dass es für die Grünen nun also zwingend wieder aufwärtsgehen wird. Es ist auch der Blick in den Abgrund, der sie gerade zusammenschweißt. So sehen es einige Grüne selbst.

Eigentlich sollte der Neustart schon in der Sommerpause beginnen. Habeck begab sich auf Deutschlandreise, wollte nach den Heizungsmonaten nicht mehr nur in Sack und Asche gehen, sondern wieder zuversichtlich auftreten, selbstbewusst. Doch dann kam Lisa Paus.

Die grüne Familienministerin steckte in schwierigen Verhandlungen mit Finanzminister Lindner über die Kindergrundsicherung. Um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen, blockierte sie kurzerhand im Kabinett Lindners Wachstumschancengesetz. Ein Gesetz, für das der Vizekanzler dem Finanzminister längst die grüne Zustimmung versichert hatte.

Habeck stand als jemand da, der seine grünen Ministerinnen und Minister nicht im Griff hat. Schlimmer noch: als jemand, auf dessen Wort sich die Koalitionspartner nicht verlassen können.

Die Grünen waren plötzlich wieder der antiautoritäre Haufen, dem man besser nichts und schon gar nicht den Staat anvertrauen sollte. Zumindest beschrieben es einige Medien so. Und weil das ein Bild ist, das die Grünen über Jahre versucht haben, abzuschütteln – ein Bild, das sie bei ihrem Weg in die politische Mitte so gar nicht gebrauchen können – waren viele alarmiert. Allen voran der Vizekanzler selbst.

Das Machtwort des Robert Habeck

Robert Habeck brach seinen Urlaub ab und maßregelte Parteifreundin Paus öffentlich. In einem Fernsehinterview ließ er sie und alle anderen wissen, dass das "kein Glanzstück" gewesen sei. Es war ein Machtwort. Und es sollte nicht sein einziges bleiben.

Intern arbeiteten die Grünen die Sache in diversen Gesprächsrunden auf. Und Habeck machte nach t-online-Informationen auch dort deutlich, dass er nun mal der Vizekanzler ist – und sein Wort deshalb mehr Gewicht haben muss als das der anderen.

Das hat nun ganz konkrete Auswirkungen. In der sogenannten Sechser-Runde, in der die zwei Parteispitzen, die zwei Fraktionsspitzen sowie Annalena Baerbock und Robert Habeck die grüne Politik steuern, soll zwar weiter diskutiert und möglichst einmütig entschieden werden. Doch bei einem Patt soll Habecks Stimme entscheiden.

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Noch wichtiger dafür, dass sich eine Blockade wie die von Paus nicht wiederholt, sind die neuen Regeln für die grünen Ministerinnen und Minister. Denn auch beim Kabinettsfrühstück, bei dem sich die Grünen vor der Sitzung der gesamten Regierung treffen und abstimmen, soll Habeck seinen Machtanspruch formuliert haben.

Was dazu führt, dass Habeck nun bei den meisten Regierungsentscheidungen, die nicht in die Zuständigkeit eines grünen Ressorts fallen, die Verhandlungsführerschaft für die Partei besitzt. Er hätte also künftig eindeutig das letzte Wort, wenn es darum geht, ob die Grünen Lindners Wachstumschancengesetz unterstützen. Nicht Lisa Paus.

Mächtig – nur wie lange?

Der Machtzuwachs des Vizekanzlers ausgerechnet bei den Grünen, die sich sonst viel einbilden auf ihre basisdemokratische Grundhaltung – er wird nun selbst von manchem im linken Flügel begrüßt. Und was für einige Grüne ebenso überraschend ist: Auch Annalena Baerbock stützt Habeck. Auf die Frage, wo das Machtzentrum liege, sagte sie den Funke-Medien kürzlich: "Beim Vizekanzler Robert Habeck natürlich."

Doch wie lange hält das alles? Im Habeck-Lager nimmt mancher Baerbock nach wie vor übel, dass sie sich lange vornehm zurückhielt, als Habeck die Wärmepumpen um die Ohren flogen. Dass sie ihre Ambitionen auf eine erneute Kanzlerkandidatur aufgegeben hat, glaubt ohnehin eher niemand bei den Grünen.

Spätestens im nächsten Jahr, wenn irgendwann die Entscheidung zwischen Habeck und Baerbock fallen muss und beide ihre Unterstützer sammeln, könnte der Machtfrieden also wieder brüchig werden. Sofern die Grünen bis dahin wieder Umfragewerte haben, die eine Kanzlerkandidatur halbwegs aussichtsreich erscheinen lassen.

Robert Habeck und damit seine Grünen werden dabei vermutlich vor allem daran gemessen, ob die Wirtschaft läuft. Wenn sie abschmieren würde, sähe es wohl schlecht aus für den Wirtschaftsminister, da macht sich in seinem Umfeld niemand Illusionen. Robert Habecks Glück – es könnte von kurzer Dauer sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
  • Besuch der 13. Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen am 14. September 2023
  • Besuch der Bundestagssitzung am 8. September 2023
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