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LKA in Kiel in der Kritik: Polizei tätigt illegalen Abgleich mit DNA-Daten


Illegale DNA-Abgleiche
"Die Polizei pfeift auf das Gesetz!"

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

26.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Genetischer Fingerabdruck auf Papier und ein Blaulicht der PolizeiVergrößern des Bildes
Die Polizei hält sich offenbar beim Umgang mit genetischen Daten nicht an Recht und Gesetz. (IMAGO / Zoonar, IMAGO / Sabine Gudath (Montage)) (Quelle: IMAGO / Sabine Gudath, IMAGO / Zoonar)

Das Landeskriminalamt in Kiel hat jahrelang einen offenbar illegalen Abgleich von DNA-Daten vorgenommen. Jetzt gab es eine Niederlage vor Gericht und Einwände vom Bundeskriminalamt.

Nicht wenige Menschen sind überzeugt: Im Kampf gegen die Kriminalität ist jedes Mittel recht. Und um die Verbrecher zu fangen, könne die Polizei schon mal gewisse Grenzen überschreiten. Das Landeskriminalamt in Kiel musste jetzt schmerzhaft feststellen: So einfach ist es nicht. Auch die Polizei muss sich an geltendes Recht halten.

Das LKA Schleswig-Holstein hatte nämlich alle DNA-Spuren von Beschuldigten automatisch mit der Bundesdatenbank des Bundeskriminalamtes abgeglichen und die Betroffenen damit unter Generalverdacht gestellt. Sogar das BKA ist irritiert über das Verhalten der Kieler Ermittler. Das Landgericht Kiel hat nun diese jahrelange und standardisierte Praxis für rechtswidrig erklärt.

Das LKA und der Drogenfall

Aufgefallen ist diese Praxis in einem Fall, in dem es um den möglichen Handel mit Kokain ging. Einem Beschuldigten namens Bardyll H. wurde dabei vorgeworfen, mit Kokain gehandelt und es in einer Gartenlaube versteckt zu haben. Er wurde am Ende freigesprochen.

Der Freispruch erfolgte vor allem deshalb, weil die Ermittler des Landeskriminalamtes in Kiel bemerkenswerte Fehler gemacht haben. Diese Fehler haben, wie es im Juristendeutsch heißt, zu Beweisverwertungsverboten geführt. Im Kern heißt das: Es gab zwar Beweise für eine mögliche Schuld des Angeklagten. Sie durften aber nicht verwendet werden, weil sie vom LKA auf illegale Weise erlangt worden waren. Das war der Fall, weil die Ermittler DNA-Spuren mit der Datenbank im Bund abgeglichen hatten.

DNA-Abgleich rechtswidrig

"Die werten Herrschaften der Polizei haben hier wilder Westen gespielt", sagt Andreas Meyer, einer der Verteidiger von Bardhyll H. Als er den Fall eher zufällig übernommen hatte, sind ihm die fraglichen Stellen in der Ermittlungsakte sehr schnell aufgefallen. Wenn man das Urteil gegen Bardhyll H. liest, dann zucken nicht nur erfahrene Juristen an einigen Stellen heftig zusammen. So wurde ein Auto untersucht, obwohl der Durchsuchungsbeschluss nur für die Gartenlaube galt. Die Ermittler nutzten immer die gleichen Einmalhandschuhe und kontaminierten den gesamten Tatort, später wurden dann alle Einzelmengen an Kokain auch noch zusammengeschüttet.

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Das Bemerkenswerte: Im Fall der DNA-Spuren war das Vorgehen aus Sicht des LKA kein Fehler, sondern geplantes Handeln. Sie glichen die DNA-Spuren standardisiert mit der Datenbank des Bundeskriminalamtes ab, wollten schauen, ob der mutmaßliche Täter auch schon in früheren oder anderen aktuellen Verfahren aufgefallen war. Was sich erst einmal schlüssig anhört, ist nach jetzigem Stand ein unrechtmäßiges Verfahren, das tief in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingreift.

BKA zeigt sich irritiert

So schreibt es das Bundeskriminalamt in einer Stellungnahme an das Gericht, die t-online vorliegt. Ein Mitarbeiter der Behörde fasst zusammen, dass die "erhobenen [DNA-]Daten […] grundsätzlich nur in dem der konkreten Untersuchung zugrundeliegenden oder einem sonst bereits anhängigen Strafverfahren verwendet werden" dürfen. Also dürfen DNA-Daten immer nur mit Spuren innerhalb des Verfahrens verglichen werden und grundsätzlich nicht mit Daten aus anderen Verfahren. Die einzige Ausnahme, wenn eine Vorstrafe oder Ähnliches vorliegt, also eine sogenannte "Negativprognose", griff hier nicht.

Das Landgerichtgericht schließt sich der Meinung des Bundeskriminalamtes an und schreibt im Urteil: "Der durchgeführte Abgleich der DNA des Angeklagten mit der DNA-Analysedatei, […] war ebenfalls rechtswidrig", und es liege "ein systematischer Verstoß gegen die grundrechtlichen Sicherungen des § 81g Abs. 5 StPO vor, der damit so schwer wiegt, dass er zu einer Unverwertbarkeit der dadurch gewonnen Informationen führt."

Rechtswidriger Abgleich lässt Beschuldigten entkommen

Das offenbar rechtswidrige Vorgehen des LKA sorgt also dafür, dass ein mutmaßlicher Täter nicht verurteilt werden kann. Andreas Meyer nutzte das in seiner Verteidigungsstrategie. Es ist seine Aufgabe, das Beste für seinen Mandanten herauszuholen. Für ihn ist nicht erst nach Studium dieser Akte eines offensichtlich: "Die Polizei pfeift auf das Gesetz! Es ist zu hoffen, dass sich die Beamten die Kritik des Gerichtes zu Herzen nehmen und zukünftig rechtlich unangreifbar handeln."

Rechtsanwalt Andreas Meyer
Rechtsanwalt Andreas Meyer (Quelle: privat)

Andreas Meyer, Rechtsanwalt

Andreas Meyer ist Strafverteidiger in Kiel. Er ist Spezialist für internationales Auslieferungsrecht und bearbeitet Fälle aus dem allgemeinen Straf-, Verfassungs- und Europarecht. Er ist Mitglied des Arbeitskreises Europäisches Strafrecht. Andreas Meyer ist bundesweit tätig.

Daran gibt es aber zumindest gewisse Zweifel. Das LKA Schleswig-Holstein hat diese Abfrage nämlich sogar immer noch in ihrer Richtlinie, die besagt, wie mit DNA-Spuren umzugehen ist. Sie liegt t-online vor. Der sogenannte "Einmalabgleich" ist darin nach wie vor Standard. Er wurde nach der Klatsche vor Gericht lediglich ausgesetzt.

Verstoß in knapp 500 Fällen

Auf Anfrage teilt das LKA mit, dass es in den vergangenen fünf Jahren 487 Mal den "Einmalabgleich" durchgeführt hat. Hat das LKA also mehrere hundert Mal gegen das Gesetz verstoßen?

Die Ermittlungsbehörden in Kiel wollen genau wissen, wie es in Sachen "Einmalabgleich" weitergehen kann. So hat die Staatsanwaltsschaft Revision gegen das Urteil im Fall Bardyll H. eingelegt. Sie stellt sich darin auch gegen die Haltung des Gerichtes, dass der "Einmalabgleich" rechtswidrig sei. Die Polizei schreibt dazu: "Die Wiederaufnahme oder eine dauerhafte Abkehr vom 'Einmalabgleich' wird sich an dem weiteren Verlauf ausrichten." Dieser Revision werden wenig Chancen eingeräumt, zumal die Bundesanwaltschaft sogar festgestellt hat, dass die Staatsanwaltschaft Kiel versäumt hat, wichtige Dokumente einzureichen, die für eine Revision nötig wären. Ein weiterer Patzer der Ermittlungsbehörden in Kiel.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • DNA-Richtlinie des LKA Schleswig-Holstein
  • Urteil gegen Bardyll H.
  • BKA-Gesetz
  • StPO, dejure.org
  • Gespräche mit Andreas Meyer
  • Anfrage Andreas Meyer
  • Anfrage LKA Schleswig-Holstein
  • Anfrage Bundeskriminalamt
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