Kanzleramtschef Frei bei Illner "Wir haben ja jetzt keine Notlage"

Bei Maybrit Illner reden der Kanzleramtschef und die Bauministerin die Pannen der Regierung klein – und eine Wirtschaftsweise fordert "Tacheles" beim Thema Renten.
"Streit statt Aufbruch – bekommt Schwarz-Rot die Kurve?" So hatte Maybrit Illner ihre letzte Talkshow vor der Sommerpause betitelt. Die Moderatorin erinnerte an die Zielvorgabe von Kanzler Friedrich Merz (CDU) bis zum Sommer die Stimmung im Land zu verbessern – und kontrastierte dieses Vorhaben mit der nicht umgesetzten Senkung der Stromsteuer für alle sowie der gescheiterten Abstimmung über die Neubesetzung des Bundesverfassungsgerichts. Zum Zwischenbilanzieren hatte sie eine fein austarierte Gästerunde eingeladen.
Die Gäste:
- Thorsten Frei (CDU), Kanzleramtschef
- Verena Hubertz (SPD), Bundesbauministerin
- Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise
- Robin Alexander, Journalist
Während Kanzleramtschef Thorsten Frei und Bauministerin Verena Hubertz naturgemäß versuchten, die Regierungspannen kleinzureden, steuerten der Journalist Robin Alexander und die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer kritische Anmerkungen bei. Zunächst kam der Widerstand in der Union gegen die von der SPD nominierte Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Sprache. Er spreche sich dafür aus, "einen Schritt zurückzutreten und nach Lösungsräumen zu suchen", formulierte CDU-Mann Frei und ergänzte: "Wir haben ja jetzt keine Notlage."
Illner legt den Finger in die Stromsteuer-Wunde
Thorsten Frei bemühte sich in der Folge, den Eindruck zu zerstreuen, in der Union herrsche Unmut über Friedrich Merz, weil dieser bei der Lockerung der Schuldenbremse nach der Wahl diametral anders agiert habe als zuvor angekündigt. Es gebe einen "enorm großen Rückhalt für den Bundeskanzler in der Fraktion", so der Kanzleramtschef. "Natürlich gibt es Enttäuschte in der CDU", widersprach Robin Alexander. In seinem neuen Buch "Letzte Chance" schreibt der Journalist, dass Merz sogar schon vor der Wahl ein Gutachten beim früheren Verfassungsrichter Udo Di Fabio in Auftrag gegeben habe, ob und wie der Bundestag nach der Wahl noch mit den alten Mehrheiten die Schuldenregel reformieren könne. Frei wollte das nicht bestätigen.
"Kann man erklären, die Mütterrente zu erhöhen, aber die Stromsteuer nicht für alle zu senken – insbesondere, wenn man es vorher versprochen hat?", legte Maybrit Illner den Finger nun in eine weitere Wunde. Hier bekam sie Unterstützung von Monika Schnitzer. Die Wirtschaftsweise monierte nicht nur in diesem Punkt eine "falsche Priorisierung". Auch die Senkung der Agrardieselsteuer und die Entlastung der Gastronomie kritisierte sie, weil beide Maßnahmen kein Wachstum brächten. Nötig seien vielmehr Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Entwicklung.
Investitionen in Kombination mit schnelleren Verfahren versprach daraufhin Verena Hubertz – und bekam von ihrem CDU-Kollegen prompt ein Lob für ihren "Bau-Turbo"-Gesetzentwurf. Auf der Habenseite der schwarz-roten Zwischenbilanz verortete Frei zudem die geplante "Frühstartrente" für Kinder und Jugendliche sowie die "Aktivrente", die Senioren belohnen soll, die im Alter weiterarbeiten.
Investitionsgipfel als Happy End?
Monika Schnitzer allerdings überzeugte er damit nicht. Die Chefin der Wirtschaftsweisen mahnte an, bei den nötigen Reformen der Sozialsysteme "müsste man mal Tacheles reden": So müsse das gesetzliche Renteneintrittsalter steigen, der Rentenanstieg hingegen begrenzt werden. Ob solche Schritte mit SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas möglich seien? Robin Alexander meldete da Zweifel an.
"Wir sind nicht mal 80 Tage im Amt", versuchte Thorsten Frei einmal mehr zu beschwichtigen. Eigentlich gute Entscheidungen der Merz-Regierung seien "durch Stockfehler überschattet" worden. Und letztlich sei Schwarz-Rot doch "die bestmögliche Koalition, die wir zur Verfügung haben". Seine Kabinettskollegin Hubertz führte schließlich noch den jüngsten Investitionsgipfel im Kanzleramt als Beleg für eine verbesserte Grundstimmung an – "wenn auch leider zu wenig Frauen" dabei gewesen seien.
Aber ein derartiges Happy End wäre Maybrit Illner wohl doch zu kitschig gewesen. Nur ein Viertel der dort verkündeten Investitionen seien wirklich neu gewesen, und außerdem habe der Mittelstand gefehlt, kritisierte die ZDF-Talkerin. Dann war auch sie bereit für die Sommerpause.
- ZDF: "Maybrit Illner" vom 24. Juli 2025