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1,5 Millionen neue Wohnungen: Wie soll das gelingen?


Wie soll das gelingen?

Eine Analyse von Jonas Schaible

Aktualisiert am 20.09.2018Lesedauer: 5 Min.
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Horst Seehofer (CSU), Bundesminister fΓΌr Inneres, Heimat und Bau, kommt zur Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt: Seehofer hat mit seinem Ministerium einen Wohngipfel initiiert, um der Wohnungsnot und den teuren Mieten in StΓ€dten entgegenzuwirken.
Horst Seehofer (CSU), Bundesminister fΓΌr Inneres, Heimat und Bau, kommt zur Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt: Seehofer hat mit seinem Ministerium einen Wohngipfel initiiert, um der Wohnungsnot und den teuren Mieten in StΓ€dten entgegenzuwirken. (Quelle: dpa-bilder)

Die Bundesregierung will viele neue Wohnungen schaffen, kann aber nicht erklÀren, wie. An der Wirksamkeit ihrer teuersten Projekte gibt es große Zweifel.

Menschen brauchen Wohnungen und die Bundesregierung hat ein klares Ziel formuliert: 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen in dieser Legislaturperiode entstehen. So steht es im Koalitionsvertrag: "Wir starten eine Wohnraumoffensive: 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime."

Die PlΓ€ne sollen auf dem "Wohnungsgipfel" am morgigen Freitag konkretisiert werden. Daran nehmen Vertreter von Bund, LΓ€ndern und Kommunen, die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, der Mieterbund, die Gewerkschaften und die Bauwirtschaft teil. Aber schon seit Monaten fΓ€llt auf, dass die Regierung nicht erklΓ€ren kann, wie gelingen soll, was sie so forsch ankΓΌndigt hat.

Nicht einmal, wie sie zu ihren Zahlen kommt.

Anfrage ans zustÀndige Innenministerium. Wie viele dieser 1,5 Millionen Wohnungen sollen eigentlich durch Maßnahmen der Regierung zusÀtzlich entstehen und wie viele wÀren sowieso gebaut worden? Ein Sprecher antwortet gegenüber t-online.de: "Die exakte kausale Wirkung der wohnungspolitischen Instrumente hÀngt von vielen Faktoren ab und kann daher nicht quantifiziert werden."

NÀchste Frage: Wie viele Wohnungen kânnten durch die einzelnen Maßnahmen zusÀtzlich entstehen? Wie viele durch die Fârderung des sozialen Wohnungsbaus? Wie viele durch das Baukindergeld? Antwort des BMI: "Die geplanten wohnungspolitischen Maßnahmen sind als sich ergÀnzendes Maßnahmenbündel zu verstehen. Die separate Quantifizierung der Wirkung ist deshalb nicht mâglich."

Vielleicht entstehen durch die Maßnahmen der Regierung sehr viele Wohnungen, vielleicht aber auch gar keine. Die Regierung weiß es nicht. Oder sagt es nicht. Nicht einmal einen Korridor teilt das BMI mit, keine SchÀtzung, keine Szenarien. Nichts.

Trotzdem verkündet sie, alle Maßnahmen zusammen sollten zusammen 1,5 Millionen Wohnungen ergeben. Wie kommt sie dazu?

Der Trend arbeitet fΓΌr die Regierung

MΓΆglicherweise setzt sie schlicht auf den Trend. Im vergangenen Jahr 2017 sind etwa 284.816 Wohnungen fertiggestellt worden. Acht Jahre zuvor noch 158.987. Im letzten Jahr der Legislaturperiode 2009 bis 2013 sind gut 30 Prozent mehr Wohnungen entstanden als im ersten Jahr. In der Legislaturperiode 2013 bis 2017 war es fast genauso. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor.

WΓΌrde es 2017 bis 2021 so weiter gehen, landete man am Ende bei grob gerechnet: 1,5 Millionen neuen Wohnungen. Und aus den vergangenen Jahren sind nach Angaben der Kreditanstalt fΓΌr Wiederaufbau (KfW) noch etwa 600.000 Wohnungen genehmigt, aber nicht gebaut.

Die Regierung mΓΌsste also nur Kurs halten. Ist das der Grund fΓΌr ihre forsche Zielvorgabe? Ist ihr Ziel womΓΆglich gar nicht so ambitioniert, wie es klingt?

Doch, sagt Claus Michelsen, der fΓΌr das Deutsche Institut fΓΌr Wirtschaftsforschung die Bauwirtschaft analysiert, auch im Auftrag des Bauministeriums: β€žIch halte die Ziele fΓΌr ambitioniert." In diesem Jahr rechne er mit Fertigstellungen von etwa 300.000 Wohnungen: "Selbst wenn jedes Jahr 10 Prozent mehr gebaut wΓΌrde, wΓ€re das Ziel nicht zu schaffen." Und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt geht davon aus, dass selbst 300.000 nicht erreicht werden.

Und doch sollen die Maßnahmen der Regierung den Ausschlag geben. Wenn sie schon keine SchÀtzungen verâffentlicht, was lÀsst sich über ihre Kernprojekte sagen?

Sozialer Wohnungsbau und Baukindergeld

FΓΌr den sozialen Wohnungsbau sind im Koalitionsvertrag zwei Milliarden Euro zusΓ€tzlich zu den FΓΆrdertΓΆpfen der LΓ€nder vorgesehen, mittlerweile sollen es sogar fΓΌnf Milliarden werden. Wie viel Geld die LΓ€nder einplanten, ist dem BMI nach eigenen Angaben gar nicht bekannt. Wie viele Wohnungen mit Bundesmitteln gefΓΆrdert werden kΓΆnnen, lasse sich nur schwer abschΓ€tzen, teilt das BMI mit. Der bisherige BaustaatssekretΓ€r Gunther Adler, der als wichtigster Mann in Baufragen galt, schΓ€tzte im FrΓΌhjahr allerdings noch, dass pro Milliarde rund 30.000 Wohnungen gefΓΆrdert werden kΓΆnnten. Das wΓ€ren also rund 150.000 Wohnungen.

Die zweite große Maßnahme ist das Baukindergeld. CDU und CSU wollten es unbedingt im Koalitionsvertrag sehen. Familien, die ein Haus bauen oder kaufen, bekommen pro Jahr fΓΌr jedes Kind unter 18 Jahren 1.200 Euro fΓΌr maximal zehn Jahre. Familien, die mehr als 75.000 Euro im Jahr plus weitere 15.000 pro Kind verdienen, bekommen kein Baukindergeld. AntrΓ€ge kΓΆnnen nur bis 2020 gestellt werden – ansonsten wΓΌrde das Programm zu teuer. Auch so sind dafΓΌr 2,7 Milliarden Euro allein in dieser Legislaturperiode eingeplant. Fast 10 Milliarden bis zum Ende der FΓΆrderzeit.

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Aber entstehen dadurch wirklich neue Wohnungen? Die Regierung kalkulierte stets mit rund 200.000 Anspruchsberechtigten. Wie viele davon sowieso bauen wΓΌrden, auch ohne Baukindergeld, kann oder will die Regierung nicht schΓ€tzen. Sie gehe aber von einer "Trendumkehr bei den Baugenehmigungen fΓΌr selbstgenutztes Wohneigentum" aus. Nicht einmal die Wirkungen der sehr Γ€hnlichen Eigenheimzulage, die von 1995 bis 2005 existierte, sind der Regierung laut einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der GrΓΌnen bekannt.

Nach Berechnungen von Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kânnte das Baukindergeld die Kosten in einer Großstadt in den ersten zehn Jahren um rund vier Prozent senken, in kleineren StÀdten um acht Prozent, auf dem Land womâglich noch etwas mehr. Im Jahr 2017 kostete ein Quadratmeter neu gebauter WohnflÀche rund 1.700 Euro. Bei 100 Quadratmetern, was für ein Einfamilienhaus eher wenig ist, sind das 170.000 Euro im Schnitt. Dazu kommen stetig steigende Grundstückpreise: Zwischen rund 60 Euro pro Quadratmeter in kleinen Dârfern bis zu mehr als 1.000 Euro pro Quadratmeter in den grâßten StÀdten. Insgesamt also einige Zehntausend bis mehrere Hunderttausend Euro. Unter 200.000 Euro ist also nicht an ein Haus zu denken. In GroßstÀdten wird es gleich sehr viel teurer.

Nicht eine bezahlbare Wohnung mehr?

Familien mΓΌssen also trotz FΓΆrderung in der Lage sein, weit mehr als Hunderttausend Euro aufzubringen. Sie braucht genΓΌgend Eigenkapital fΓΌr Kredite. Die Opposition befΓΌrchtet Mitnahmeeffekte: Wer sowieso baut, streicht das Geld ein. Am Wohnraummangel Γ€ndert sich nichts. "Dadurch wird nicht eine bezahlbare Wohnung mehr geschaffen", sagt der wohnungspolitische Sprecher der GrΓΌnen, Christian KΓΌhn.

Nach Erfahrungen mit der Eigenheimzulage ist es denkbar, dass dadurch manches Haus mehr gebaut wird. Aber wahrscheinlich fast nur auf dem Land. Dort also, wo die Lage auf dem Wohnungsmarkt am wenigsten angespannt ist. Wo die Eigenheimquote hoch ist. Wo Wohnen keine dringende Frage ist. In den BallungsrÀumen wird das Baukindergeld mutmaßlich kaum Neubauten verursachen.


Dazu mâchte die Regierung das Genehmigungsverfahren vereinfachen, damit schneller gebaut werden kann. Schon jetzt ist es aber so, dass viele genehmigte Wohnungen nicht gebaut werden kânnen. Unter anderem, weil die Bauwirtschaft in hohem Maße ausgelastet ist. Und weil sie zunehmend über Probleme klagt, FachkrÀfte zu finden. Genehmigungsverfahren zu beschleunigen dürfte kurzfristig also kaum viele neue Wohnungen bringen.

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Schließlich sind eine Reihe von GesetzesÀnderungen angedacht. Die meisten zielen darauf, mehr und einfacher Bauland zu gewinnen, unter anderem von Landwirten. Auch diese Maßnahmen setzen aber voraus, dass jemand dort bauen will. Und auch sie werden auf dem Land stÀrker wirken als in BallungsrÀumen. Darüber hinaus soll es Steuervorteile für alle geben, die Wohnungen bauen.

All das setzt sich nicht zusammen zum Bild einer sorgsam geplanten Wohnraumoffensive. Eher wirkt es, als sei da zuerst eine Zahl gewesen. Und dann habe man überlegt, mit welchen Maßnahmen sich die erreichen ließe. Eventuell.

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