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AfD | Volksverhetzung: Jetzt kann es für Björn Höcke in Halle dick kommen


Entscheidung über Prozess
Nächste Woche kann es für Höcke dick kommen

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

08.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Björn Höcke: Mindestens sieben Mal ist seine Immunität aufgehoben worden, jetzt ist erstmals entschieden, ob ihm ein Strafprozess gemacht wird.Vergrößern des Bildes
Björn Höcke: Mindestens siebenmal ist seine Immunität aufgehoben worden. (Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago images)

Nachdem am Freitag die Immunität von Björn Höcke zum wiederholten Mal aufgehoben wird, rückt ein Prozess nahe. Die Entscheidung darüber ist in einem Fall gerade gefallen.

Björn Höcke führt eine Art digitales Kerbholz, es sind viele Striche darauf: Zum siebten Mal hat eine Anzeige gegen ihn dazu geführt, dass seine Immunität als Landtagsabgeordneter aufgehoben wurde, schrieb er am Freitag. Nach seiner eigenen Erzählung aus dem April könnte es auch das achte Mal gewesen sein. Dabei geht es um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung auf dem Messengerdienst Telegram. Höcke kokettiert damit, dass ihm "wie kaum einem anderen Politiker" Strafanzeigensteller wegen "reiner 'Meinungsdelikte'" und des "Verdachts der Falschmeinung" auf den Fersen seien. In einem Tweet sprach er von einer "Justizkeule gegen Dissidenten".

Der Thüringer AfD-Chef hat das in der Vergangenheit ins Lächerliche gezogen: "Wenn ich Immunitätsaufhebung höre, kann ich mittlerweile kaum mehr tun, als müde zu lächeln". Das schrieb er im November 2021 auf Facebook, als der Ausschuss grünes Licht für andere Ermittlungen gegeben hatte.

Doch der Fall, über den er damals geschrieben hatte, holt ihn jetzt ein. Während am Freitag der neue Fall im Fokus stand, bei dem die Ermittlungen noch am Anfang stehen, hat er Post zum alten Fall bekommen. Das Landgericht in Halle/Saale hat ihm in dieser Woche Nachricht zu der Sache geschickt: Mitgeteilt wurde, ob es zum Prozess kommt, weil der Geschichtslehrer 2021 die SA-Parole "Alles für Deutschland" in einer Rede genutzt hat. Zu dieser Nachricht schweigt Höcke.

Gericht erwartet viele Anfragen

Wegen dieses brisanten Falls stellt sich am Landgericht Halle der Vizepräsident Wolfgang Ehm auf viele Anfragen von Journalisten in der kommenden Woche ein. Er wird dann mitteilen, was bereits entschieden ist: Ob die 5. Kammer Höcke den Prozess machen wird. Ehm darf noch nicht sagen, wie das Gericht entschieden hat. Es fehlt noch die Bestätigung, dass Staatsanwaltschaft und Björn Höcke die verschickte Entscheidung auch bereits kennen. Sie ist offenbar nicht auf digitalem Weg gesendet worden, wo der Eingang mit dem Verfahren des "besonderen elektronischen Anwaltspostfachs" gemeldet wird. Erst wenn die Bestätigung vorliegt, darf das Gericht juristisch die Entscheidung öffentlich machen.

Das Gericht hatte fast vier Monate Zeit für seine Prüfung der Anklage, ob mit einer Verurteilung zu rechnen ist. Bei Beweisschwierigkeiten oder wenn die Kammer das vorgeworfene Verhalten als nicht strafbar ansieht, kann sie auch die Anklage verweigern. Es wäre ein Triumph für Björn Höcke, der aber sehr unwahrscheinlich ist. Der Fall ist nicht einfach, aber die Staatsanwaltschaft Halle hat sehr penibel alle Fragen geprüft, ehe sie am 16. Mai Anklage erhob. Der Vorwurf: das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Anzeige kam von Grünen-Politiker

Es geht dabei um einen Vorfall am 29. Mai 2021 in Merseburg. Am Ende eines Wahlkampfauftritts verwendete Höcke die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP, "Alles für Deutschland!", "wobei er um Herkunft und Bedeutung dieser Formel gewusst haben soll", wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Dafür angezeigt hatte ihn Sebastian Striegel, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion in Sachsen-Anhalt.

Auf den Vorwurf stehen maximal drei Jahre Haft, und das ist eines der Kriterien dafür, wo verhandelt wird: bei diesem maximalen Strafrahmen in der Regel am Amtsgericht. In Höckes Fall nicht, da hatte die Staatsanwaltschaft direkt beim Landgericht Anklage erhoben. Die 5. Kammer dort, die den Fall zugewiesen bekommen hat, verhandelt in der Regel schwere Gewalt- und Drogendelikte. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel hat auch schon den "Reichsbürger" und früheren "Mister Germany" Adrian Ursache wegen versuchten Mordes an einem Polizisten verurteilt.

Dass der viel minderschwere Vorwurf gegen Höcke bei ihm gelandet ist, liegt an der Staatsanwaltschaft, die die Möglichkeit genutzt hat, bei einem Fall von besonderer Bedeutung ans Landgericht zu gehen. Schon lange bevor klar war, ob es tatsächlich zum Prozess kommen wird, hatte sich Höcke darüber beklagt: Durch die Absicht werde ihm eine Tatsachseninstanz genommen – die unterste Ebene entscheidet erst gar nicht. "Kann es sein, daß (sic) man hier maximale Öffentlichkeit produzieren will bzw. wie kann es sein, daß (sic) es für 'Prominente' Sonderrecht gibt?"

Höcke sprach von "Fauxpas"

Höcke hatte erklärt, ihm sei in dem Moment der Rede nicht bewusst gewesen, dass er bei einem Dreiklang "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!" die verbotene Losung nutzte. Er nannte den Vorfall in diesem Jahr einen "Fauxpas". Er ist allerdings Geschichtslehrer. Nach Ansicht der Mannheimer Linguistik-Professorin Heidrun Kämper nimmt er in Sachen rhetorischer Eskalation noch mal eine Sonderrolle innerhalb seiner Partei ein, in der er rhetorische Nähe zum NS-System habe. Kämper, zugleich auch SPD-Lokalpolitikerin, untersucht seit 2017 die Rhetorik der AfD und hält Höckes Erklärung für wenig glaubwürdig. Bis in die grammatischen Konstruktionen hinein seien Parallelen offensichtlich, sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. "Er studiert Hitlers Reden offensichtlich sehr gründlich."

Nach einer Zulassung der Anklage kann es bis zur Verhandlung mit dem AfD-Politiker noch etliche Monate dauern: Vorrang haben Haftsachen. Ob und wie viele Zeugen und Gutachter geladen werden: "Das ist noch völlig offen", erklärt Halles Gerichts-Vizepräsident Wolfgang Ehm.

Volksverhetzung ist auch der Vorwurf, dessentwegen nun der Justizausschuss des Thüringer Landtags – zum siebten oder achten Mal – die Immunität aufgehoben hat. Die Entscheidung bedeutet für die Staatsanwaltschaft Mühlhausen in Thüringen, dass sie einem Posting in Höckes Telegram-Kanal aus dem Oktober 2022 nachgehen kann.

Darin hatte Höcke auf eine Gewalttat in Ludwigshafen reagiert und behauptet, muslimische Migranten würden einen "Verdrängungskrieg" führen. Unter ihnen sei es weit verbreitet, Deutsche als "lebensunwertes Leben" zu betrachten. Das war eine Formulierung Adolf Hitlers gewesen, um seine "Rassenhygiene" zu begründen. Angezeigt wurde Höcke von der Vertreterin der Opferangehörigen des Gedenkstätten-Fördervereins Hadamar, außerdem von Piratenpartei und Aktivisten des Anonymous-Kollektivs.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat schon klargemacht, dass der Justizausschuss sich dann bald wieder damit befassen muss: Sie will zeitnah Anklage erheben, wieder beim Landgericht, hier in Mühlhausen. Dafür muss dann wieder das Einverständnis eingeholt werden – ein weiterer Strich auf Höckes Liste.

Verwendete Quellen
  • br.de: Rechte Rhetorik: Wie viel NS steckt in den Reden von Höcke?
  • Facebook: Posting Björn Höcke
  • freilich.de: DOKUMENTIERT: Stellungnahme von Höcke zur geplanten Anklage (archiviert)
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