Kleinkrieg in der AfD Euro-Gegner außer Kontrolle
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krude Thesen im Internet, Streit über akademische Titel, interne Anfeindungen: Die Euro-Gegner von der Alternative für Deutschland (AfD) verzetteln sich in Querelen. Parteichef Lucke muss sich immer wieder einschalten - mit überschaubarem Erfolg.
Der Landesvorstand der hessischen Alternative für Deutschland (AfD) verabschiedete sich mit einem Wunsch ins neue Jahr. "Nach den vielen Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate sind wir fest entschlossen, in ruhigem Fahrwasser die vielen anstehenden Aufgaben so zügig wie möglich und zur Zufriedenheit aller zu erledigen", heißt es in einer internen Mail an die Parteibasis, die "Spiegel Online" vorliegt.
"Inakzeptable politische Äußerungen"
Dann aber folgt eine kleine Einschränkung: "Allerdings war es notwendig, den gerade frisch gewählten Schatzmeister wegen inakzeptabler politischer Äußerungen von seinem Amt zu suspendieren."
Die Partei der Euro-Gegner, die bei der Bundestagswahl aus dem Stand heraus auf 4,7 Prozent kam und nur knapp den Einzug ins Parlament verpasste, kommt nicht zur Ruhe. Eigentlich soll das Jahr 2014 noch erfolgreicher werden - ein Ziel ist der erstmalige Einzug ins Europaparlament im Mai. Da hier nur eine Drei-Prozent-Klausel gilt, dürfte die AfD den Sprung nach Brüssel schaffen; die meisten Umfragen sehen sie derzeit bei vier Prozent.
Doch nachdem in Hessen die Lage einigermaßen befriedet schien, hatte Landeschatzmeister Peter Ziemann im Internet Thesen verbreitet, die bei dem AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke die Alarmglocken schrillen ließen. So hatte der Landesschatzmeister unter anderem geschrieben:
Weiter Unruhe in Hessen
Lucke reagierte - und mit Billigung des hessischen Landesvorstands wurde Ziemann vom Bundesvorstand seines Postens enthoben. Er habe sich "klar verfassungswidrig geäußert", so Lucke. Doch damit nicht genug - mit dem neuen hessischen Sprecher Volker Bartz gibt es vor Jahresfrist ebenfalls Probleme - er soll angeblich seine akademischen Titel zu Unrecht führen.
Mitte Januar tritt die Hessen-AfD zu einem weiteren Landesparteitag zusammen; es könnte turbulent werden. Lucke verlangte mittlerweile Auskunft, doch Bartz antwortete offenbar nicht. So schrieb Lucke empört an die Mitglieder: "Herr Professor Dr. Bartz hat trotz mehrfacher Anfrage keine Angaben dazu gemacht, wo und wann er promoviert wurde und an welcher Universität er zum Professor berufen wurde. In meiner wissenschaftlichen Laufbahn ist es mir noch nie passiert, dass ein Wissenschaftler auf diese Fragen nicht bereitwillig Auskunft gegeben hätte."
Bartz wiederum nennt Lucke in Mails an Medien einen "Inquisitor". Kaum ein Jahr nach ihrer Gründung ist die AfD in schweren Turbulenzen. Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Lucke hat jetzt in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eingeräumt, die Aufgabe "unterschätzt" zu haben.
Tatsächlich droht die rund 17.000 Mitglieder zählende Partei das Schicksal der "Piraten" zu erleiden, die einen kometenhaften Aufstieg in einigen Landesparlamenten erlebte - und nach internem Dauerzwist bei der Bundestagswahl weit abgeschlagen landeten. Lucke hält dagegen, spricht seit Wochen von "Nachwehen" im hessischen Landesverband, ansonsten herrsche in den anderen Teilen der Partei "Ruhe".
Tipps zum Umgang mit den Medien
Zur Ruhe kommt vor allem einer nicht: Lucke. Immer wieder muss sich der Vorsitzende direkt in die Querelen einschalten. Kürzlich versandte er eine Mail, in der es für die Basis auch Tipps zum Umgang mit den Medien gab. Von denen fühlen sich viele in der AfD schlecht behandelt - ebenso Lucke.
"Die Medien berichten in den letzten Wochen wenig über uns und wenn, dann gerne mit dem Fokus auf Streitigkeiten in den Landesverbänden. Viele Presseberichte sind durch falsche oder verzerrte Darstellungen gekennzeichnet", ließ er die Basis wissen.
Nun gibt es auf der Homepage eine Rubrik "Die AfD antwortet". Da die Presse Korrekturen nicht drucke, werde man künftig auf dieser Seite tendenziöser Berichterstattung entgegentreten und Falschinformationen richtigstellen. "Wir werden uns bemühen, das möglichst schnell zu tun, aber erwarten Sie bitte nicht, dass wir ständig Gewehr bei Fuß stehen oder auf jeden negativen Artikel reagieren können. Dafür gibt es zu viele Presseorgane und wir haben ja auch noch andere Aufgaben zu tun", so Lucke an die Basis.
Genauso viele Sorgen wie der Umgang der Medien mit der AfD machen der Bundesführung allerdings die eigenen Mitglieder. Denn die schalten sich vor allem im Internet mit harschen Bemerkungen ein - nicht zuletzt das Beispiel des geschassten hessischen Landesschatzmeisters gibt dafür ein illustres Beispiel.
Mitglieder zur Zurückhaltung gemahnt
Lucke musste die Basis mittlerweile zur Zurückhaltung mahnen. AfD-Mitglieder und Anhänger seien sehr aktiv auf Facebook und in den Kommentaren der Nachrichten-Sites. "Das sind in den meisten Fällen gute und wertvolle Stellungnahmen für unsere Partei. Aber leider nicht immer. Es gibt auch Beispiele für unsachliche oder ausfallende Reaktionen", so der AfD-Chef in einer Mail.
Und er appellierte, sich stets nur sachlich und mit dem gebotenen Respekt für Andersdenkende zu äußern: "Inhalt (und äußere Form!) Ihrer öffentlichen Stellungnahmen sind Teil unserer Visitenkarte."