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Chinas Staatsjubiläum zum 70. – eine beispiellose Erfolgsgeschichte


Was heute wichtig ist
Das Land, das an uns vorbeirast

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 01.10.2019Lesedauer: 6 Min.
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Boom-Stadt Shenzhen. (Quelle: imago images)

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WAS WAR?

Kein Tag vergeht ohne eine noch skandalösere Wendung als am Vortag: Atemlos verfolgen wir, wie der Mann im Weißen Haus trickst und tobt. Auch den australischen Premierminister soll er im Rahmen von Justizermittlungen unter Druck gesetzt haben, berichtet die "New York Times". In der Affäre um das Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten trifft sein Zorn nun den Enthüller und den parlamentarischen Ermittler: Dem Chef des Geheimdienstausschusses droht er mit "Festnahme wegen Landesverrats".

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Rechtschaffene Bürger mag dieses Verhalten eines demokratisch gewählten Präsidenten erschüttern. Überraschen sollte es sie nicht. Donald Trump gebärdet sich immer offensichtlicher wie ein Polit-Mafioso. Da ist es nur folgerichtig, dass er Freund und Feind der Omertà unterwirft, dem Gesetz des Schweigens. In der Trump-Welt kann nur einer Recht haben, und das meint er wörtlich: Er selbst will das Recht besitzen. Wer sich widersetzt, wer ihm in die Quere kommt oder ihn gar attackiert, und sei es auf der Basis rechtsstaatlicher Regeln, muss zum Schweigen gebracht werden. Schon jetzt hat die amerikanische Demokratie Schaden genommen. Nicht auszudenken, was geschähe, würde das System der "checks and balances" irgendwann gar nicht mehr funktionieren. Ausgeschlossen ist das bei diesem Präsidenten nicht. Mit diesem Gedanken beende ich dieses unerquickliche Thema heute Morgen. Und das obligatorische Donald-Foto? Erspare ich Ihnen.


DIE GUTE NACHRICHT

Schenkt man dieser Tage Ökonomen sein Ohr, braucht man schnell einen Schnaps. Konjunktureller Abschwung! Gefährdeter Export! Drohende Rezession! Die Mahner mögen ernstzunehmende Sorgen hegen, aber heute lassen wir ihre Mahnungen zum anderen Ohr gleich wieder hinaus und den Schnaps in der Flasche. Heute schauen wir einfach mal in die Daten der Bundesagentur für Arbeit und lesen dort: Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist deutlich gesunken – auf den niedrigsten September-Stand seit der Wiedervereinigung. Bundesweit sind nur noch 2,2 Millionen Erwerbsfähige ohne Job, das sind gerade mal 4,9 Prozent. Nun mag man sagen: Das sind immer noch 2,2 Millionen zu viele. Man mag kritisieren, dass einige Bedürftige seit den Hartz-Reformen gar nicht mehr in der Statistik auftauchen. Oder man nimmt dankbar zur Kenntnis, dass die große Mehrheit der Bundesbürger trotz der turbulenten Weltlage verlässlich in Lohn und Brot ist.


WAS STEHT AN?

Möchten Sie den Aufstieg Chinas zur Weltmacht besichtigen? Dann fahren Sie doch in den Urlaub: Paris, Rom, New York, egal, wohin. Seit einigen Jahren trifft man an den Touristenattraktionen rund um den Globus auffallend viele Besucher aus dem Reich der Mitte: gestylte Klamotten, Nobelhandy im Anschlag, keine Selfie-taugliche Kulisse wird ausgelassen. Der Aufstieg Chinas zum Wirtschaftskoloss hat 300 Millionen Menschen den Aufstieg in den Mittelstand ermöglicht. Man begegnet ihnen nicht mehr nur im Schutz der Reisegruppe, sondern auch im Individualurlaub mit Freunden oder der Kleinfamilie. Die Abkehr vom Kollektiv ist im chinesischen Privatleben angekommen. Gruppenzwang im Mao-Anzug? Lange ist es her.

Heute vor 70 Jahren hat besagter Mao in besagtem Anzug die Volksrepublik China ausgerufen. Seitdem herrscht die Kommunistische Partei (KP) – unerbittlich und unangefochten (die Sonderwirtschaftszone Hongkong lassen wir mal für einen Moment beiseite). Egal, wie man zu diesem politischen System steht: Ein Riesenreich bettelarmer Bauern so rasant in eine aufstrebende Gesellschaft zu verwandeln, ist eine enorme Leistung – und weltweit einmalig. Ein Verdienst des Kommunismus und des Großen Vorsitzenden Mao Zedong? Mitnichten. Erst nach seinem Tod in den achtziger Jahren endete die Mangelwirtschaft. Erst Deng Xiaoping warf die Mao-Bibel über Bord, öffnete das Land für den internationalen Handel und förderte privates Gewinnstreben – kurz: den bedingungslosen Turbokapitalismus.


Eine direkte Linie führt von Dengs radikalem Kurswechsel zu Kanzlerin Merkel, die bei ihrem jüngsten China-Besuch in einer nagelneuen, blitzschnell hochgezogenen, frisch eröffneten Fabrik stand und dort an Zuhause denken musste, wo zum Beispiel der Hauptstadtflughafen weder nagelneu noch blitzschnell hochgezogen und schon gar nicht eröffnet ist. Die Kommunistenkapitalisten dagegen kriegen das hin: In Peking wird der neue Megaflughafen vollendet, bevor ein deutscher Bürokrat auch nur "Planfestellungsverfahren" sagen kann. Das ist kein Wunder. Bürgerinitiativen, Mitsprache, langwierige Klagen an Verwaltungsgerichten: aus Sicht der KP entbehrlicher Firlefanz. Die Partei befiehlt, das Volk folgt.

Während China im Hochgeschwindigkeitszug an anderen Industrienationen vorbeirast, wird alles aus dem Weg geräumt, was stört. Die Umwelt erleidet katastrophalen Schaden. Allerdings ist dieser Schaden aufgrund der schieren Größe Chinas nicht lokal, sondern global: 1,4 Milliarden Menschen machen sich auf den Weg in die Konsumgesellschaft, und die Treibhausgase gehen durch die Decke. Doch wenn es für unser aller Klima einen Hoffnungsschimmer gibt, dann ausgerechnet wegen Chinas Staatspartei, die für den ganzen Dreck verantwortlich ist. Denn eine Klimakatastrophe schadet dem Ruhm der Partei und bereitet auch ihren Untertanen Verdruss. Sobald in Peking der Groschen gefallen ist und der Parteielite ein neuerlicher Kurswechsel nötig erscheint, wird er umgesetzt – nicht behäbig, sondern auf Kommando, zack-zack. Da gibt es kein Meckern wegen hässlicher Windräder und Stromtrassen.

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Die lenkende Hand der KP, die China an die Weltspitze geführt hat, und der Kontrollwahn der Parteibonzen: Das sind die zwei Seiten derselben Medaille. Hier der rasante Aufstieg zum Global Player, dort die gnadenlose Manipulation der Öffentlichkeit, bis in den letzten Winkel des Internets. Wohlstand für Millionen, Straflager für Oppositionelle und Minderheiten. Die Militärparade, mit der Chinas Führer heute der Welt ihre Hi-Tech-Waffen vorführen, rollt denselben Boulevard hinunter, auf dem vor 30 Jahren die demokratiebewegten Studenten niederkartätscht wurden.

Staunen wir heute also über den kometenhaften Aufstieg Chinas vom Armenhaus zur Wohlstandsschmiede. Doch morgen dürfen wir uns wieder unseren eigenen Errungenschaften zuwenden, vielleicht sogar ein Quäntchen stolzer als zuvor. Denn die Freiheit, die in China keiner kennt, erscheint hierzulande in mancherlei Gestalt. Als Recht zum Widerspruch zum Beispiel. Und manchmal sogar als Planfeststellungsverfahren.


Und sonst? Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier legt heute seine Mittelstandsstrategie vor. Im Leipziger Hauptbahnhof wird anlässlich 30 Jahren friedlicher Revolution eine Lichtinstallation aus 1.000 Taschenlampen eröffnet. In Wien feiert man den 150. Jahrestag der weltweit ersten Postkarte. Und wenn ich nun alle drei Termine kombiniere, Mittelstand und ehemalige DDR und Postkarte, dann erinnere ich mich an einen Artikel, den ich vor langer Zeit an anderer Stelle geschrieben habe: über die amüsanten Postkarten, die DDR-Bürger aus dem Urlaub nach Hause schickten.


WAS LESEN?

Er war schon Sportreporter, als die Bratwurst im Stadion noch mit Münzgeld bezahlt wurde und es am Samstagabend nur zwei Highlights gab: Erst die Sportschau, dann das Aktuelle Sportstudio. Auch im Ruhestand verfolgt der ehemalige Fußballkommentator Fritz von Thurn und Taxis die Bundesliga noch penibel. Im Interview mit meinem Kollegen Patrick Mayer übt er harte Kritik am System der Fußballübertragung: "Heute kann selbst ich mich als Insider nicht mehr richtig orientieren, wo welches Spiel am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag läuft“, wettert der 69-Jährige: "Diese Entwicklung geht am Zuschauer vorbei!“


Winterreifen, Autozulassung, Heckenschnitt im Garten: Heute treten gleich mehrere Gesetze und Verordnungen in Kraft. Meine Kollegin Claudia Hamburger gibt Ihnen den Überblick.


In bunter Kleidung reiten sie auf Rentierschlitten durch die Schneelandschaft: Mit diesem Bild wird oft für Ferien bei den Samen geworben. Doch die Realität des indigenen Volkes im Norden Skandinaviens sieht heute anders aus. Meine Kollegin Ana Grujić war vor Ort und hat mit zwei Frauen gesprochen, die auf sehr unterschiedliche Weise für ihre Traditionen kämpfen.


WAS AMÜSIERT MICH?

Wenn ich Ihnen sage, dass es in Deutschland rare Hobbys gibt, verrate ich Ihnen nichts Neues. Aber selbst das Wörtchen “rar“ lässt sich noch steigern, und dann klingt es ungefähr so: “röööööhr!“ Oder, um den Meister aller Klassen zu zitieren: “Die Konkurrenz ist da, und man muss alles geben – sonst wird das nichts!“

Ich wünsche Ihnen einen beherzten Tag. Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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