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Horst Seehofer verzichtet auf Strafanzeige wegen umstrittener "taz"-Kolumne


Nach massiver Kritik
Seehofer verzichtet auf Strafanzeige wegen umstrittener "taz"-Kolumne

Von dpa, job

Aktualisiert am 25.06.2020Lesedauer: 3 Min.
Innenminister Seehofer: War nach eigenen Angaben entsetzt über einen Kommentar in der "taz".Vergrößern des BildesInnenminister Seehofer: War nach eigenen Angaben entsetzt über einen Kommentar in der "taz". (Quelle: Markus Schreiber/ap-bilder)
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Horst Seehofer wird nun doch keine Anzeige gegen eine Autorin der Berliner "taz" wegen ihres polizeikritischen Kommentars erstatten. Für den Innenminister ist die Angelegenheit damit aber noch nicht beendet.

Bundesinnenminister Horst Seehofer wird doch keine Strafanzeige gegen eine "taz"-Journalistin stellen. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag in Berlin mit. Der CSU-Politiker hatte nach der Veröffentlichung einer polizeikritischen Kolumne in der in Berlin erscheinenden Tageszeitung zunächst eine Klage erwogen. Dafür war er massiv kritisiert worden.

Seehofer erklärte, er wolle statt der Anzeige mit der "taz"-Chefredaktion über die umstrittene Kolumne sprechen. "Außerdem werde ich mich an den Deutschen Presserat wenden, der für die Einhaltung ethischer Standards und Verantwortung im Journalismus sowie für die Wahrung des Ansehens der Presse eintritt", kündigte der Minister in einer am Donnerstagmorgen veröffentlichten Mitteilung an.

Seehofer: Straftatbestände erfüllt

Der CSU-Politiker sagte weiter, er sei der Auffassung, "dass mit der Kolumne durch die menschenverachtende Wortwahl auch Straftatbestände erfüllt werden". Dazu lägen bereits Strafanzeigen vor. "Die Delikte sind teilweise bereits durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu prüfen."

Der Minister betonte auch: "Mir geht es bei der von mir angestoßenen Diskussion nicht um Strafverfolgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefreiheit." Er ergänzte: "Mir geht es im Gegenteil darum, dass wir dringend eine gesellschaftliche Diskussion darüber führen müssen, wie wir in dieser Gesellschaft miteinander umgehen und wo die Grenzen einer Auseinandersetzung sind."

Alle öffentlichen Termine abgesagt

Seehofer hatte am Sonntag in der "Bild"-Zeitung angekündigt, die Autorin am Montag wegen einer polizeikritischen Kolumne anzuzeigen, dies dann aber doch nicht getan und weitere Prüfungen angekündigt. Für Dienstag sagte der Minister dann alle öffentlichen Termine ab. Auch am Mittwoch entschied er sich unter Verweis auf einen vollen Terminkalender noch nicht.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach mit Seehofer über das Thema, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag sagte. Auch am Rande der Kabinettssitzung am Mittwoch redete sie mit dem Minister kurz darüber, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer betonte. Grundsätzlich seien sich Merkel und Seehofer beim Stellenwert der Pressefreiheit in einer Demokratie einig.

Die stellvertretende Chefredakteurin der "taz" begrüßte Seehofers Verzicht auf eine Anzeige. "Gut, dass Horst Seehofer nun doch keine Anzeige gegen unsere Autor*in erstattet", schrieb Katrin Gottschalk am Donnerstag auf Twitter. "Für alle anderen, die weiterhin ihr Glück versuchen wollen: Unser Presserechtsteam steht nach wie vor an der Seite von @habibitus." Habibitus ist das Pseudonym der Kolumnistin und ihr Name auf Twitter.

Kolumne attackiert Polizeibeamte scharf

Die polizeikritische Kolumne der Journalistin erschien Anfang vergangener Woche in der linken Tageszeitung "taz". Darin ging es um ein Gedankenspiel, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Zum Schluss hieß es in dem Text: "Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."

Aus der Berufsgruppe der Polizei und von Politikern kam danach heftige Kritik. Es folgten Strafanzeigen gegen die Autorin und Hunderte Beschwerden beim Presserat, der die Selbstkontrolle der Presse ist. "taz"-Chefredakteurin Barbara Junge äußerte ihr Bedauern. Die angekündigte Anzeige wertet sie zugleich als Angriff auf die Pressefreiheit – wie viele andere kritische Stimmen aus der Medienbranche auch. Seehofer löste auch eine heftige Debatte um die Grenzen der Einflussnahme für einen Regierungsvertreter aus.

In seinen Äußerungen in der "Bild" hatte der Minister auch eine Verbindung zwischen dem nach seinen Worten "unsäglichen Artikel" und den Ausschreitungen in Stuttgart am Wochenende hergestellt, wo eine Menschenmenge Polizisten verletzte und Geschäfte verwüstete.

"Es wäre zum Lachen, wenn er nicht der Innenminister wäre"

Vom Koalitionspartner SPD kommt nach Seehofers Rückzieher Unterstützung. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte, die Polizei brauche und bekomme Rückhalt. "Die angedachte Strafanzeige war aber der falsche Weg", sagte er t-online.de. "Das Einlenken von Minister Seehofer kam spät, war aber richtig." Den Polizisten helfe man am besten durch gute Ausstattung und Arbeitsbedingungen und mehr Personal in der Fläche.

Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte Seehofers Handeln hingegen weiter scharf. "Es wäre zum Lachen, wenn er nicht der Innenminister wäre", sagte Kipping t-online.de. Seehofer habe offenbar "die Aufgabe seines Amtes nicht verstanden". Seine Aufgabe sei es, die Pressefreiheit zu schützen und "die rechte Gefahr zu bekämpfen". Kipping urteilte: "Er versagt in beiden Fällen."

Die AfD schreie seit Jahren volksverhetzende Parolen und er wolle sie nicht mal im Verfassungsschutzbericht genannt haben, sagte Kipping. Aber wenn eine Journalistin eine Kolumne schreibe, die man durchaus kritisieren könne, drohe er mit Klage. "Dass er diese Idee nicht umgesetzt hat, ändert nur wenig", sagte Kipping. Wenn ein Innenminister einer relativ kleinen Zeitung mit Klage drohe, habe auch die Drohung schon eine gewisse Wirkung.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa
  • Eigene Recherchen
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