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Nord Stream 2: Korruptionsbekämpfer machen Manuela Schwesig schwere Vorwürfe


Nord Stream 2 und das Geldwäschegesetz
Schwere Vorwürfe gegen Schwesigs Landesregierung

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 16.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: Transparency International sieht bei ihrer Klimastiftung mögliche Verstöße gegen Geldwäschegesetze.Vergrößern des Bildes
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: Transparency International sieht bei ihrer Klimastiftung mögliche Verstöße gegen Geldwäschegesetze. (Quelle: Stefan Zeitz/imago-images-bilder)

Vertrauliche Deals und undurchsichtige Konstruktionen rund um die Gaspipeline Nord Stream 2 setzen SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig unter Druck. Nun schalten sich Korruptionsbekämpfer ein.

Immer tiefere Verstrickungen in die Nord-Stream-2-Lobby drängen Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in die Defensive. Während fast wöchentlich neue Details zu den Kontakten der Staatskanzlei, der Ministerien und der SPD zu den staatlichen russischen Gashändlern auch durch Recherchen von t-online öffentlich werden, mauert die Regierung weiter. Mit drastischen Folgen: Transparency Deutschland wirft der Landesregierung jetzt vor, gegen das Geldwäschegesetz zu verstoßen.

"Missbrauch der Rechtsform Stiftung"

Fast zeitgleich waren am heutigen Mittwoch zwei Termine angesetzt, die in Schwesigs Staatskanzlei für Nervosität sorgen könnten. In Schwerin lud die Landtagsfraktion der Grünen zu einer Pressekonferenz ein, in Berlin nur eine Stunde später Transparency International Deutschland. Dabei gab es nur ein Thema: Schwesigs undurchsichtige Bemühungen, der russischen Gaspipeline mithilfe einer nahezu komplett von Nord Stream 2 finanzierten Landesstiftung für Klimaschutz zur Fertigstellung zu verhelfen.

"Schon das Konstrukt muss als Missbrauch der Rechtsform Stiftung bezeichnet werden", sagte Stephan K. Ohme, Finanzexperte der Anti-Korruptions-Organisation. "Dass diese Stiftung zusätzlich jedoch verschleiert, welchen wirtschaftlich Berechtigten sie de facto dient, ist möglicherweise auch ein Verstoß gegen die deutschen und europäischen Geldwäschevorschriften." Transparency Deutschland habe deswegen das Bundesfinanzministerium und das Bundesinnenministerium eingeschaltet. Es könnten ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein Bußgeld drohen.

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Grund dafür sei ein unvollständiger Eintrag im 2017 verpflichtend eingeführten Transparenzregister: Die Stiftung stehe in einem "klaren Abhängigkeitsverhältnis" von Nord Stream 2 und der Russischen Föderation – deswegen müssten im Register auch Gazprom-Chef Alexej Miller und Russlands Präsident Wladimir Putin als wirtschaftlich Berechtigte geführt werden.

Das gelte insbesondere, da die Energiebranche besonders korruptionsanfällig sei und es sich bei Russland um einen "Geldwäsche-Hochrisikostaat" handele. Die Stiftung nenne im Register allerdings nur die politischen Vertreter des Landes. Damit drohe, "ein Präzedenzfall für unter externem Einfluss stehende Stiftungen" geschaffen zu werden.

Die Nord-Stream-Affäre: Punkt für Punkt

Anfang 2021 hatte die Landesregierung mit 20 Millionen Euro von Nord Stream 2 die sogenannte "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" ins Leben gerufen – per Eilantrag nach kurzer Beratung in einer Sondersitzung des Landtags. Offizieller Nebenzweck der Stiftung: Hilfe zur Fertigstellung der Gaspipeline, um drohende US-Sanktionen zu umgehen. Die Stiftung soll einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb haben, der als Brandmauer beteiligte Unternehmen schützen soll. Weitreichende Klima- oder Umweltschutzaktivitäten hat die finanziell großzügig ausgestattete Stiftung seitdem allerdings nicht auf den Weg gebracht.

Darüber hinaus umgeben das ohnehin schon dubios wirkende Konstrukt in Mecklenburg-Vorpommern weitere Probleme:

  • t-online berichtete exklusiv über vorausgegangene vertrauliche Gespräche zwischen Schwesig und Gerhard Schröder, dem Präsidenten des Nord-Stream-2-Verwaltungsrats. Sie fanden keinen Eingang in Akten. Zu weiteren Treffen mit Nord-Stream-2-Vertretern äußerte sich die Staatskanzlei auf Anfrage von t-online nicht.
  • Zur Planung der Landesstiftung existieren weder in der Staatskanzlei noch in beteiligten Ministerien Dokumente, Protokolle oder irgendeine schriftliche Kommunikation. Selbst die Zusage der Gazprom-Projektgesellschaft, die Stiftung mit Millionen zu unterstützen, wurde laut Informationen von t-online vor der Gründung nicht schriftlich festgehalten.
  • Die Stiftung selbst gibt weder Auskunft über den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, noch über seine von Gazprom bestimmte Geschäftsführung, noch über das Kuratorium. "Das versteht sich von selbst", sagte Stiftungsvorsitzender Erwin Sellering t-online.
  • Bislang hat sich die Landesregierung nicht dazu geäußert, dass die Stiftung zwischenzeitlich Eigentümer eines Schiffes war, das sich direkt an den Pipeline-Arbeiten beteiligte: des sogenannten "Blue Ship".
  • Inwiefern die Landesregierung in die Nutzung eines Kais im Rostocker Hafen für Nord-Stream-2-Dienstleistungen eingeweiht war, ist ebenfalls unklar. Die Rostocker Bürgerschaft, die den Pachtvertrag absegnete, sah sich im Nachhinein getäuscht.
  • Eine undurchsichtige Wasserstoff-Initiative, in die ebenfalls Schwesig und Schröder verwickelt waren, scheint laut Recherchen von t-online eigentlich ein Lobby-Instrument für Nord Stream 2 gewesen zu sein. Das zuständige Wirtschaftsministerium schweigt zu zentralen Fragen. Das dortige Ministerialbüro leitet die Ehefrau des Stiftungsvorsitzenden Sellering.


Um die Umstände und das Ausmaß der Verwicklungen aufzuklären, hat die grüne Opposition im Parlament nun gleich ein ganzes Paket von Kleinen Anfragen an die Landesregierung auf den Weg gebracht, die weit über bereits von der CDU gestellte Anfragen zur Klimastiftung und Wasserstoff-Initiative hinausgehen. In Schwerin stellten der Grünen-Fraktionsvorsitzende Harald Terpe und der energiepolitische Sprecher, Hannes Damm, am Mittwoch die Aufklärungsbemühungen vor.

"Wir können die Augen nicht vor einer Kontinuität wirtschaftlicher Interessen ehemaliger SPD-Amtsträger wie Gerhard Schröder und ihren Kontakten zu heutigen SPD-Amtsträgern verschließen", sagte Terpe. "Meine langjährige Erfahrung in der Politik sagt mir: Wer das Geld gibt, bestimmt über die Zwecke." Es müsse geklärt werden, ob das Stiftungskonstrukt tatsächlich dem öffentlichen Interesse diene oder lediglich privatwirtschaftlichen Interessen.

Vor dem Hintergrund der vertraulichen Gespräche der Ministerpräsidentin mit Gerhard Schröder, die t-online aufdeckte, forderte auch Transparency Deutschland, die verdeckte Einflussnahme Russlands auf deutsche Entscheidungsträger aufzuklären. Schwesig solle sich zu den Inhalten der vermeintlich privaten Treffen erklären. Derzeit weilt die Ministerpräsidentin aufgrund einer geplanten Operation im Krankenhaus. Danach wird sie viele Fragen zu beantworten haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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