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Freedom Day: Ein politischer Erfolg – und ein merkwürdiger Fatalismus


Tagesanbruch
Das neue Corona-Risiko

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 02.04.2022Lesedauer: 3 Min.
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Justizminister Marco Buschmann hat sich gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach durchgesetzt.Vergrößern des Bildes
Justizminister Marco Buschmann hat sich gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach durchgesetzt. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

Deutschland erlebt den Freedom Day. Nach zwei Jahren Ausnahmezustand soll das Land an diesem Wochenende zur Normalität zurückkehren: Die meisten Corona-Regeln fallen weg, nur die vorsichtigen Nordlichter in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sträuben sich noch ein bisschen. Ansonsten herrscht nun von Dresden bis Duisburg und von Paderborn bis Passau weitgehend uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Es kann wieder nach Lust und Laune gefeiert, getanzt und zusammengerückt werden. In Bussen und Bahnen bleibt die Maske noch Pflicht, aber ansonsten ist sie passé. Juchhe!

Und danke FDP! Denn den Liberalen ist das Ende des bundesweiten Corona-Reglements zu verdanken. Genauer: Justizminister Marco Buschmann, der sehr eloquent erklären kann, warum die individuelle Freiheit wichtiger sei als die gesellschaftliche Solidarität. Er hat sich geschickt gegen seinen Koalitionskontrahenten Karl Lauterbach von der SPD durchgesetzt, der zwar medizinisch ein Schwergewicht, aber politisch ein Leichtmatrose ist. Das hat gravierende Folgen, über die Sandra Simonsen, Sebastian Späth und ich in unserem heutigen Podcast sprechen; hören Sie bitte:

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Der Freedom Day ist ein großer politischer Erfolg für die FDP. Und zugleich ein großes Risiko. Denn was die Bundesregierung tut, ist in hohem Maße fahrlässig: Sie stiehlt sich aus der Verantwortung für den Gesundheitsschutz und überlässt die Bekämpfung der Pandemie den Bundesländern. Sollen die sich halt zu Hotspots erklären, wenn sie unbedingt scharfe Regeln haben wollen! Wozu das führt, hat sich in dieser Woche in Thüringen gezeigt: Weil die Landesregierung sich im Parlament nicht durchsetzen konnte, fallen fast alle Corona-Regeln weg. Dabei gilt nahezu das ganze Land als Hotspot, täglich infizieren sich rund 8.000 Menschen mit dem Virus, während die Zahl der Impfungen praktisch stagniert.

Letzteres ist wohl der Grund, weshalb sich in der Bundesregierung ein merkwürdiger Fatalismus breitgemacht hat. Im Berliner Regierungsviertel kann man den Eindruck bekommen: Die Corona-Lage ist den wichtigsten Entscheidern des Landes zunehmend egal. Selbst wenn sich nun nach und nach alle Bürger infizieren – wer geimpft ist, übersteht doch Covid in der Regel ohne größere Schäden. Und wer sich nicht impfen lässt, ist halt selber schuld. Oder wird in ein paar Monaten zum Piks gezwungen, falls es mit der Impfpflicht doch noch klappt. Wir müssen nun mit dem Virus leben, das ist eben die neue Normalität. So lauten die Argumente.

Aber ist es wirklich normal, dass täglich mehr als 300 Covid-Infizierte sterben? Ist es wirklich sinnvoll, nun auch noch die Quarantäne abzuschaffen? Ins Büro, ins Restaurant und ins Fitnessstudio kann man problemlos wieder gehen, gut so. Aber ist es wirklich unzumutbar, im Supermarkt die Maske aufzusetzen, um sich und andere wenigstens noch ein paar Wochen lang zu schützen, bis die aktuelle Welle abgeklungen ist? Sie merken schon: Ich habe Zweifel, und wenn ich die vielen Zuschriften von Leserinnen und Lesern richtig deute, bin ich damit nicht allein.

Mit Glück kann der Freedom Day gutgehen. Das wäre sehr schön. Mit Pech wird er zum Fiasko. Falls die Opferzahlen in den kommenden Wochen steigen, falls so viele Menschen erkranken, dass Kliniken, Polizeistationen, Elektrizitäts- und Wasserwerke nicht mehr arbeiten können, dann sollte sich das ganze Land erinnern, wem sie das zu verdanken hat: Bundesjustizminister Buschmann und seiner FDP.

Ich wünsche uns allen natürlich, dass alles gutgeht. Und ein schönes Wochenende obendrein. Ein bisschen melancholisch muss der heutige Song allerdings schon sein.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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