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Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi: Im Pazifik droht die Eskalation


Das wird kompliziert

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, New York

Aktualisiert am 03.08.2022Lesedauer: 6 Min.
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Ein Bildschirm in Beijing zeigt Schiffe der chinesischen Marine: Das Land reagiert mit Drohungen auf den Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi.Vergrâßern des Bildes
Ein Bildschirm in Beijing zeigt Schiffe der chinesischen Marine: Das Land reagiert mit Drohungen auf den Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi. (Quelle: Tingshu Wang/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

Annalena Baerbock hatte das zeitlich gar nicht bewusst geplant. In einer Transatlantik-Rede vor Studentinnen und Studenten in New York hatte sie gerade noch diesen Satz gesagt: "Wir teilen die amerikanischen Bedenken in Bezug auf ein Land ganz besonders: China". Da landete mitten im Pazifik die amerikanische Sprecherin des ReprΓ€sentantenhauses Nancy Pelosi am Dienstagabend in Taiwan. Timing ist wohl tatsΓ€chlich keine Stadt in China. Zugegeben, ein schlechter Kalauer.

Taipeh hingegen ist eine Stadt in China. Die brisante Frage aber lautet, ob sie bald gewaltsam Teil der "Volksrepublik China" wird oder ob sie die freie Hauptstadt der unabhÀngigen "Republik China", also Taiwans, bleibt. Nach dem Willen der großen Mehrheit der fast 24 Millionen Taiwaner soll die Demokratie mitten im Pazifischen Ozean eigenstÀndig bleiben. Das wollen auch Nancy Pelosi und Annalena Baerbock. Aber wie soll Taiwan im Zweifel geschützt werden? Diese Frage kann der Westen derzeit schwer beantworten.

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China plant fest mit einer Wiedervereinigung der seit Mao als "abtrünnig" angesehenen Provinz. Die kommunistische Führung um den chinesischen PrÀsidenten Xi Jingping will ihr Ziel erklÀrtermaßen zur Not auch mit dem Einsatz von Waffengewalt erreichen.

Mit der Reise von Nancy Pelosi, immerhin die drittmÀchtigste Politikerin der USA nach dem PrÀsidenten und der Vize-PrÀsidentin, nehmen die Amerikaner eine große VerÀrgerung der chinesischen Regierung bewusst in Kauf. Nicht ohne Grund: Zuletzt hatte der CIA-Geheimdienstchef William Burns keinen Zweifel gelassen an den militÀrischen Absichten Chinas in Bezug auf Taiwan. Es komme nicht darauf an, "ob China in ein paar Jahren Soldaten einsetzt, um Taiwan zu kontrollieren, sondern darauf, wie und wann", sagte er.

In der Taiwan-Frage wird in diesen Tagen deutlich, dass es im Fall eines chinesischen Einmarsches in den Inselstaat wohl noch viel mehr brΓ€uchte als eine deutsche "Zeitenwende" wie nach dem Einmarsch Russlands. Noch aber hΓ€lt sich die deutsche Diplomatie rhetorisch ziemlich zurΓΌck. Die Amerikaner hingegen werden seit Monaten immer deutlicher.

Die deutsche Außenministerin sagte in New York: "Chinas Γ„ußerungen zu Taiwan werfen ernsthafte Fragen auf." Man akzeptiere keinen Bruch des VΓΆlkerrechts. Das gelte auch fΓΌr China. Was das konkret heißt, bleibt weiterhin offen. Die deutsche Regierung will die Situation im Pazifik nicht unnΓΆtig mit Drohungen anheizen. Es ist ein schmaler Grat, denn China kΓΆnnte sich durch fehlende Klarheit auch ermutigt fΓΌhlen.

Annalena Baerbock verwies darauf, dass die deutsche Bundesregierung derzeit an ihrer neuen China-Strategie feile. Verâffentlicht werden soll diese dann im kommenden Jahr und soll weit über die Taiwan-Frage hinausgehen. "Es kann nicht in unserem Interesse sein, wenn China übermÀßige wirtschaftliche AbhÀngigkeiten in seiner Region schafft", sagte Baerbock auch in Bezug auf andere Anrainerstaaten.

Nancy Pelosi ließ zeitgleich zu ihrer Landung in Taiwan einen Meinungsbeitrag in der "Washington Post" verΓΆffentlichen, in dem sie ihre Delegationsreise verteidigte: "Indem wir nach Taiwan reisen, ehren wir unsere Verpflichtung fΓΌr die Demokratie: Wir bekrΓ€ftigen damit, dass die Freiheiten Taiwans – und aller Demokratien – respektiert werden mΓΌssen." Man kΓΆnne nicht tatenlos zusehen, wie die Kommunistische Partei Chinas damit fortfahre, Taiwan – und damit die Demokratie selbst – zu bedrohen. "Wir unternehmen diese Reise zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht", so Pelosi.

Der weltweite Kampf der Systeme, die deutsche Regierung drΓΌckt das selten so aus. Es lΓ€sst sich aber immerhin erfahren, dass sie bezΓΌglich China und Taiwan, anders als in Bezug auf Russland und die Ukraine, dieses Mal besser vorbereitet sein will. Man ΓΌberprΓΌft die eigenen wirtschaftlichen AbhΓ€ngigkeiten mit dem sogenannten Reich der Mitte, und man hat zumindest vor, diese so weit wie mΓΆglich zu reduzieren. Einfach ist das alles nicht. Schnell geht es schon gar nicht.

Der Vorsitzende des AuswΓ€rtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Michael Roth (SPD), flankierte die Situation in Taiwan mit einer deutlichen Forderung: "Bei einer Eskalation des Konflikts wΓ€ren so gut wie alle unsere Lieferketten betroffen. Es ist hΓΆchste Zeit, unsere strategischen AbhΓ€ngigkeiten von China schnellstmΓΆglich zu vermindern und unsere Lieferketten zu diversifizieren."

Das wird kompliziert, denn es geht darum, weit in die Zukunft zu denken. Von welchem Land will Deutschland kΓΌnftig etwa grΓΌnen Wasserstoff beziehen? Wie haben Regierungen, mit denen man weiter Handel treiben will, hinsichtlich der Russland-Sanktionen bei den Vereinten Nationen abgestimmt? Wie sieht die Menschenrechtslage in bestimmten LΓ€ndern aus? VertrΓ€ge, die heute geschlossen werden, wirken sich womΓΆglich dann noch aus, wenn es wieder zu spΓ€t ist. Eine so starke AbhΓ€ngigkeit, wie die vom russischen Gas, soll es aber nicht noch einmal geben.

Auf der USA- und Kanadareise der Außenministerin lΓ€sst sich erahnen, wie komplex solche Planungen sind. Baerbock versuchte etwa bei ihrem Vortrag an der New Yorker Hochschule New School zu erklΓ€ren, dass man sogar bei dem umstrittenen Thema der Waffenlieferungen an autoritΓ€re Regime wie etwa Γ„gypten oder Saudi-Arabien jedes Mal Interessen abwΓ€gen mΓΌsse. Am Beispiel Indien erklΓ€rte sie den Studentinnen und Studenten in New York, wie problematisch es sein kΓΆnnte, wenn LΓ€nder ihre Waffen dann stattdessen von anderen LΓ€ndern bezΓΆgen. Im Fall Indiens ist der Lieferant Russland, was dann wiederum einen Einfluss auf deren Abstimmungsverhalten bezΓΌglich der Sanktionen haben dΓΌrfte.

Bezüglich China ist die Lage besonders kompliziert, auch für die Chinesen. Denn es bestehen beidseitig wirtschaftliche AbhÀngigkeiten. Das weiß auch der PrÀsident Xi Jingping. Trotzdem will er nun vier Tage lang seine Macht demonstrieren und lÀsst großangelegte MilitÀrübungen und Raketentests rund um Taiwan durchführen.

Die Welt hΓ€lt den Atem an. Atmen wir trotzdem einmal durch. Und freuen wir uns zunΓ€chst ΓΌber diese Bilder. Wie viel den Taiwanern dieser Nancy-Pelosi-Besuch bedeutet – seit Jahrzehnten war keine so hochrangige US-Politikerin mehr in dem Inselstaat – kΓΆnnen Sie in diesem atemberaubenden Video von ihrer Ankunft sehen. Pelosis Auftritt im taiwanesischen Parlament und das Treffen mit PrΓ€sidentin Tsai Ing-wen am Mittwochmorgen sind in jedem Fall historische Momente, die die Menschen dort nicht so schnell vergessen werden.


Was steht an?

Die Außenministerin Annalena Baerbock ist zu ihrem Antrittsbesuch im kanadischen Montreal gelandet. Mit ihrer Amtskollegin Mélanie Joly versteht sie sich gut, allerdings haben die beiden eine komplizierte Angelegenheit zu besprechen. Es geht um die Gasturbine von Siemens für die Pipeline Nord Stream 1, die Kanada trotz der Russland-Sanktionen jetzt geliefert hat. Die Regierung steht deswegen unter massivem Druck, auch weil in dem Land sehr viele Ukrainer leben.

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Tagesanbruch - Was heute wichtig istWas heute wichtig ist

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Aus diesem Grund hat der Bundeskanzler Olaf Scholz der kanadischen Zeitung "The Globe and Mail" ein ausfΓΌhrliches Interview gegeben, das Sie hier auf Deutsch nachlesen kΓΆnnen. Es geht darum, die diplomatischen Wogen zu glΓ€tten. Heute will sich Scholz nun ein eigenes Bild von dieser Turbine machen. Dazu fΓ€hrt er nach MΓΌlheim an der Ruhr, wo die Turbine lagert, bevor sie endlich nach Russland geliefert werden soll, um damit Putin das Argument fΓΌr den geringen Gasfluss zu nehmen. Bei einem Pressetermin mit dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens Energy, Christian Bruch, will der Kanzler den angeblichen russischen Bluff entlarven.

In den USA werden heute AbtreibungsbefΓΌrworter feiern. Im Bundesstaat Kansas haben die WΓ€hlerinnen und WΓ€hler in einem Referendum deutlich fΓΌr das Recht auf Abtreibung in der Verfassung gestimmt. Kansas ist damit der erste Bundesstaat, der eine solche Abstimmung abhΓ€lt, nachdem das Oberste Gericht das Recht auf Abtreibung Ende Juni gekippt hat.


Was lesen?

Über zwei Jahrzehnte lang hielt sich der Nachfolger Bin Ladens erfolgreich versteckt. Doch dann erhielten amerikanische Geheimdienste einen entscheidenden Hinweis. Meine Kollegin Lisa Becke hat aufgeschrieben, wie die USA den "Terror-Doktor" aufgespürt haben.

WΓ€re Steffen Baumgart kein gebΓΌrtiger Rostocker, kΓΆnnte man meinen, er kΓ€me aus der Hauptstadt. Der Trainer des 1. FC KΓΆln kommuniziert klar, direkt und ehrlich – als hΓ€tte er eine Berliner Schnauze. Auch im Interview mit meinem Kollegen Benjamin ZurmΓΌhl hat Baumgart kritische TΓΆne angeschlagen.

ZΓ€hlen Sie auch schon mit? In zwei Tagen beginnt endlich die neue Bundesligasaison. Als Appetizer gibt es bis Freitag jeden Tag Analysen und exklusive Interviews mit Protagonisten – darunter mit drei deutschen Nationalspielern. Den Anfang macht heute Lukas Klostermann. Der Leipziger strotzt nach dem Pokalsieg vor Selbstvertrauen und formuliert im GesprΓ€ch mit meinem Kollegen Alexander Kohne ein SelbstverstΓ€ndnis, das an den FC Bayern erinnert.


Was amΓΌsiert mich?

Morgen schreibt an dieser Stelle mein Kollege David Schafbuch fΓΌr Sie.

Ihr

Bastian Brauns
Washington-Korrespondent
Twitter @BastianBrauns

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Mit Material von dpa.

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