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Die Rückeroberungen der Ukraine: "Jetzt kommt es auf Deutschland an"


Tagesanbruch
Deutschland muss liefern

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 12.09.2022Lesedauer: 5 Min.
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Ukrainische Soldaten auf einem Truppentransporter: Das Land braucht für seine Verteidigung weiter schweres Gerät.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Soldaten auf einem Truppentransporter: Das Land braucht für seine Verteidigung weiter schweres Gerät. (Quelle: Emilio Morenatti/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

endlich gibt es gute Nachrichten von der Front, endlich kann die Ukraine echte Erfolge feiern: Der Armee des angegriffenen Landes ist in den vergangenen Tagen eine Gegenoffensive gelungen, die Russland im Osten der Ukraine zurückdrängt. 2.000 Quadratkilometer konnte die ukrainische Armee laut Präsident Wolodymyr Selenskyj zurückgewinnen, auch strategisch wichtige Städte gehören dazu. Meldungen, die nicht unabhängig bestätigt werden können, berichten von russischen Soldaten, die geflohen seien und wertvolles Kampfgerät zurückgelassen hätten. Was wiederum auf eine sinkende Moral und nachlassende Kampfbereitschaft der Truppen von Wladimir Putin hindeuten würde.

"In den vergangenen Tagen hat uns die russische Armee ihre beste Seite gezeigt – ihre Rückseite", freute sich Selenskyj. Fotos und Videos zeigen, wie Ukrainer ihre Armee in den befreiten Gebieten dankbar und jubelnd empfangen.

Auch im Berliner Regierungsviertel dürfte die Freude über den Etappensieg der Ukraine groß sein. In der Regierung beugt sich aber wohl schon manch einer sorgenvoll über die Bestandslisten der Bundeswehr und ist vielleicht mehr denn je bereit, eigene Positionen zu hinterfragen.

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Denn der Erfolg der Ukraine wird vor allem auf die westlichen Waffenlieferungen zurückgeführt. Damit wird der Druck auf die Ampelkoalition erneut wachsen, mehr und schwereres Gerät zu liefern. Besonders die SPD, Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht werden so wieder zu Getriebenen.

Zu spüren bekam den Druck am Wochenende bereits Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Sie war in die Ukraine gereist, um Minenfelder zu besichtigen und deutsche Unterstützung zuzusichern. In aller Deutlichkeit pochte ihr Amtskollege Dmytro Kuleba angesichts der jüngsten Erfolge allerdings auf den seit Langem unerfüllten Wunsch der ukrainischen Armee: die Lieferung von Kampfpanzern.

Kampfpanzer, betonte Kuleba, seien gerade jetzt, in der Phase der Rückeroberung, entscheidend. "Jeden Tag, an dem jemand in Berlin überlegt, sich beraten lässt, sterben hier Menschen, weil der Panzer nicht geliefert ist." Dennoch habe er im Ministerium von Christine Lambrecht "die schwierigsten Gespräche" zu dem Thema führen müssen. Es war eine öffentliche Anklage gegen Lambrecht – und über Bande auch gegen Scholz.

Denn natürlich weiß Kuleba, dass Baerbock und die Grünen ebenso wie die FDP nicht die größten Blockierer der Lieferungen von schwerstem Gerät an die Ukraine sind. Vor allem Lambrecht und Scholz sind die Bremser, die wahlweise vor "Alleingängen", einer Eskalation durch Moskau oder einer Gefahr für die eigene Verteidigungsfähigkeit warnen.

Dabei schätzen Experten die Gefahr einer Ausweitung des Krieges oder gar eines Nuklearschlags als Antwort aus Russland inzwischen als eher gering ein. "Biber"-Brückenlegepanzer, Bergepanzer und "Gepard"-Flugabwehrpanzer liefert Deutschland schließlich bereits an die Ukraine. Kampfpanzer könnten nun nach Einschätzung auch von deutschen Experten aber den Unterschied machen: Es brauche gerade jetzt, da Landgewinne möglich sind, mehr Mobilität, mehr Feuerkraft und mehr Schutz für ukrainische Soldaten.

Das Gas hat Putin uns und vielen anderen EU-Ländern schon längst gekappt. Die schlimmste Befürchtung ist aus deutscher Sicht damit bereits wahr geworden. Das macht eine stabile Energieversorgung in Deutschland nicht leichter – aber es verschafft auch die Freiheit und den Mut, nun klare Entscheidungen zu treffen.

Die Forderung der Ukraine nach schwerem Gerät darf sich allerdings nicht an Deutschland allein richten. Auf die Lieferung moderner Kampfpanzer hat bislang nicht nur die Bundesregierung verzichtet. Der gesamte Westen, auch die USA, Großbritannien und Frankreich, halten sich zurück.

Spanien startete vor Monaten zwar den ersten Anlauf, der Ukraine Dutzende "Leopard"-Panzer zur Verfügung zu stellen. Die aber sind seit 14 Jahren ausrangiert und waren wohl so marode, dass sie im Kampfeinsatz keine Hilfe gewesen, sondern eher zur Gefahr geworden wären.

Nun, da es viele Anzeichen dafür gibt, dass die Ukraine ein Momentum hat, muss der Westen endlich Schluss machen mit Zögern, Zaudern und Pseudo-Angeboten, mit denen er nur veraltetes Material entsorgen will. Die Ukraine braucht jetzt wirklich alle Unterstützung. Um ihr tatkräftiger denn je zu helfen und das Risiko fair zu verteilen, braucht es dafür nicht nur eine mutige Regierung, sondern eine Allianz der Willigen.

Es sollte Deutschlands Aufgabe sein, diese zu formen. So könnte Kanzler Scholz wichtiges Vertrauen und verlorenes Ansehen wiedergewinnen – in der Ukraine, in ganz Osteuropa und nicht zuletzt im eigenen Land.


Was heute wichtig ist:

Kampfpanzer-Diskussion auf offener Bühne: Bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zur deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden ab 10 Uhr Befürworter und Kritiker aufeinanderprallen. SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht diskutiert dann unter anderem mit der Verteidigungsexpertin Claudia Major. Lambrecht will davor außerdem eine Grundsatzrede halten.

Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt in Berlin den israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid. Gegen 12 Uhr wollen die beiden vor die Presse treten, danach steht ein Besuch im Haus der Wannsee-Konferenz an, wo die Nationalsozialisten 1942 die systematische Judenvernichtung organisierten. Gespannt sein darf man, ob zu dieser Gelegenheit noch einmal Scholz' Fehler Mitte August thematisiert wird, als er Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Kanzleramt Holocaust-Relativierung durchgehen ließ.

Schweden hat am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Erste Ergebnisse gab es schon in der Nacht. Bislang wird das Land von einer Minderheitsregierung um die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson geführt. Ihrem Lager wurde zunächst ein knapper Vorsprung prognostiziert, dann kippte das Ganze zugunsten der Konservativen.


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Annika Leister
Politische Reporterin
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