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Erste alt-katholische Bischöfin weltweit: Maria Kubin aus Österreich


Maria Kubin
Die erste alt-katholische Bischöfin der Welt

InterviewVon Tobias Eßer

Aktualisiert am 13.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Die alt-katholische Bischöfin Maria Kubin: Die 58-Jährige will, dass die Kirche zentrale Fragen des Glaubens neu stellt.Vergrößern des Bildes
Die alt-katholische Bischöfin Maria Kubin: Die 58-Jährige will, dass die Kirche zentrale Fragen des Glaubens neu stellt. (Quelle: Alt-katholische Kirche Österreich)

Maria Kubin ist Bischöfin der alt-katholischen Kirche in Österreich. Moment. Bischöfin? Alt-katholisch? Im Interview erklärt Kubin ihre neue Rolle und was sie sich für Frauen in der Kirche wünscht.

Die alt-katholische Kirche macht so einiges anders. 1870 spaltete sie sich von der römisch-katholischen Kirche ab, nachdem beim Ersten Vatikanischen Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Moralfragen beschlossen worden war. Diejenigen Christen, die das neue Dogma ablehnten, wurden aus der Kirche ausgeschlossen – und nannten sich fortan in Anlehnung an die Alte Kirche, also die ersten christlichen Kirchengemeinden, alt-katholisch. Damit wollten sie ihre Abgrenzung zur "neuen" römisch-katholischen Kirche zeigen.

Mittlerweile hat die Kirche etwa 70.000 Mitglieder in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, Polen und den Niederlanden. Die Alt-Katholiken brechen mit vielen Traditionen der römisch-katholischen Kirchen. So gibt es in der alt-katholischen Kirche etwa kein Zölibat – und seit rund 20 Jahren können sich auch Frauen zu Priesterinnen weihen lassen.

Im Juni folgte die nächste Revolution: Österreich bekam die erste alt-katholische Bischöfin. Maria Kubin steht künftig etwa 8.000 Alt-Katholiken in Österreich vor. Wie die Reaktionen auf ihre Wahl zur Bischöfin ausfielen und was Kubin in ihrer Amtszeit erreichen will, hat sie im Interview mit t-online erzählt.

t-online: Frau Bischöfin Kubin, für viele Menschen mag eine Frau in einem Weihberuf untypisch sein. Wie reagieren Menschen, wenn Sie ihnen von Ihrer Arbeit erzählen?

Maria Kubin: Die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind sehr positiv von meinem Beruf angetan. Sie empfinden es als Signal, dass sich in der Kirche endlich mal was tut.

Welches Signal hat Ihre Wahl gesendet?

Ich glaube, es geht da viel um das Gefühl, dass Frauen innerhalb der alt-katholischen Kirche nach vorne kommen können. Es wäre gut, wenn das nicht nur bei uns, sondern auch in der römisch-katholischen Kirche passieren könnte. Frauen wollen in der Kirche nicht nur in der Bank sitzen oder die Blumen gießen. Sie wollen gestalten. Aus diesem Grund habe ich viel positive Rückmeldungen auf meine Wahl bekommen.

Maria Kubin wurde 1966 in Wien geboren. In ihrer Gemeinde bekleidete sie nahezu jedes Amt, das es dort gibt: Sie wirkte als Lektorin, Kommunionspenderin, Kantorin, in der Sakramentenvorbereitung, hielt Meditationskurse und Exerzitien. 2008 konvertierte sie zur alt-katholischen Kirche. In Graz studierte sie Theologie und schloss das Studium als Magister ab. Anschließend studierte sie alt-katholische und ökumenische Theologie an der Universität Bonn. 2017 wurde sie zur Diakonin, 2019 zur Priesterin geweiht. Am 23. Juni 2023 erfolgte schließlich die Weihe zur Bischöfin von Österreich in Wien. In ihrem neuen Amt steht sie den etwa 8.600 Alt-Katholiken in Österreich vor.

Gab es auch negative Reaktionen?

Persönlich nicht. Allerdings gab es natürlich Kommentare auf Facebook, aber das wundert mich nicht. Da fühlen sich insbesondere Konservative angegriffen, weil sie das Gefühl haben, dass durch die Wahl einer Frau zur Bischöfin etwas Heiliges ins Wanken gerät. Diese Abwehrhaltung finde ich nachvollziehbar. Ich hoffe aber, dass auch diese Menschen im Laufe der Zeit begreifen können, dass durch diese Wahl nichts Heiliges beschädigt wird.

Sie sind in der römisch-katholischen Kirche aufgewachsen und dann später zu den Alt-Katholiken gewechselt. Hatten Sie dort das Gefühl, es als Frau schwerer zu haben als Ihre männlichen Kollegen?

Das kann ich nicht genau sagen, ich weiß ja nicht, wie es den Männern geht. Ich habe meinen Weg in der Kirche nie als besonders schwer empfunden. Allerdings hatte ich in manchen Situationen das Gefühl, nicht zu den anderen Priestern dazuzugehören. Das liegt auch an meiner Biografie. Ich bin ja erst seit vier Jahren Priesterin. Viele alt-katholische Priester sind auch aus der römisch-katholischen Kirche konvertiert und waren dort schon Priester oder zumindest Priesteramtsanwärter oder in einem Kloster. Diese Erfahrungen fehlen mir.

Was hat Sie denn 2008 dazu bewogen, in die alt-katholische Kirche einzutreten?

Ich war auf der Suche, weil ich mich innerlich von der römisch-katholischen Kirche distanziert hatte – und auch von deren Kirchenverfassung und Hierarchie.

Im Vergleich dazu hat mir die alt-katholische Kirche einfach besser gefallen. Das Gemeinsame, das Auf-Augenhöhe-Sein ist etwas, was mich angesprochen hat und bis heute anspricht. Dazu kommen die alt-katholischen Werte: Offenheit, die Gleichberechtigung auf allen Ebenen.

Innerhalb der Utrechter Union, also der Gemeinschaft aller alt-katholischen Kirchen in Europa, sind Sie die erste Bischöfin. Deshalb gab es einen gewissen Medienrummel um Sie. Wie finden Sie das?

Zum Glück habe ich kein Problem damit, auch mal im Rampenlicht zu stehen. Aber das Interesse der Medien zeigt, dass eine Frau auf meiner Position einfach mal notwendig war und wie dringend man darauf gewartet hat, dass das endlich mal passiert. Ich persönlich finde es schön, dass es so viel positive Rückmeldung auf und viel Aufmerksamkeit für meine Wahl gibt. Und auch für unsere Kirche ist es gut, weil sie dadurch etwas bekannter wird.

Empfinden Sie Ihre Rolle als Bischöfin als Chance, sowohl für die Kirche als auch für alt-katholische Frauen?

Meine Rolle sehe ich natürlich als Vorbild für Frauen, ihrer Berufung zum Weiheamt zu trauen. Ich habe mich schon lange berufen gefühlt, und in der römisch-katholischen Kirche gab es einfach keine Möglichkeit, mich dahingehend weiterzuentwickeln. Ich habe dort eh alle Ämter ausgeübt, die man als Frau in der römisch-katholischen Kirche ausüben kann. Aber das war noch nicht das Richtige, noch nicht meine Berufung.

Frauen im Priesteramt sind in der alt-katholischen Kirche keine Seltenheit. Trotzdem gelten Priesterinnen immer noch als etwas Besonderes. Warum ist das so?

Die Frauenordination gibt es in der Utrechter Union erst seit etwas mehr als 20 Jahren. Und sicherlich fühlen sich auch viele Theologinnen berufen, ein Weiheamt auszuüben – denen es bis jetzt aber noch an den Chancen oder am Mut gefehlt hat. Und dann ist es halt so, dass man sich als Frau trauen muss, bei den "großen Buben" mitzuspielen, also sich in der männlich dominierten Welt einen Platz zu erobern. Das gilt allerdings nicht nur für die Kirche, sondern für alle Lebenslagen. Ich möchte mit meinem Beispiel weitere Frauen dazu ermutigen, ihren Weg in der Kirche zu gehen, sodass meine Nachfolgerin auch wieder eine Frau wird – oder zumindest eine Frau bei der nächsten Wahl als Kandidatin antritt.

Übernimmt die alt-katholische Kirche mit ihrem Frauenbild eine Vorbildrolle für andere Konfessionen?

Natürlich haben wir es als kleine Kirche viel einfacher damit, einfach mal Dinge auszuprobieren. In diesem Sinne kann man die römisch-katholische Kirche mit einem großen Kreuzfahrtschiff vergleichen, wo man jede Bewegung genau planen muss und das teilweise sehr schwerfällig ist. Die alt-katholische Kirche ist dagegen eher ein kleines Motorboot, das sich schnell nach links und rechts bewegen kann und eventuelle Fehler schnell ausgleicht.

Um die Frauenordination oder um Sachen wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gab es ja auch hitzige Diskussionen in unserer anglikanischen Partnerkirche, die ähnlich wie die römisch-katholische Kirche weltumspannend ist. Die römisch-katholische Kirche neigt eher dazu, Neues zu verbieten. Die Anglikaner probieren neue Dinge eher aus. Und wir als Alt-Katholiken können eben schneller zurückrudern als die großen Kirchen. Also haben wir schon eine Vorbildfunktion.

Glauben Sie, dass sich die Kirche ständig neu erfinden muss, um in einer zunehmend säkularen Gesellschaft relevant zu bleiben?

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Gott sei Dank muss sich die Kirche nicht neu erfinden. Aber sie muss lernen, Fragen neu zu stellen und auf alte Fragen neue Antworten zu finden. Die Kirchen sind ja Institutionen, die letztendlich versuchen, ihre Interpretation von Gottes Auftrag zu leben. Deshalb müssen wir die Kirche an sich nicht neu erfinden – aber sicherlich die Art und Weise, wie wir auf aktuelle Situationen reagieren.

Danke für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Bischöfin Maria Kubin
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