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Corona-Held Christian Drosten: Wie der Hype um den Virologen entstand


Corona-Held und Hassfigur
Wie der Hype um Virologe Christian Drosten entstand


Aktualisiert am 29.05.2020Lesedauer: 4 Min.
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Christian Drosten bei einer Pressekonferenz in Berlin: Viel gefragter Experte für neu auftretende Infektionskrankheiten.Vergrößern des Bildes
Christian Drosten bei einer Pressekonferenz in Berlin: Viel gefragter Experte für neu auftretende Infektionskrankheiten. (Quelle: Reiner Zensen/imago-images-bilder)

In diesen Tagen ist Christian Drosten der wohl meistdiskutierte Mann Deutschlands, nachdem die "Bild"-Zeitung Kritik an dem Virologen übte. Doch wie entstand eigentlich der Rummel um ihn?

Wer bis Anfang dieser Woche noch nicht wusste, wer Christian Drosten ist, dem dürfte spätestens jetzt sein Name ein Begriff sein. Da nämlich nahm der Wirbel um den Chef-Virologen der Berliner Charité Thunbergsche Ausmaße an. Dafür gesorgt hatte die "Bild"-Zeitung, die in einer Titelstory zum Frontalangriff auf den 48-Jährigen blies. Drosten allerdings gab nicht klein bei, sondern bot dem Boulevard-Blatt die Stirn. Forscherkollegen solidarisierten sich mit ihm. Journalisten berichteten umfangreich. Das Netz stand Kopf.

Für jene allerdings, die die Gefährlichkeit des Coronavirus leugnen und eine große Verschwörung wittern, war die Berichterstattung Wasser auf die Mühlen. Der Virologe erhielt Drohungen. Mit der Post bekam er nach eigenen Angaben einen Brief, in dem ein verschlossenes Plastikröllchen und eine Botschaft an ihn waren. Die Polarisierung um seine Person hatte endgültig ein erschreckendes Niveau erreicht. Einen solchen Hass hatte zuletzt in Deutschland allenfalls die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg auf sich gezogen.


Ob Drosten geahnt hat, was ihm blüht, als er zu Beginn des Jahres wegen eines neuartigen Virus aus China zum gefragten Mann wurde? Auf einmal wollte das ganze Land wissen, was der renommierte Spezialist für neu auftretende Infektionskrankheiten zu sagen hatte. Und Drosten gab Auskunft. "Ich erkläre gern, womit ich mich auskenne", sagte der Virologe im Interview mit der "Zeit" zu Beginn des Frühjahrs. "Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen für alle transparent kommuniziert werden, damit sich jeder ein Bild von der Situation machen kann."

Gleichwohl hatte er es auf einen solchen Rummel nach eigener Aussage nicht angelegt. In diese Rolle sei er einfach so hineingeraten, sagte er der "Zeit". Schon damals räumte er ein, dass ihm die Aufmerksamkeit von Politik und Medien langsam zu viel werde.

Renommierter Experte für Coronaviren

In der Zeit vor Corona war das anders. Christian Drosten war bis dato allenfalls wenigen Menschen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs ein Begriff. Dabei hatte er sich dort schon in jungen Jahren außergewöhnliche Verdienste erworben. Er war 2003, damals am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg, einer der Mit-Entdecker des Sars-Coronavirus – eines engen Verwandten des aktuell pandemischen Erregers Sars-CoV-2. Auch ein schnelles diagnostisches Testsystem dafür entwickelte Drosten mit. Für diese Leistungen gab es 2005 – im Alter von 32 Jahren – das Bundesverdienstkreuz.

Unter Drostens Leitung entstanden später laut Charité auch Tests für Zika und Mers. Im Januar 2020 legte seine Arbeitsgruppe dann den ersten Test für das neuartige Coronavirus vor. Seine außergewöhnliche Expertise auf dem Gebiet der Coronaviren machte ihn fast schon logisch zum Ansprechpartner Nummer eins in Deutschland. Drosten wurde zu einem wichtigen Berater der Bundesregierung. Gesundheitsminister Jens Spahn teilte mehrmals mit ihm das Podium der Bundespressekonferenz.

Dazu kam, dass sich Drosten außerordentlich gut in der Öffentlichkeit ausdrücken kann. Er weiß seine komplexe Thematik für jedermann verständlich zu vermitteln und erscheint weniger verkopft als andere Wissenschaftler. Das fiel auch dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) auf, der den Virologen im Februar für den Podcast "Coronavirus-Update" gewinnen konnte. Drosten geht dort mehrmals in der Woche geduldig auf neueste Entwicklungen und Fragen aus dem Alltag ein, erklärt laienverständlich und unaufgeregt, aber er beschönigt auch nichts.

Das Format, das inzwischen 43 Folgen hat, ist für den NDR ein wahrer Glücksfall. Nach Angaben des Senders wurde der Podcast schon über 43 Millionen mal heruntergeladen oder abgespielt.

Sein Zweifeln brachte ihm Vorwürfe ein

Es kommt vor, dass Drosten auch mal frühere Aussagen korrigiert, wie er es bei der Frage der Schließung der Schulen und Kitas tat, die er zunächst ablehnte, dann aber befürwortete. Das brachte ihm den Vorwurf ein, er würde nicht zu seinen Aussagen stehen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet etwa kritisierte in der ARD-Sendung "Anne Will", Virologen würden alle paar Tage ihre Meinung ändern, was Laschet als Populismus angekreidet wurde. Denn Drostens Verteidiger bemerkten, es sei das Wesen des wissenschaftlichen Diskurses, Forschungsergebnisse zu hinterfragen und neuen Erkenntnissen anzupassen.

Nicht selten findet der Virologe bei seinen öffentlichen Äußerungen auch kritische Worte und tut sich als Mahner hervor. So warnte er wiederholt vor zu schnellen Lockerungen, da Deutschland sonst Gefahr laufe, seinen mühsam erkämpften Vorsprung bei der Corona-Eindämmung aufs Spiel zu setzen. Jüngst erst kritisierte er das Vorpreschen von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, der sich für mehr Eigenverantwortung statt staatlicher Vorgaben in der Pandemie ausgesprochen hatte.

Der Böse, der die Wirtschaft zerstört

Solche Meinungen sind unbequem, denn sie verlangen von den Menschen Opfer. Drosten stellt sich damit auch gegen jene, die eine schnelle Rückkehr zur Normalität fordern, wie etwa Laschet. Oft muss er dafür Kritik einstecken. Manchmal aber schlägt ihm der pure Hass entgegen. Ende April machte er öffentlich, dass er Todesdrohungen erhält – weil er für viele Deutsche der Böse sei, der die Wirtschaft zerstöre, wie er meint.

Anderen, die wie er denken, ergeht es ähnlich: Der SPD-Politiker und Epidemiologe Karl Lauterbach vertritt in der Lockerungs-Debatte einen vergleichbaren Standpunkt wie Drosten. Er bekommt ebenfalls Morddrohungen, wie er t-online.de am Dienstag sagte.

Es scheint, als wäre Drosten derzeit gar nicht so weit von Greta Thunberg entfernt. Ihr Appell, dem Klimaschutz alles unterzuordnen, hat polarisiert und ihr viele Feinde eingebracht. Auch sie hat eine Botschaft, die für die Menschen unbequem ist, weil sie zu Verzicht im Alltag auffordert. Christian Drosten darf in der Corona-Debatte gleichsam eine große Mehrheit der Bundesbürger hinter sich wissen. In einer Umfrage der Initiative "Wissenschaft im Dialog" gaben im April drei von vier Befragten an, dass sie Wissenschaft und Forschung vertrauen. Vor einem Jahr war es noch etwa die Hälfte.

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