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"Dein Beichtstuhl": Internetseite lockt Schüler zu Bezahl-Pornos


"Dein Beichtstuhl"
Internetseite lockt Schüler zu Bezahl-Pornos

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 19.07.2018Lesedauer: 5 Min.
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Kurzer Weg: Vom bei Schülern beliebten "Beichtstuhl" mit frivolen und manchmal lustigen Geständnissen zu Porno-Angeboten für Geld. (Symbolfoto)Vergrößern des Bildes
Kurzer Weg: Vom bei Schülern beliebten "Beichtstuhl" mit frivolen und manchmal lustigen Geständnissen zu Porno-Angeboten für Geld. (Symbolfoto) (Quelle: imago-images-bilder)

Ein bei Schülern beliebtes Portal bewirbt kostenpflichtige Pornoangebote ohne Altersprüfung – und verbreitet selbst freizügige Bilder minderjähriger Nutzer. Der "Beichtstuhl"-Betreiber will nun selbst Vergebung.

Ein Portal mit pubertär-schlüpfrigem Humor hat seine Millionenreichweite genutzt, um auch minderjährige Nutzer zu Bezahlangeboten von Pornodarstellern zu locken. Dazu sollen Nutzer freizügiges Material einsenden.

In einem mehrstufigen System werden die Nutzer von Instagram und Facebook in weniger öffentliche Netzwerke geführt. Überall dort hat "Dein Beichtstuhl" Accounts.

2,4 Millionen Instagram-Abonnenten

Mit 2,4 Millionen Abonnenten hat es nach einigen Prominenten einen der größten deutschen Accounts auf Instagram. Im Stundentakt gibt es dort eingeschickte oder erfundende oder eingeschickte erfundene Geständnisse oftmals peinlicher Situationen junger Leute. Der Stil ist immer der Gleiche: "Ich, (Geschlecht/Alter), gestehe, ..." Manche Geständnisse sind von 13-Jährigen.

Die Einblicke in Sex-Protzerei und -Peinlichkeiten, Beziehungsstress und Alltagsprobleme finden sich auch auf Facebook: Eine Million Fans sind es dort. Experten schätzen, dass diese, über Jahre aufgebauten Accounts, mit ihrer Reichweite mehrere Hunderttausend Euro wert sind.

"Die Lochis" rührten Werbetrommel

Schon zum Start hatte die Seite kräftige Anschubhilfe: Die Youtube-Stars "Die Lochis", die damals 16-jährigen Zwillinge Heiko und Roman Lochmann, hatten zum Auftakt am 27. Juni 2015 geworben. "Wer gerne Beichten liest, ist hier richtig", empfahlen sie ihren Fans.

Das Lochi-Management hat nicht beantwortet, ob die Lochis immer noch in Verbindung stehen mit dem Betreiber und wie sie zu dem üblen Stil heute stehen. Dort geht es inzwischen längst um mehr als um anonyme Beichten und es wird nicht mehr nur Werbung für einen angeschlossenen Klamottenshop gemacht. Wer Pornos will, bekommt hier Anbieter auf dem Silbertablett präsentiert.

Für Wettbewerbe freizügige Fotos gefordert

Die Vorstufe war, dass die Seite Wettbewerbe unter ihren Nutzern initiiert hat. Sie wurden herausgefordert, Fotos von sich einzuschicken und je nach Motto etwas von sich zu zeigen. "Titten-Challenge", "Penis-Challenge", "Sex-Challenge". Wer mitmachen wollte, schickte sein Material an den "Administrator". Der lädt also nicht mehr nur Beichten hoch, sondern auch freizügige Fotos.

Der Betreiber treibt zwar heute beinahe einen Kult um seine Anonymität, hat aber in der Vergangenheit genug Spuren hinterlassen. Er las in Videos Beiträge vor, das Impressum einer nicht mehr bestehenden Seite führte zu ihm in den Raum Bonn. Er hat auch Geschäftspartner, die seine Identität kennen.

Was er für die "Wettbewerbe" zugeschickt bekommen hat, hätte auf Facebook oder Instagram wegen der rigiden Regeln meist sofort Probleme bereitet. Deshalb kommen andere Netzwerke ins Spiel: Um die Bilder und Videos sehen zu können, wurden die Nutzer zu Snapchat, Twitter oder Telegram geschickt – Netzwerke mit weniger Kontrolle, weniger Öffentlichkeit, weniger Eltern.

Dort hat der Beichtstuhl andere Namen, aber auch eindrucksvolle Nutzerzahlen. Telegram ist eine in Deutschland eigentlich wenig bekannte Alternative zu WhatsApp. Der Beichtstuhl-Hauptaccount hat dort aber 360.000 Abonnenten. Daraus entstanden sind weitere, die "Melonen", "Pfirsiche" oder schlicht "Challenge" versprechen und jeweils auch mehr als 200.000 Abonnenten haben.

Verweise von einem Kanal auf den anderen

Ankündigungen für die Challenges finden sich aber auch in den Netzwerken, in denen explizite Fotos kaum Chancen haben. So "gestand" der Administrator selbst in einem Posting auf Instagram, "dass ich gerade ein Snap bekommen habe von einer 15-Jährigen, die voller Spermaflecken war und dazu geschrieben hat: So muss das aussehen, wenn geblasen hat. [Fehler im Original] Beweisbild gibt es auf Snapchat [Kanalname] Sperma muss auf Insta & Fb ja nicht sein."

Dem Administrator nahm also zumindest in Kauf, dass er Fotos von Jugendlichen verbreitet. Dazu nutzte er auch Twitter. Die Ankündigung, dort ein besonderes Video um 22 Uhr zu zeigen, bescherte ihm über Stunden sekündlich neue Follower.

Dieses Video löschte er kurz danach wieder, alle expliziten Bilder und Videos in allen Accounts sind verschwunden. Es lassen sich aber noch viele lüsterne, aber auch irritierte und empörte Reaktionen lesen. So hat er offenbar auch den Sex eines offenbar minderjährigen Paares verbreitet. Das Gesetz kennt auch den Straftatbestand des Verbreitens und des Besitzes jugendpornografischen Materials, wenn also die Personen auf Bildern und im Video zwar 14, aber noch nicht 18 sind.

Im Januar 2017 hat deshalb auch ein Jugendlicher die örtlich zuständige Polizei kontaktiert. Der zuständige Kriminalbeamte prüfte, recherchierte auch Daten im Netz. Er schrieb eine ausführliche, freundliche Antwort – mit einem Ausgang, der für den Jugendlichen enttäuschend war.

jugendschutz.net erwirkte 2016 Löschungen

Die problematischen Bilder waren schon nicht mehr zu sehen, als der Polizist dem Hinweis nachging. Und vieles sei zwar strafbar, "aber es ist so, dass wir von Deutschland aus nicht das Internet kontrollieren und säubern können", heißt es in der Antwort. "Wir können tätig werden, wenn DE-Domains betroffen sind, alles andere geht uns nichts an." Das war allerdings verkürzt, die großen Netzwerke kooperieren bei entsprechendem Material auch mit deutschen Behörden, Polizeidienststellen international auch.

Und jugendschutz.net, gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet, hat im September 2016 bei Snapchat bereits bei einer laufenden "Titten-Challenge" die Löschung diverser Accounts erreicht. Das Foto der Erstplatzierten hatte zu dem Zeitpunkt 20.000 Stimmen. "Die vollständige Anonymität der Teilnehmer ist auch nicht immer gegeben", warnt jugendschutz.net.

Die Fachleute sprechen von einer zusätzlichen "perfiden Werbestrategie": Wer exklusive Bilder der Erstplatzierten haben wollte, musste auch noch eine vom Beichtstuhl-Macher verantwortete Spiele-App herunterladen. Sie schoss in Download-Ranglisten nach oben.

Betreiber meldet sich offenbar bei YouTuber

"DeinBeichtstuhl" machte auch nach dem Eingriff von jugendschutz.net weiter, und bald auch noch mit einer neuen Masche. Angeblich war das ein Fehler, es tue ihm leid, so soll der Betreiber in eigener Sache beichten. Auf Anfragen von t-online.de hat er sich nicht gemeldet.

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Der befreundete Youtuber "Mois" hat aber ein Video hochgeladen, in dem eine technisch verfremdete Stimme zu hören ist. Wie er finanziell profitiert hat, erklärt er nicht. Es tue ihm aber leid, er werde das nicht mehr tun. "Es war ein verdammt scheiß-dummer Gedanke und ein Fehler, den ich da gemacht habe."

Dieser "Fehler" waren die Damen, die plötzlich als besonders freizügige Stammgäste unter den Teilnehmern der Wettbewerbe zu finden waren. Wer von den sexualisierten Inhalten stimuliert war, fand mehr bei diesen Frauen. Der "Beichtstuhl" nannte und verlinkte sie ja ausdrücklich, warb für ihre Profile.

Mit einem Probekauf haben die beiden Youtuber Jonas und David in ihrem YouTube-Kanal Simplicissmus nachvollzogen, wie das Porno-Material bei Käufern landet. Ihr Video mit den Recherchen haben sie offline genommen: Ihnen war mit rechtlichen Schritten gedroht worden – von einer Merchandising-Firma, behauptet der Beichtstuhl-Betreiber mit seiner verzerrten Stimme im Gastauftritt bei "Mois". Nach der Sperrung berichteten zahlreiche Youtuber über den Fall.

Für 30 Euro Video, für 50 auch Handy-Nummer

Die Simplicissimus-Recherchen zeigten in dem von Beichtstuhl beworbenen Telegram-Aufritt einer "Julia Sinas" deren Angebot: Für 30 Euro gibt es Fotos und Videos, für 50 Euro auch noch die Telefonnummer. Julia schließt nichts aus. Sie war von einer "Dido" als ihre Nachfolgerin vorgestellt worden, davor gab es eine Lisa Schwarz und eine Mikalya. Von der finden sich noch Tweets und ihr Preis.

"Julia Silas" wollte mit Gutschein-Codes entlohnt werden, die zum Einkaufen bei Amazon genutzt werden. Geldfluss lässt sich später kaum nachvollziehen, und so kann auch bezahlen, wer keine Überweisung tätigen will oder kann. Die Codes können in jedem Supermarkt gekauft werden.

Für die Simplicissimus-Recherche haben die Youtuber das getan und wie gefordert die Codes in eine Mail geschrieben. Tags darauf erhielten sie und neun andere offen angegebene Empfänger eine Mail mit dem Verweis auf ein inzwischen gelöschtes Instagram-Profil. Dort stand ein Link zum Download.

Ohne eine Altersabfrage irgendwo lagen dann neun Videos von "Julia" bereit, die sich mal mit einer Banane, mal mit einem Vibrator beschäftigt. Für Jugendschutz.net sind diese Informationen ein Anlass, sich das Vorgehen von DeinBeichtstuhl noch einmal anzuschauen. In der kommenden Woche wollen die Fachleute eine Einschätzung abgeben.

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