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Gewalt gegen Lehrer: "Auseinandersetzungen werden härter"


Geplanter Hammer-Mord an Lehrer
"Die Auseinandersetzungen werden härter"

Von Dietmar Seher

28.01.2020Lesedauer: 3 Min.
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Tatort auf einem Schulgelände in Dortmund: Hier sollte wohl ein Mordanschlag verübt werden – nimmt Gewalt gegen Lehrkräfte zu?Vergrößern des Bildes
Tatort auf einem Schulgelände in Dortmund: Hier sollte wohl ein Mordanschlag verübt werden – nimmt Gewalt gegen Lehrkräfte zu? (Quelle: Bernd Thissen/dpa-bilder)

Drei Schülern wird versuchter Mord vorgeworfen: Wollten sie ihren Chemielehrer mit einem Hammer erschlagen? Polizeizahlen und Umfragen deuten darauf hin, dass Gewalt gegen Lehrkräfte zunimmt.

Der Chemielehrer Christian Wittchow ist mutmaßlich einem Mord entgangen. Der Mann, der an der Martin-Luther-King-Gesamtschule im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld unterrichtet, sollte zu einem Notfall kommen. Jemand habe in einer uneinsehbaren Ecke des Schulgeländes einen Schwächeanfall erlitten. Ein Gefühl hielt Wittchow jedoch ab, dem Ruf einiger Schüler in diese Ecke zu folgen.

Prozessbeginn wirft Fragen auf

Er holte stattdessen sofort den Krankenwagen – der vermeintliche Notruf entpuppte sich als Falle. Drei Schüler sollen nach Überzeugung der Ermittler geplant haben, den Lehrer mit einem Hammer zu töten. Der Grund: Der mutmaßliche Haupttäter S. hatte Ärger mit ihm und öfter schlechte Zensuren erhalten. Wittchow äußerte sich später ausführlich in der Öffentlichkeit zu dem Fall.

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An diesem Dienstag steht Wittchow vor der 31. Jugendkammer des Dortmunder Landgerichts als Nebenkläger dem 16-jährigen S. und seinen beiden mutmaßlichen Mittätern gegenüber. Sie sind des versuchten Mordes und der Verabredung zu einem Verbrechen angeklagt. Außerdem soll es im Trio eine weitere Verabredung zu einem Mordanschlag per WhatsApp gegeben haben, berichteten die "Ruhr Nachrichten". S. bestreitet eine Schuld, aber die beiden anderen haben weitgehend gestanden. Zudem haben die Ankläger Handys der Beteiligten ausgewertet.

Über 2.000 Straftaten gegen Lehrkräfte

Im Sommer schlug ein Schüler in Duisburg seinen Schulleiter, vor wenigen Tagen streckte in Thüringen ein 13-Jähriger mit einem Faustschlag seinen Lehrer nieder, nun der Prozess in Dortmund: Nimmt Gewalt gegen Lehrkräfte insgesamt zu? Dazu gibt es sehr unterschiedliche Zahlen. Das Bundeskriminalamt nennt in der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2018 bundesweit 2.256 Fälle von Straftaten gegen Lehrkräfte, wie "Report München" berichtet – darunter Bedrohungen, Nötigungen, aber auch Körperverletzungen. 2014 waren es in dieser Rubrik erst 1.713.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen registrierte das Landeskriminalamt in seiner Bilanz für 2018 insgesamt 435 solche Straftaten, davon 263 Fälle von Körperverletzung, und insgesamt einen Anstieg von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Dortmund, der Stadt des mutmaßlich geplanten Anschlags auf den Chemielehrer, wurden nach einem Bericht der "Ruhr Nachrichten" zwischen Januar und November 2019 24 Fälle von Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Stalking polizeibekannt, im Jahr zuvor 22, davor 25.

"Denken Sie an den Amoklauf"

Aber nicht alles wird gemeldet und registriert. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wollte es deshalb genauer wissen. In Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa befragte er 2018 dazu 1.200 Leitungen allgemeinbildender Schulen in Deutschland: Wie steht es mit Angriffen gegen Lehrkräfte an Ihrer Schule? Gab es in den letzten fünf Jahren Fälle, in denen Lehrkräfte körperlich attackiert wurden? Fast die Hälfte räumte Beschimpfungen, Bedrohungen, Beleidigungen oder Belästigungen ein – und jede vierte Schulleitung (26 Prozent) sagte: Ja, es gab körperliche Gewalt.

Rolf Busch ist stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE und Chef des Thüringer Lehrerverbandes. Er mag den Dortmunder Vorfall nicht mehr nur als Einzelfall sehen. "Denken Sie an den Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt", sagte er t-online.de. 2002 erschoss dort der 19-jährige Robert Steinhäuser elf Lehrer, eine Referendarin, die Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten. Fehlender Respekt und abnehmende Akzeptanz träfen jetzt neben Polizisten, Feuerwehrleute, Sanitäter und Arbeitsamtsmitarbeiter auch verstärkt Lehrkräfte. Die staatliche Autorität werde hier abgelehnt.

Allerdings glaubt Busch, Umfragen des VBE wie 2018 und zuvor schon 2016 hätten die Gesellschaft wachgerüttelt. "Wir haben diese Vorfälle aus der Tabuzone geholt. Auch trauen sich Betroffene heute, sich zu melden." Das Problem aus VBE-Sicht: Nicht alle Bundesländer führen Statistiken zu den Vorfällen an den Schulen.

Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, geht nach wie vor von Einzelfällen aus. Sie will auch nicht vom Trend einer zunehmenden Gewalt gegen Lehrer sprechen. "Aber in der Gesellschaft insgesamt geht zunehmend Respekt verloren", sagt sie. "Die Auseinandersetzungen werden härter", dabei sinke die Schwelle zum Gewalteinsatz. Jugendgewalt insgesamt nehme dagegen ab. Das Dortmunder Landgericht hat acht Verhandlungstage angesetzt.

Verwendete Quellen
  • WDR: "Nach Mordversuch: Dortmunder Lehrer äußert sich"
  • Ruhr Nachrichten: Print-Ausgabe 27.1.2020
  • Report München: "Der normale Wahnsinn an deutschen Schulen"
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