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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Schlichtweg Blödsinn" oder "zutreffend"? Mythos Eisheilige: Das ist dran an der Mai-Bauernregel

Die Meteorologen streiten: Handelt es sich bei den Eisheiligen Mitte Mai wirklich um "eine der zutreffendsten Bauernregeln des ganzen Jahres"?
Vom 11. bis zum 15. Mai stehen die sogenannten Eisheiligen an. Fünf Tage, fünf Märtyrer und Bischöfe, die zu diesen Daten im Heiligenkalender der katholischen Kirche geehrt werden – und die es einer Reihe alter Bauernregeln zufolge Jahr für Jahr noch einmal richtig frostig werden lassen, bevor es dauerhaft schön wird. Doch was ist dran am Mythos der Eisheiligen? Ein Überblick.
Das sind die fünf Eisheiligen
Am 11. Mai startet Mamertus in den Reigen der Eisheiligen, er ist der Bischof, der im 5. Jahrhundert die Bittprozessionen vor Christi Himmelfahrt einführte. Am 12. Mai folgt Pankratius, ein Märtyrer, der aufgrund seines Glaubens enthauptet wurde. Der 13. Mai ist Servatius von Tongern gewidmet, der den Hunneneinfall von 450 vorausgesagt haben soll und angeblich mit einem Holzschuh erschlagen wurde.
Bonifatius von Tarsus, am 14. Mai geehrt, soll durch siedendes Pech zu Tode gefoltert worden sein. Und am 15. Mai ist der Gedenktag für die frühchristliche Märtyrerin Sophia von Rom, die "Kalte Sophie".
So entstand der Begriff der "Eisheiligen"
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) ist der Begriff der "Eisheiligen" historisch gewachsen: "Er entstand aus der Beobachtung, dass es im Frühjahr jährlich in der zweiten Maidekade des Öfteren zu Kaltlufteinbrüchen kam."
Dem DWD zufolge handelte es sich zumindest in der Vergangenheit um eine sogenannte meteorologische Singularität. Das heißt: Nord-Wetterlagen mit Zufuhr arktischer Polarluft nach Mitteleuropa häuften sich zu dieser Zeit so regelmäßig, dass man wohl von einem Regelfall sprechen konnte.
Das sind die wichtigsten Bauernregeln – und darum sind sie wichtig
Rund um die Eisheiligen gibt es eine Vielzahl von gereimten Bauernregeln. Sie lauten zum Beispiel: "Mamerz hat ein kaltes Herz." "Wenn's an Pankratius friert, so wird im Garten viel ruiniert." Oder: "Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bis Sophie vorüber ist."
Wichtig waren diese Warnungen lange Zeit für die Landwirtschaft. "Die besondere Bedeutung der Eisheiligen ergab sich aus der Tatsache, dass der Polarlufteinfluss in eine kritische, das heißt frostempfindliche Vegetationsperiode fiel", hält der DWD dazu fest.
Wie viel Bedeutung haben die Eisheiligen heute noch?
Die praktische Relevanz der Bauernregeln scheint allerdings zu sinken. Schuld daran ist die menschengemachte Klimakrise.
Kurz: Es wird wärmer, Pflanzen blühen daher früher – und Kälteeinbrüche vor Mitte Mai sind tendenziell gefährlicher. "Frost und Hagel führen zu Nullerträgen", klagten Obstbauern etwa im Jahr 2024, nachdem es Ende April eine fünftägige Frostphase gegeben hatte.
"Blödsinn" oder "zutreffend": Das sagen Meteorologen
Trotzdem bleibt die Frage, ob die Temperaturen Mitte Mai auch noch einmal regelmäßig in den Keller rauschen – selbst wenn vielleicht kein schädlicher Frost mehr zu befürchten ist. Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten.
- Unwetter: Gilt für Ihre Region eine Warnung?
- Temperaturen: Wie warm oder kalt wird es bei Ihnen?
- Regenradar: Wann regnet es bei Ihnen?
Das Portal Wetter.com nennt die Eisheiligen "eine der zutreffendsten Bauernregeln des ganzen Jahres". Der Grund für späte Kaltlufteinbrüche liege in der unterschiedlich schnellen Erwärmung der Land- und Wasseroberflächen. Die Folge von enormen Temperaturkontrasten sei ein Wechselspiel aus Kalt- und Warmluftvorstößen in Deutschland: "Markante Luftmassenwechsel sind zu den Eisheiligen also nicht ungewöhnlich."
Der Meteorologe Fabian Ruhnau von Kachelmannwetter findet die Eisheiligen hingegen "schlichtweg Blödsinn". Der Mai sei ein Übergangsmonat vom Frühling in den Sommer. Es sei aus meteorologischer Sicht daher "ganz normal, dass es im Mai noch Kaltluftvorstöße aus dem hohen Norden geben kann".
"Es könnte sich verschieben"
Ähnlich sieht das der Diplom-Meteorologe Dominik Jung. Mal würden Bauernregeln zutreffen, mal nicht, es sei "alles im Zufallsbereich". Bauernregeln seien letztlich bloß "nette, sich reimende Sätze". Als studierter Meteorologe könne er sie "nicht wirklich serös finden".
Laut Karsten Brandt vom Portal Donnerwetter.de wiederum führt der Klimawandel wahrscheinlich dazu, dass der Zeitpunkt der letzten frostbringenden Kaltluftvorstöße im Jahresverlauf tendenziell immer eher auftritt. "Es könnte sein, dass die Eisheiligen heute früher kommen als noch vor einigen Jahrzehnten", meint er im Gespräch mit t-online. Zumindest habe er in den vergangenen Jahren eine Tendenz in diese Richtung beobachtet. "Und es könnte sich weiter verschieben", meint Brandt. "Das müsste allerdings noch genauer untersucht werden."
- Telefonat mit dem Wetterexperten Karsten Brandt und Anfrage an den Diplom-Meteorologen Dominik Jung
- Wetter.com: "So wahrscheinlich ist der späte Frost"
- dwd.de: "Eisheilige"
- wetterkanal.kachelmannwetter.com: "Warum es keine Eisheiligen gibt – Rückblick seit 1950"
- br.de: "Eisheilige: Kommt es wirklich vermehrt zu Kälteeinbrüchen?"
- tagesschau.de: "Eisheilige: Verfrüht, verspätet oder völliger Quatsch?"
- maz-online.de: "Brandenburgs Apfelernte 2024 auf Rekordtief"