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Mathias Döpfner stürzt Springer in die Krise: Kann er sich noch halten?


Tagesanbruch
Das Tollhaus

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 14.04.2023Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Zentrale des Springer-Verlags in Berlin.Vergrößern des Bildes
Zentrale des Springer-Verlags in Berlin. (Quelle: IMAGO/Schoening)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Gedanken sind frei, jeder darf seine Meinung sagen: Das ist eine der besten Errungenschaften unseres demokratischen, pluralistischen Rechtsstaats. Sie beispielsweise können mich für einen eitlen Wichtigtuer halten, weil ich jeden Morgen so tue, als könne ich die Welt erklären. Ich wiederum kann mir überlegen, ob ich solche Kritik hanebüchen finde oder ernsthaft darüber nachdenke. Wie kostbar die Meinungsfreiheit ist, wird klar, wenn man sieht, wie brutal sie in Diktaturen wie Russland, China oder dem Iran unterdrückt wird. Wie gut wir es doch haben!

Im Unterschied zu Ihnen als Leserinnen und Leser trage ich allerdings eine berufliche Verantwortung, die meiner Meinungsfreiheit Grenzen setzt: Als Chefredakteur und Co-Geschäftsführer der Gesellschaft, die unsere Redaktion betreibt, habe ich dafür zu sorgen, dass die Informationen auf t-online wahrheitsgemäß, objektiv und überparteilich sind. Damit Sie sich Ihre eigene Meinung bilden können und nicht durch eine bestimmte Ideologie oder eine einseitige Weltsicht indoktriniert werden. Falls Ihnen mein täglicher Sermon in der Tagesanbruch-Kolumne nicht passt, können Sie diese deshalb getrost ignorieren und einfach die vielen anderen Artikel auf t-online lesen: Nachrichten, Analysen, Interviews, Ratgeberartikel und Kommentare anderer Redakteure. Grundlage unserer Arbeit sind publizistische Prinzipien wie der transparente Umgang mit Quellen und Fehlern sowie die Trennung von Berichten und Meinungsbeiträgen (mehr dazu hier).

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Was geschieht, wenn sich der Chef eines Medienhauses nicht der Neutralität und der Überparteilichkeit verpflichtet fühlt? Wenn er stattdessen eine Redaktion als Kampftruppe einsetzt, um seine eigenen politischen Interessen durchzusetzen? Dann verliert ein Medium seinen wichtigsten Wert: seine Glaubwürdigkeit.

Womit wir beim Fall Döpfner und der "Bild"-Zeitung sind. Wenn alles stimmt, was die Kollegen der "Zeit" gestern veröffentlicht haben, hat der steinreiche Chef des Springer-Verlags nicht nur ein problematisches Verhältnis zur Demokratie, sondern stellt auch ein erhebliches Risiko für die deutsche Medienlandschaft dar. Die "Zeit" zitiert aus zahlreichen privaten Nachrichten, die Mathias Döpfner an Vertraute im Verlag schrieb.

Eine Auswahl (inklusive fehlerhafter Rechtschreibung):

"Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig"

"Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen."

"free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs."

Diffamierungen und Beschimpfungen – die nicht einfach nur private Meinungen sind, sondern die Koordinaten eines Kampfauftrags, mit dem Döpfner der "Zeit"-Recherche zufolge den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt in den publizistischen Schützengraben schickte: Offenkundig sollte der Döpfner unterstellte Journalist mit harschen Berichten und schrillen Schlagzeilen gegen Ostdeutsche, Muslime und Angela Merkel feuern. Die damalige Bundeskanzlerin schmähte Döpfner offenbar als "Sargnagel der Demokratie". Reichelt musste nach einem monatelangen Skandal um sein übergriffiges Verhalten gegenüber untergebenen Kolleginnen den Verlag mittlerweile verlassen und versucht sich nun als YouTuber. Vorher stand er im regelmäßigen Austausch mit Döpfner.

Vor der letzten Bundestagswahl beerdigte der Verleger endgültig seine Verantwortung als Medienmanager: Döpfner versuchte offenbar, durch Medienkampagnen in der "Bild" die FDP hochschreiben zu lassen. "Unsere letzte Hoffnung ist die FDP", schrieb er laut "Zeit" im August 2021 in einer internen Nachricht. "Nur wenn die sehr stark wird – und das kann sein – wird das grün rote Desaster vermieden. Können wir für die nicht mehr tun." Und ein paar Tage später: "Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen." Und zwei Tage vor dem Wahltermin an Reichelt: "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert."

Wenn diese Einflussnahme tatsächlich stattgefunden hat, und bislang spricht nichts dagegen, stellt dies nichts weniger als den Offenbarungseid des Springer-Verlags dar. Dann hat Verlegerwitwe Friede Springer das Medienhaus einem zwielichtigen Demagogen ausgeliefert, der seine Macht dazu missbraucht, Hunderttausende Leser verdeckt zu indoktrinieren und die demokratische Öffentlichkeit mit medialer Hetze zu vergiften. Auch Verlagsgründer Axel Springer machte harte Politik, auch früher log die "Bild". Aber in die heutige Zeit passt ein derartiges Verhalten nicht mehr – erst recht nicht, wenn man in Sonntagsreden die aufklärerische Rolle des Journalismus beschwört und international expandiert. "Er zeigt ein Verlegerverhalten nach Gutsherrenart, das eher zum 19. als zum 21. Jahrhundert passt", sagt der Hamburger Journalistikprofessor Volker Lilienthal über Döpfner. "Er verletzt grundsätzliche journalistische Regeln." Jan Hollitzer, Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen" und einer der profiliertesten Journalisten Ostdeutschlands, sagt: "Döpfner will seinen Redakteuren vorschreiben, was sie schreiben sollen – und das mit einer klaren politischen Agenda. Das ist nicht Aufgabe des Journalismus. Das ist sogar ein Verstoß gegen seine Grundregeln: die Trennung von Verlag und Redaktion." Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, fordert Döpfners Rauswurf als Springer-Chef.

Und Döpfner selbst? Rechtfertigte gestern in einer internen Nachricht an die Springer-Belegschaft seine Haltung und formulierte in feinstem Pressesprecherdeutsch unter anderem diese Sätze: "Ich habe natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands. Aber ich bin seit Jahrzehnten enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind. Der Erfolg der AFD beunruhigt mich. Ich habe nicht die geringsten Vorurteile gegen Muslime und habe großen Respekt für die Religion des Islam. Aber ich halte den Islamismus, also die terroristische Radikalisierung des Islams, für eine Bedrohung demokratischer Werte und unserer Sicherheit. (…) Und zur These, Mathias Döpfner nehme Einfluss auf BILD, kann ich nur sagen: ich hoffe doch sehr. Das ist als CEO und Miteigentümer mein Job. Aber über allem steht die Freiheit der Redaktionen. Und nichts schütze ich so sehr und leidenschaftlich. Darauf kann sich jeder in diesem Unternehmen immer verlassen. Und die, die mich kennen, wissen das auch."

Schöne Worte – das Problem ist nur: Welcher Mathias Döpfner ist denn nun der echte? Der aus den zahlreichen Nachrichten an den Chefredakteur und andere Vertraute oder der aus dem eiligen Rechtfertigungstext? Das ist nach den monatelangen Querelen im Springer-Verlag selbst bei bestem Willen nicht mehr zu beantworten. Ob die Miteigentümer, darunter der Finanzinvestor KKR, noch durchblicken? Das ehemals einflussreichste Medienhaus Deutschlands ist zu einem Tollhaus verkommen. Und das Problem sitzt an der Spitze.

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Heikle Mission

Am zweiten Tag ihres Antrittsbesuchs in China muss Außenministerin Annalena Baerbock den kniffligsten Teil absolvieren: Mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang düst sie im Hochgeschwindigkeitszug von Tianjin nach Peking und will dabei die chinesischen Militärmanöver rund um Taiwan ansprechen – und natürlich die Rückendeckung Chinas für den russischen Krieg gegen die Ukraine. Herr Qin kommt übrigens direkt von einem Stelldichein mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Usbekistan.


Schwere Kämpfe

Das ging schnell: Gestern am frühen Nachmittag bestätigte die Bundesregierung, dass ein Genehmigungsantrag Polens für die Lieferung von mehreren MiG-29-Kampfflugzeugen aus früheren DDR-Beständen an die Ukraine vorliege – und gestern am späten Nachmittag wurde die Genehmigung in Berlin erteilt. Deutschland hatte die Maschinen sowjetischer Bauart 2002 an Polen verkauft und in dem Vertrag festgeschrieben, dass die Bundesregierung einer möglichen späteren Weitergabe zustimmen muss.

Nach allem, was derzeit über die Lage in der umkämpften Stadt Bachmut zu hören ist, hat die Ukraine jede Form der Hilfe allerdings auch bitter nötig: Laut Lagebericht aus Moskau haben russische Soldaten und Wagner-Söldner die Verteidiger dort eingekesselt und deren Rückzugsmöglichkeiten blockiert. Ukrainischen Quellen zufolge soll inzwischen sogar noch eine weitere russische Privatarmee vor Ort operieren – mit "Angriffen, Aufklärungsmissionen, Hinterhalten und Sabotage", wie mein Kollege Martin Küper berichtet.


Brisante Entscheidung

Der französische Verfassungsrat gibt bekannt, ob die umstrittene Rentenreform der Regierung verfassungskonform ist. Außerdem entscheidet er darüber, ob ein Referendum zur Beibehaltung des Renteneintrittsalters von 62 Jahren angestoßen wird. Präsident Macron will es schrittweise auf 64 Jahre anheben. Seit Wochen gibt es deswegen Proteste.


Ohrenschmaus

Apropos Frankreich: Kennen Sie das hier?


Lesetipps


Oft wird bemängelt, dass zu wenig gegen den Hass in sozialen Netzwerken getan wird. Unser Rechercheur Lars Wienand hat zwei Menschen gefunden, die bemerkenswert viel erreicht haben.


Der Amokläufer aus Hamburg besuchte regelmäßig eine Sexarbeiterin. Was er ihr offenbarte, ist brisant, wie unsere Reporter Carsten Janz und Gregory Dauber berichten.


Das Historische Bild

Die Klimakrise verschärft sich rasant. Was uns droht, zeigt ein Blick in die 1930er-Jahre.


Zum Schluss

Wir sind stärker als die Typen von Springer!

Ich wünsche Ihnen einen aufgeklärten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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