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Donald Trump gegen Kamala Harris: Ein Kampf zwischen Männern und Frauen


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Tagesanbruch
Die USA steuern auf eine neue Realität zu

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 04.11.2024Lesedauer: 8 Min.
Frauen mobilisieren Frauen: die frühere First Lady Michelle Obama mit Kamala Harris.Vergrößern des Bildes
Frauen mobilisieren Frauen: die frühere First Lady Michelle Obama mit Kamala Harris. (Quelle: Evelyn Hockstein)
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Liebe Leserin und lieber Leser,

wenn Sie diesen Tagesanbruch lesen, sind es noch rund 24 Stunden, bis hier in den USA der alles entscheidende Wahltag am 5. November 2024 beginnt. Und ich bin mir sicher, dass viele von Ihnen diese eine bekannte Feststellung schon nicht mehr hören können: Die amerikanische Gesellschaft ist tief gespalten.

Doch dieser Wahlkampf verspricht, in die Geschichte der Vereinigten Staaten einzugehen als jener, der das Land am stärksten gespalten hat. Zwischen der amtierenden demokratischen Vize-Präsidentin Kamala Harris und dem früheren republikanischen US-Präsidenten Donald Trump tut sich ein besonders großer Graben auf.

Die politische Grenze verläuft dieses Mal vielfach auch zwischen den Geschlechtern. Sie scheint nicht mehr allein entlang geografischer Linien zwischen städtischen und ländlichen Regionen zu verlaufen oder entlang unterschiedlicher Bildungswege und Milieus.

Zwei Lager dominieren: Einerseits eine große Zahl weiblicher Wählerinnen, die sich für Harris einsetzen, und andererseits eine überwältigende männliche Unterstützung für Trump. Es ist eine Kluft, die sich als entscheidend erweisen könnte – nicht nur für den Ausgang dieser Wahl, sondern auch für die politische Landschaft der kommenden Jahre.

Umfragen deuten schon lange auf eine bemerkenswerte Geschlechterdifferenz hin. Das Auffällige daran: Je jünger die Befragten sind, desto größer wird dieses Gefälle zwischen Männern und Frauen. Das bestätigt diese Erhebung des Gallup-Instituts. Auch eine Umfrage der Harvard Kennedy School zeigt bei den unter 30-Jährigen: Männliche Wähler sind zu 53 Prozent für Kamala Harris und zu 36 Prozent für Trump. Junge Frauen der gleichen Altersgruppe unterstützen Harris allerdings zu 70 Prozent und nur zu 23 Prozent Trump. Experten in den USA vermuten dahinter insbesondere den Einfluss sozialer Medien und sogenannter Influencer.

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Jungen und Mädchen, Frauen und Männer scheinen gerade im digitalen Raum immer häufiger in teils vollkommen voneinander getrennten Welten zu leben. Männer und Frauen bekommen dort unterschiedliche Botschaften und Werte vermittelt. Während viele weibliche Influencer Themen wie Feminismus, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit betonen, konzentrieren sich männliche Influencer häufig auf traditionelle Männlichkeitsnormen, auf wirtschaftlichen Erfolg, aber auch auf Aggression gegen alles angeblich Schwache.

Zu den prominenten Vertretern solcher aggressiven Männlichkeitsbilder, die sich selbst als Alpha-Männer bezeichnen, gehört etwa der rechtsradikale amerikanische Frauenhasser und Kickboxer Andrew Tate. Er wurde bereits mehrfach wegen Menschenhandel, Vergewaltigung oder diskriminierender und rassistischer Äußerungen gegen Frauen, Homosexuelle und Ausländer angeklagt. Seiner millionenfachen, weltweiten Fangemeinde scheint das nichts auszumachen.

In diesem männlichen Paralleluniversum tummelt sich ganz gezielt auch Donald Trump. Sein Vizekandidat J. D. Vance, der weltweit vermögendste Mann Elon Musk und viele weitere Unterstützer wie der rechte Moderator Tucker Carlson versuchen in diesem Wahlkampf so wie nie zuvor, junge, frustrierte Männer anzusprechen. Trumps gesamte Wahlkampfästhetik ist etwa inspiriert von der Kampfsportwelt des Wrestlings und den sogenannten Martial Arts. Gezielt trat Trump auch in Interviews mit vielen YouTubern auf, die millionenfach, vorwiegend männliche Zuschauer haben.

Die Botschaft, die bei allen seinen Veranstaltungen stets mitschwingt: Lasst euch eure Männlichkeit nicht nehmen. Ich kämpfe mit euch gegen eine Verweiblichung oder eine behauptete "Verschwulung". Nicht ohne Grund wird Tim Walz, der Vizekandidat von Kamala Harris, seit Monaten als "Tampon-Tim" diffamiert. Mit solchen Slogans soll der Gouverneur von Minnesota fertiggemacht werden, weil er transgenderfreundliche Politik in seinem Bundesstaat verfolgt.

Sollte Kamala Harris am Dienstag verlieren, sind daran mehr denn je die Männer schuld. Und zumindest ein großer Teil von ihnen muss sich die Frage gefallen lassen, was für einem Menschen- und Gesellschaftsbild sie bei ihrer Entscheidung gefolgt sein werden. In vielen Fällen ist es eines, das gewalttätige Sprache gegen Frauen und deren Herabwürdigung zu normalisieren versucht. Die USA steuern damit auf eine Realität zu, in der selbst körperliche Gewalt als akzeptabel angesehen wird.

Zuletzt scheute Donald Trump nicht einmal mehr davor zurück, auf offener Bühne über Gewaltszenarien gegen seine politische Konkurrentin, die Republikanerin Liz Cheney, zu schwadronieren. Er präsentierte sie als angebliche Kriegstreiberin, die gedankenlos US-Soldaten in den sicheren Tod schicken würde. Trump sagte wörtlich: "Sie ist eine radikale Kriegstreiberin. Stellen wir sie mit einem Gewehr hin, während neun Gewehrläufe auf sie schießen. Okay? Mal sehen, wie sie sich dabei fühlt, wenn die Gewehre auf ihr Gesicht gerichtet sind". Liz Cheney, so Trump, sei obendrein eine "dumme Person". So und ähnlich hatte er auch schon zigfach Kamala Harris oder seine parteiinterne Konkurrentin Nikki Haley herabgewürdigt.

Im krassen Gegensatz dazu stehen die Botschaften der Demokraten. Sollte Kamala Harris gewinnen, hätten voraussichtlich Frauen diesen Erfolg zu verantworten. Bei dieser Wahl, wie bei keiner anderen in den vergangenen Jahrzehnten, streiten die Demokraten für eigentlich längst erkämpfte Frauenrechte, darunter ganz besonders das Recht auf Abtreibung. Dahinter steckt mehr, als viele meinen. Es geht nicht nur um die körperliche Selbstbestimmung der Frau, sondern bei Komplikationen auch um ihre körperliche Gesundheit und sogar um ihr Überleben.

Viel spricht dafür, dass auch Frauen, die bislang republikanisch gewählt haben, dieses Mal überlegen, ihre Stimme Kamala Harris zu geben. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das jahrzehntealte Grundsatzurteil zu Abtreibungen "Roe v. Wade" aufzuheben, hat viele von ihnen in Alarmbereitschaft versetzt. Bei dieser Wahl können sich die Demokraten deshalb als Verteidiger der Frauenrechte darstellen. Trump hingegen hatte die für diese Entscheidung verantwortlichen Richter nominiert.

Die Präferenzen von Männern und Frauen in diesem Wahlkampf sind unterschiedlich. Das lässt sich besonders gut in den sogenannten Swing States beobachten, also jenen Bundesstaaten, in denen die Wahl am Ende entschieden werden kann.

In Michigan unterstützen laut Umfragen beispielsweise 57 Prozent der Frauen Kamala Harris. Während nur 40 Prozent der Männer für sie stimmen wollen. Im Gegensatz dazu stehen 56 Prozent der Männer hinter Donald Trump, während nur 37 Prozent der Frauen für ihn stimmen möchten. Ähnlich und zum Teil noch extremer verhält es sich in Georgia oder North Carolina. Historisch gesehen haben Frauen zwar schon spätestens seit den 1980er Jahren mehrheitlich die Demokraten unterstützt. Aber dieses Jahr könnte sich nun eben als ein weiterer Wendepunkt erweisen.

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Amerikanische Politikbeobachter und Politikwissenschaftler beschreiben, wie entscheidend diese Stimmen der Frauen für einen möglichen Sieg von Kamala Harris sein könnten. Und ebenso verhält es sich natürlich auf der anderen Seite mit den Männern im Falle eines Trump-Sieges. Ein Vorteil für die Demokraten ist dabei, dass Frauen dazu neigen, eher wählen zu gehen als Männer. Ihre Mobilisierung könnte also den Ausschlag geben. Das erklärt auch, warum das Wahlkampfteam von Kamala Harris in den vergangenen Tagen bei vielen Veranstaltungen ganz besonders um Frauen geworben hat (Mehr dazu lesen Sie hier).

In diesem Umfeld der Polarisierung erklärt sich auch die Aufregung um Äußerungen, wie zuletzt die des einflussreichen Investors Mark Cuban. Als Unterstützer von Kamala Harris hatte Cuban in einem TV-Interview vor einigen Tagen gesagt, Donald Trump sei nie mit "starken, intelligenten Frauen" zu sehen. Trump würden solche Herausforderungen nicht behagen.

Das Trump-Lager reagierte prompt. Denn natürlich gibt es trotz der Spaltung Millionen Frauen, die ihre Stimme dem früheren US-Präsidenten geben wollen und die sich diffamiert fühlten. Die Aussagen von Mark Cuban seien "abscheulich", hieß es aus dem Wahlkampfteam der Republikaner. Trump selbst bezeichnete Cuban als "wirklich dummen Typen" und betonte, dass er sich sehr wohl mit starken Frauen umgebe. Zahlreiche Frauen meldeten sich zu Wort und griffen Cuban für seine beleidigenden Worte an.

Szenen wie diese zeigen, wie herausfordernd dieser Wahlkampf gerade wegen dieser bemerkenswerten Geschlechterspaltung ist. Das Team von Kamala Harris muss insbesondere Frauen aus einkommensschwächeren Verhältnissen und ohne akademischen Hintergrund ansprechen. Zugleich müssen aber auch männliche Wähler angesprochen werden, die mit einer Frau an der Spitze noch immer fremdeln und deshalb das Lager wechseln könnten. Für Trump und Harris gilt dabei gleichermaßen: Die Strategien beider Kampagnen müssen darauf abzielen, Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, ohne dabei die gegnerische Geschlechtergruppe auf eine riskante Weise zu verprellen.

Wie wenig man sich dabei auf Klischees verlassen sollte, habe ich gerade erst in Washington erlebt. Hier brachte mich am Wochenende eine Taxifahrerin zu einem Termin, die seit 24 Jahren in den USA lebt. Selma, geboren in Trinidad und Tobago, bat mich darum, am Dienstag für Donald Trump zu beten. Denn dann, so sagte sie, würden die hohen Lebensmittelpreise und die Mieten endlich wieder heruntergehen.

Das zeigt, wie schwierig die Lage für Kamala Harris ist: Wie kann sie eine schwarze, christlich geprägte Frau mit Einwanderergeschichte überzeugen, die in einfachen Verhältnissen in der liberalen US-Hauptstadt lebt? Offenbar ist im Fall von Selma jede Anstrengung von Harris vergebens. Selma glaubt, so wie Millionen anderer Amerikanerinnen und Amerikaner: Mit einem Sieg von Donald Trump werde es ihr finanziell besser gehen.

Der Mythos, Trump könnte einfach so die Preise senken, hält sich penetrant. Und am Ende könnte sich dieses Thema als das entscheidende erweisen. Denn beim eigenen Bankkonto denken Frauen und Männer womöglich ähnlicher als bei vielen anderen Fragen. Zu Recht sorgt sich Kamala Harris' Wahlkampfteam primär wegen dieses Themas. Denn bei keinem anderen wirkt die eigene Kandidatin gegen Angriffe von Donald Trump so machtlos. Immerhin ist sie gemeinsam mit Joe Biden seit fast vier Jahren im Amt.

Über die seit dieser Zeit hohen Preise beklagen sich fast alle – und zwar über Geschlechter-, Bildungs- und Statusgrenzen hinweg. Egal, wie gut die anderen Wirtschaftsdaten auch sein mögen, etwa zur Situation auf dem Arbeitsmarkt, dem Wachstum oder den Rekorden an den Aktienmärkten, die Gründe dafür interessieren und verstehen die wenigsten. Was zählt, ist die Hoffnung, mit welchem der beiden Kandidaten sie bald sinken könnten.


Was steht an?

Am letzten Tag vor der Wahl sind Kamala Harris und Donald Trump beide an mehreren Orten in dem wohl wichtigsten Swing State Pennsylvania unterwegs. Damit wollen beiden Kandidaten die letzten unentschiedenen Wählerinnen und Wähler überzeugen oder die eigenen Anhänger mobilisieren.


Diese Woche könnte auch eine Entscheidung darüber bringen, ob die Ampel noch eine Zukunft hat. Nachdem Finanzminister Christian Lindner am Sonntagabend im Kanzleramt gewesen war, wird es auch heute viel Gesprächsbedarf zu seinem wirtschaftspolitischen Vorstoß geben. Spätestens am Mittwoch beim Koalitionsausschuss könnte sich zeigen, ob die Regierung sich noch einmal zusammenraufen kann.


Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte kommt einen Tag vor der US-Wahl zum Antrittsbesuch nach Berlin. Mitten im Koalitionsgezänk der Ampel wird er dabei unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen. Rutte hat erst Anfang Oktober das Amt des Nato-Chefs von Jens Stoltenberg übernommen.


Lesetipps

Russische Desinformation hat kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA noch einmal deutlich zugenommen. Wie am Fließband werden offenbar Videos produziert. Überraschend ist, worauf mein Kollege Lars Wienand dabei gestoßen ist.


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Unser Kolumnist Gerhard Spörl war das erste Mal in den 70er Jahren in den USA und lernte, das Land zu lieben und zu bewundern. Aber spätestens seit den Reaktionen auf 9/11 hat er verstanden, dass das Land sich in unregelmäßigen Abständen dem Wahnsinn hingibt.


Aus der Provinz im Nordosten Brasiliens – ohne fließendes Wasser und ohne klassische Fußballausbildung – bis zum Deutschen Meister und Bundesliga-Torschützenkönig. Mein Kollege David Digili hat den heute 51-jährigen brasilianischen Fußballer Aílton Gonçalves da Silva zum Interview getroffen.


Ohrenschmaus

Heute höre ich "Lola", den Rockklassiker von den Kinks aus dem Jahr 1970. Der galt damals als bahnbrechend in Bezug auf Geschlechterthemen und wurde bei seiner Veröffentlichung kontrovers diskutiert. Das Lied erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der Lola begegnet, einer Transperson oder einem Cross-Dresser – inspiriert von der eigenen Erfahrung des Managers der Band. Der Song wurde damals von Radiosendern in Australien und anderen Ländern verboten. Heute sind wir zum Glück viel weiter.


Zum Schluss

Ihr

Bastian Brauns
Washington-Korrespondent
Twitter @BastianBrauns

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Mit Material von dpa.

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