Melnyk wettert gegen Bestsellerautorin
Der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, schieΓt gegen die Buchautorin Juli Zeh. Diese stellt gerade ein neues Buch vor.
Ein offener Brief aus dem vergangenen Jahr und ein Interview der Bestsellerautorin Juli Zeh bringen den ukrainischen Vize-AuΓenminister Andrij Melnyk erneut in Rage. "Hallo Sie unverschΓ€mte Schriftstellerin Juli Zeh", geht er sie auf Twitter an. Er bezieht sich auf eine Passage eines Interviews von Zeh mit dem NDR, das allerdings schon im Juli vergangenen Jahres verΓΆffentlicht wurde. Darin hatte sie sich zu mΓΆglichen Verhandlungsoptionen im Ukraine-Krieg geΓ€uΓert und die Frage, ob die Ukraine die alten Grenzen ΓΌberhaupt wiederherstellen kΓΆnne. "Es wird auf etwas hinauslaufen mΓΌssen, was ein bitterer Apfel zu schlucken ist, was aber am Ende aus unserer Sicht nicht nur fΓΌr Europa und die ganze Welt der bessere Weg sein wird, sondern wahrscheinlich auch fΓΌr die Ukraine selbst", sagte die Schriftstellerin.
Das wollte Melnyk nicht stehen lassen. "Das, was Sie als einen bitteren Apfel, der zu schlucken ist, so romantisch bezeichnen, nΓ€mlich die russische Okkupation zu akzeptieren, bedeutet fΓΌr die Ukrainer Mord, Vergewaltigung, Folter, Deportation&Terror", wetterte er auf Twitter.
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Die "Zeit" hatte im Juli einen Appell verΓΆffentlicht, der unter anderem von Richard David Precht und Juli Zeh sowie Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar unterzeichnet war. Darin forderten diese einen "konzertierten VorstoΓ fΓΌr Verhandlungen". In einem weiteren Brief, der in der Zeitschrift "Emma" abgedruckt wurde, hatten die Unterzeichner β viele Kulturschaffende wie Zeh β vor weiteren Waffenlieferungen und einer Eskalation des Ukraine-Kriegs gewarnt.
Kommentar: "Macht mich sprachlos"
Der ukrainische Diplomat bekam fΓΌr seinen Tweet UnterstΓΌtzung in Kommentaren auf Twitter: "Man kann ja fΓΌr Verhandlungen sein. Aber Juli Zeh und ihre Verniedlichung kann man vergessen", schrieb der ZDF-Journalist Andreas Kynast, und Reporter Hajo Seppelt meinte: "Macht mich auch sprachlos. Sollten irgendwann mal Soldaten eines Despoten in D einmarschieren (was keiner hofft), morden, foltern, vergewaltigen - wΓΌrden wir dann auch sagen, tja, den bitteren Apfel mΓΌssen wir schlucken, uns den Okkupanten ergeben, ihnen unser Zuhause ΓΌberlassen?" Der ehemalige Fernsehkorrespondent Stephan Hallmann schrieb: "Interessanter LΓΆsungsvorschlag von einer 'Kulturschaffenden'! Dabei von Schutz fΓΌr "die ZivilbevΓΆlkerung" zu sprechen, ist brutaler Zynismus".
Warum Melnyk ausgerechnet jetzt das Interview herausgekramt hat, ist unklar. Zeh hatte vor kurzem ein neues Buch vorgestellt, dass sie gemeinsam mit Simon Urban geschrieben hat. Dieses hat bereits zu Diskussionen gefΓΌhrt, meist wegen seiner literarischen QualitΓ€t, aber auch Stereotypen, die darin bedient werden. Es handelt sich dabei um einen Whats-App-Roman mit dem Titel "Zwischen Welten", in dem sich zwei Menschen nach langer Zeit wiederfinden und vor allem auf elektronischem Wege austauschen.
Mit dem Ukraine-Krieg hat das Buch direkt nichts zu tun. Es geht es aber auch darum, dass die Protagonisten teilweise sehr auseinanderliegende Meinungen haben. Zeh meinte zur Frage, ob Krisen die Diskussionen verschΓ€rft haben: "Ich mΓΆchte anfΓΌgen, dass man in der Gegenwart, in der man lebt, gerne das GefΓΌhl hat, das wΓ€re alles wahnsinnig krisenhaft und auch noch nie so schlimm gewesen."