Ukraine setzt auf Eigenproduktion Tausende Drohnenangriffe auf russischem Gebiet

Täglich greift Russland die Ukraine mit Drohnen und Raketen an. Doch Kiew kann sich dank eigener Produktion wehren.
Brennende Ölraffinerien, beschädigte Munitionsdepots, Explosionen auf Flughäfen: Die Ukraine kann zunehmend Ziele in Russland mit eigenen Mitteln erreichen. Möglich machen es Drohnen, die das Land in großem Umfang selbst herstellt. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Produktion militärischer Güter verzehnfacht. Waffen und Munition stammen zu 40 Prozent aus heimischer Produktion, berichtet das Online-Portal "Euromaidan Press".
Am Freitag vermeldeten die pro-ukrainischen Atesh-Partisanen auf der Halbinsel Krim einen Drohnenschlag gegen einen russischen Militärflughafen, bei dem auch Munitionslager explodiert sein sollen. Fast täglich fliegen ukrainische Drohnen in russisch besetzte Gebiete. In der Nacht zum Samstag gab es weitere Berichte über ukrainische Angriffe auf russische Ziele auf der Krimhalbinsel.
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Die geringer werdende Unterstützung der USA, zögerliche westliche Partner und Engpässe bei der weltweiten Waffenproduktion haben die Ukraine gezwungen, selbst tätig zu werden. "Die Ukraine wird immer ihre eigenen starken Waffen brauchen, damit wir unseren eigenen starken ukrainischen Staat haben können", hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj als Losung ausgegeben. "Die Ukraine wird immer eine eigene technologische Überlegenheit brauchen, damit Russland weiß, dass wir auf jeden Angriff reagieren werden."
1,5 Millionen Drohnen produziert
Der Plan funktioniert offenbar, vor allem bei der Drohnenproduktion. Im Jahr 2014, nach der russischen völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim, gab es nur ein paar Privatinitiativen für den Bau von kleinen Flugkörpern. Ende 2023 kamen bereits 40 Prozent der an der Front eingesetzten Drohnen aus eigener Produktion, mittlerweile sind es 95 Prozent. Im vergangenen Jahr, so "Euromaidan", habe die Ukraine 1,5 Millionen Drohnen produziert.
Und während der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz noch immer keine Taurus-Marschflugkörper liefern will, hat Kiew den Bau von Drohnen beschleunigt. Im Jahr 2024 wurden 300 neue Versionen von Kamikaze-Drohnen von der Armeeführung genehmigt. Die Zahl der Langstreckendrohnen hat sich vervierfacht, jeden Monat sollen mehr als 2.000 Stück vom Band laufen.
Das wohl wichtigste Drohnenmodell ist ein umgebautes Sportflugzeug vom Typ Aeroprakt A-22. Es kann fast 2.000 Kilometer weit fliegen, eine 250 Kilogramm schwere Bombe abwerfen und wieder zurückkehren. So können die Fluggeräte für mehrere Missionen eingesetzt werden.
Schläge gegen russischen Nachschub und Raffinerien
Für Russland werden die Drohnenangriffe zunehmend ein Problem. Im Januar alleine wurden neun Raffinerien angegriffen, die zehn Prozent der russischen Produktion ausmachten. Bis zum Oktober hat die Ukraine nach eigenen Angaben 7.000 Angriffe auf russisches Gebiet geflogen, einige reichten bis zu 1.700 Kilometer weit. Da westliche Waffen wie die ATACMS nicht auf russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen, muss sich das ukrainische Militär selbst helfen. Angriffe auf russische Munitionsdepots sollen verursacht haben, dass sich die russischen Artillerieangriffe halbiert haben.
Am 22. April gab es einen besonders schweren Treffer: Eine gewaltige Explosion verwüstete das 51. Arsenal der russischen Hauptverwaltung für Raketen und Artillerie (GRAU) in Barsowo in der Oblast Wladimir – eines der größten Munitionsdepots Russlands. Bis zu 264.000 Tonnen Munition sollen hier gelagert worden sein. Die Explosion war einer der bisher verheerendsten Angriffe auf die russischen Militärbestände.
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Kämpfe gehen trotz Verhandlungen weiter
Im Februar hatte die Regierung in Kiew ein neues Programm ins Leben gerufen, mit dem Drohnen noch mehr in die Kriegsführung eingebunden werden sollen. Die Bodentruppen, aber auch Grenzschützer, sollen mit neueren und moderneren Drohnensystemen ausgestattet werden. Verteidigungsminister Rustem Umerov sprach von einem "transformativen Schritt in der Kriegsführung", der Drohnen, die für verschiedene Operationen bereits unverzichtbar sind, in den Mittelpunkt des Kampfes stellt.
Während der öffentliche Fokus derzeit auf Verhandlungen über eine Waffenruhe liegt, finden weiterhin Kampfhandlungen statt. An den Fronten im Osten der Ukraine wird weiter gekämpft. Vor allem rund um den Donbass, speziell bei Pokrowsk, setzten russische Truppen ihre Angriffe fort, berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitagabend in seiner abendlichen Videoansprache. Schon deshalb wird das ukrainische Militär keine Wahl haben und weiterhin Drohnen produzieren und einsetzen.
- euromaidanpress.com: "No aid? No problem: Ukraine’s engineers hit Russia 7,000 times with homegrown tech" (englisch)
- militarnyi.com: "Ukraine to expand drone production to 2,000 per month for strikes on Russia" (englisch)
- english.nv.ua: "Ukraine hits Russian targets with long-range drone strikes in 2024 — CNN report" (englisch)
- defence-ua.com: "Ukraine Carried Out Its Largest Drone Strike Yet on Crimean Airfields" (englisch)