Russland übt Kritik Italien lädt Putins Maestro aus

Ein Konzert des Putin-nahen Dirigenten in Süditalien ist jetzt abgesagt worden. Der Kulturminister und die Witwe von Nawalny hatten vorher vor Propaganda gewarnt.
Nach heftiger Kritik hat die Direktion des Königspalasts von Caserta das Konzert in Italien des kremlnahen Stardirigenten Waleri Gergijew abgesagt. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet, bestand die Sorge vor Protestaktionen ukrainischer Organisationen.
Die Entscheidung wurde unter anderem von der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Pina Picierno, begrüßt. "Dank euch allen wird Kampanien keinen Botschafter Putins empfangen", schrieb sie auf X. Gergijew selbst erklärte gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass, er wisse nichts von einer Absage.
Der Vertraute von Russlands Präsident Wladimir Putin hätte am 27. Juli im Rahmen des Musikfestivals "Un'Estate da Re" im barocken Innenhof des Schlosses nahe Neapel dirigieren sollen. Das Festival wird von der süditalienischen Region Kampanien organisiert.
Die Ankündigung des Konzerts hatte breite Kritik ausgelöst. Das italienische Kulturministerium distanzierte sich deutlich von dem Auftritt. Die Absage entspreche nun "der Logik des gesunden Menschenverstands und der moralischen Verpflichtung zum Schutz der Werte der freien Welt", teilte Alessandro Giuli, der in der postfaschistischen Regierung von Giorgia Meloni als Kulturminister amtiert, mit. Die "freie und unanfechtbare Entscheidung der Direktion" habe seine "volle und überzeugte Unterstützung".
Zuvor hatte auch Julia Nawalnaja, Witwe des in Haft gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "La Repubblica" die Absage des Konzerts gefordert. Eine Online-Petition gegen die Aufführung sammelte zudem fast 20.000 Unterschriften.
International umstrittener Künstler
Der 72-jährige Gergijew, der zusätzlich zum Mariinski-Theater in Sankt Petersburg seit 2023 auch das renommierte Bolschoi-Theater in Moskau leitet, gilt seit Jahren als prominenter Unterstützer der Politik des russischen Diktators. Bereits 2012 unterstützte der Dirigent Putins Wahlkampf durch eine Werbekampagne. Seitdem engagiert er sich regelmäßig vor den Präsidentschaftswahlen, die nach Aussagen von unabhängigen Beobachtern nicht demokratisch verlaufen.
2014 feierte er Putins gewaltsame Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, zwei Jahre später gab er im syrischen Palmyra ein patriotisches Konzert, nachdem die Truppen des damaligen syrischen Machthabers Baschar al-Assad die Stadt mithilfe der russischen Armee zurückerobert hatten.
Wie kaum ein anderer russischer Künstler hält Gergijew dem russischen Diktator die Treue und stellt sich öffentlich in den Dienst des Regimes in Moskau. Dafür verlieh ihm der Diktator im Jahr 2024 einen der höchsten russischen Orden – für Gergijews Verdienste um das Vaterland. Aber nicht nur das: Putin stattete den Dirigenten auch mit einer beispiellosen Machtfülle aus und übertrug ihm die Leitung der führenden Institutionen im Bereich der klassischen Musik und des Tanztheaters.
Russische Botschaft übt scharfe Kritik
Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahr 2022 beendeten zahlreiche internationale Kulturinstitutionen – darunter die Münchner Philharmoniker und die Mailänder Scala – die Zusammenarbeit mit ihm, weil er sich nicht vom Krieg distanzierte. Im Gegenteil: Gergijew unterstützt Putin weiterhin und zeigt sich gern mit dem Diktator.
Die russische Botschaft in Italien reagierte mit Kritik auf die Absage des Auftritts. Es sei bedauerlich, ein Italien zu beobachten, dessen Regierung "entgegen ihren Versprechen, die Souveränität und die nationalen Interessen zu verteidigen, den Forderungen ukrainischer Einwanderer und anderer Gruppen sowie deren politischer Lobbyarbeit nachgibt", schrieb Botschafter Alexei Paramonow in den sozialen Medien.
Die Absage würde jedoch nicht Russland schaden. "Vielmehr schadet dies Italien selbst, da das Land auf diese Weise seine Glaubwürdigkeit gefährdet und Zweifel an seiner Offenheit und Gastfreundschaft gegenüber Menschen aufkommen lässt", hieß es weiter.
Auch der linksgerichtete Präsident der Region Kampanien, aus deren Kulturhaushalt der Auftritt Gergijews finanziert werden sollte, übte Kritik an der Konzertabsage. Vincenzo De Luca plädierte laut Reuters dafür, Künstler nicht für die Politik ihrer Regierungen verantwortlich zu machen. Diese Trennung ist nach Meinung vieler Beobachter im Fall Gergijews längst nicht mehr gegeben.
Das sieht offenbar auch Italiens Kulturstaatsminister Giuli so. "Die Kunst ist zwar frei und kann nicht zensiert werden," sagte er. "Für Propaganda, selbst wenn sie von großen Talenten betrieben wird, gilt gleichwohl etwas ganz anderes."
- theguardian.com: talian concert by Putin-linked Russian conductor called off after outcry
- reuters.com: Italy cancels concert with pro-Putin conductor Gergiev
- ludwig-van.com: Vladimir Putin Awards Conductor Valery Gergiev Order of Merit
- Nachrichtenagentur dpa