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Frankfurt: Syrischer Arzt soll Gefangenen per Giftspritze getötet haben


Kriegsverbrecherprozess in Frankfurt
Syrischer Arzt soll Gefangenen per Giftspritze getötet haben

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 19.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Alaa M.: Seit Mittwoch steht der 36-Jährige in Frankfurt vor Gericht.Vergrößern des BildesAlaa M.: Seit Mittwoch steht der 36-Jährige in Frankfurt vor Gericht. (Quelle: Boris Roessler/dpa-bilder)
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2015 kam Alaa M. nach Deutschland, praktizierte hier als Orthopäde – bis ehemalige Gefangene ihn erkannten. Jetzt steht der Arzt vor Gericht. Die Liste der ihm vorgeworfenen Gräueltaten ist lang.

Am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat am Mittwoch der Kriegsverbrecherprozess gegen einen Arzt begonnen, dem die Bundesanwaltschaft Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft.

Laut Anklage arbeitete Alaa M. zwischen April 2011 und Ende 2012 als Assistenzarzt in einem Militärkrankenhaus in der syrischen Stadt Homs. Dort sowie in einem weiteren Militärkrankenhaus in Damaskus und im Gefängnis des syrischen Militärischen Geheimdienstes in Homs soll er inhaftierte Zivilisten, die der Opposition gegen Machthaber Baschar al-Assad zugerechnet wurden, gefoltert haben.

Vorwurf: Mit Alkohol übergossen und angezündet

Die Vorwürfe sind hart: M. soll Gefangene getreten, geschlagen und mit einem Schlagstock verprügelt haben. Außerdem soll er laut Anklage einen Gefangenen durch eine Injektion absichtlich getötet haben. Der Arzt habe ihn gemeinsam mit einem Krankenpfleger am Boden fixiert und dem Wehrlosen eine tödliche Spritze verabreicht.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert brutale Details aus der Anklageschrift: M. soll demnach unter anderem die Genitalien eines Jugendlichen mit Alkohol übergossen und angezündet haben. Einen Häftling, der einen epileptischen Anfall erlitt, soll er ins Gesicht geschlagen, mit einem Plastikschlauch attackiert und gegen den Kopf getreten haben. Dann soll er dem Mann eine Tablette gegeben haben, kurz darauf soll das Opfer gestorben sein.

Es geht um Folter, Mord, schwere Körperverletzung

Ein weiteres Folteropfer soll mit den Händen an der Decke aufgehängt worden sein. Der Mann wurde laut Bundesanwaltschaft mit einem Stock drangsaliert und angezündet. Zudem soll M. einem Opfer mit Stiefeln auf eine eiternde Wunde getreten haben, dem Mann dann den Arm angezündet haben.

Insgesamt sind Folterungen in 18 Fällen angeklagt, außerdem Mord und schwere Körperverletzung. Es geht um Schläge bis zur Bewusstlosigkeit, Quetschungen, Knochenbrüche und Brandverletzungen.

Prozess in Frankfurt: Acht Richter beteiligt

Erst in der vergangenen Woche war der nach Angaben der Bundesanwaltschaft weltweit erste Strafprozess um Staatsfolter in Syrien vor dem Oberlandesgericht Koblenz zu Ende gegangen. Der Syrer Anwar R. wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im aktuellen Fall rechnet das Gericht "mit einem außerordentlich aufwändigen Verfahren". 14 Verhandlungstage sind bisher terminiert, insgesamt acht Richter beteiligt: Drei Ergänzungsrichter stehen zusätzlich zu den fünf Richtern des Staatsschutzsenates bereit, um bei personellen Ausfällen einspringen zu können.

Arzt kam 2015 nach Deutschland und praktizierte hier

Alaa M. war im Jahr 2015 nach Deutschland gekommen und hatte in Hessen als Orthopäde praktiziert. Er war im Juni 2020 festgenommen worden, nachdem ehemalige Gefangene in ihm den Folterer von Homs erkannt hatten. Seitdem befindet sich M. in Untersuchungshaft.

Der syrische Exilaktivist und Journalist Sakher Edris, der aus Paris zu dem Prozess angereist ist, sagte in Frankfurt, Prozesse um Staatsfolter in Syrien vor deutschen Gerichten seien ein Hoffnungsfunke für die Angehörigen der Menschen, die in Syrien nach der Festnahme durch Sicherheitskräfte verschwunden seien. Eine Gruppe von Syrern machte vor Prozessbeginn am Mittwoch auf das ungewisse Schicksal vermisster Oppositioneller und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien aufmerksam.

Amnesty: Prozess könnte andere Überlebende ermutigen, ihr Schweigen zu brechen

Amnesty International begrüßte, dass unter anderem sexualisierte Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. "Diese Art von Gewalt bedeutet für die Betroffenen in Syrien eine lebenslange Stigmatisierung und steht bei Prozessen nach dem Völkerstrafgesetzbuch bisher leider häufig nicht im Fokus", hieß es in einer Stellungnahme.

Das Verfahren könnte daher andere Überlebende von sexualisierter Gewalt ermutigen, ihr Schweigen zu brechen. Insgesamt zeige der Prozess, dass nicht nur Soldaten und Mitarbeiter des Geheimdienstes, sondern jede Person nach dem Weltrechtsprinzip zur Rechenschaft gezogen werden könne.

Aktuell seien Prozesse nach dem Weltrechtsprinzip außerhalb von Syrien die einzige Möglichkeit, um die Verbrechen der syrischen Regierung zumindest teilweise aufzuarbeiten und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Das Weltrechtsprinzip ermöglicht es, bei besonders schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann Urteile zu verhängen, wenn die Taten von anderen Staatsangehörigen in anderen Ländern begangen wurden.

Verwendete Quellen
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