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Frankfurt: Wie Neonazis die Friedensdemos als Bühne nutzen


Rechtsextremisten in Frankfurt
Neonazis nutzen Friedensdemos als Bühne

Von Stefan Simon

Aktualisiert am 11.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Mann mit "III. Weg"-Mütze bei Friedensdemo (links) und Neonazi Matthias Herrmann: Insider gehen davon aus, dass Herrmann auf der Frankfurter Friedensdemo dabei war.Vergrößern des Bildes
Mann mit "III. Weg"-Mütze bei Friedensdemo (links) und Neonazi Matthias Herrmann: Insider gehen davon aus, dass Herrmann auf der Frankfurter Friedensdemo dabei war. (Quelle: AIHD/IL-Montage/leer)

Rechtsextremisten beteiligten sich in Frankfurt an Friedensdemos. Einer von ihnen ist vermutlich der Neonazi Matthias Herrmann, der jahrelang mit dem "Aktionsbüro Rhein-Neckar" eine der aktivsten Nazistrukturen Deutschlands leitete.

In den ersten Tagen nach der Invasion Russlands in die Ukraine beteiligten sich Tausende Menschen in Frankfurt auf Friedensdemos. Mit dabei auch Aktivisten der Neonazipartei "III. Weg". Auf einem der Fotos vor dem russischen Generalkonsulat posiert einer der Aktivisten mit einer Mütze der Partei und einem Emblem des Asow-Regiments, wie t-online berichtete.

Bei Asow handelt es sich um eine paramilitärische ukrainische Gruppe, die gegen prorussische Separatisten im Südosten der Ukraine kämpfte und als wichtigste rechtsextreme Bewegung in der Ukraine gilt. Der "III. Weg" und Asow pflegen enge Kontakte.

Bei dem Mann auf dem Foto handelt sich wohl um den Neonazi Matthias Herrmann. Das vermutet auch ein szenekundiger Insider aus der Rhein-Neckar-Region, der Herrmann oft auf Kundgebungen erlebt hat. "Die Statur, das Gesicht und die Brille passen", sagt er gegenüber t-online.

Herrmann ist stellvertretender Bundesvorsitzender, Mitgründer der Partei und ehemaliger NPD-Funktionär. Herrmann zählt zum früheren Kader des "Aktionsbüro Rhein-Neckar", einem losen Bündnis, in dem sich Neonazi-Gruppen aus der Pfalz, Südhessen und Baden ab 2003 etwa zehn Jahre lang abstimmten. Es galt jahrelang als eine der aktivsten Neonazistrukturen in ganz Deutschland.

Enge Kontakte zu NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben

Herrmann wuchs in Jena auf, kam mit elf Jahren nach Mannheim, lebte später auch in Ludwigshafen und Bad Dürkheim. Durch seine aktive Zeit im Aktionsbüro pflegte er auch einen engen Kontakt zu Ralf Wohlleben, der als wichtigster Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) galt.

Der "III. Weg" wurde am 28. September 2013 unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger NPD-Funktionäre und Aktivisten des im Juli 2014 verbotenen Freien Netzes Süd (FNS) gegründet. Laut Verfassungsschutz bezeichnet sich die Partei, die in ihrem „Zehn-Punkte-Programm“ einen „Deutschen Sozialismus“ fordert, als „nationalrevolutionär“. Die Partei zählt etwa 580 Mitglieder. Der Verfassungsschutz stuft die Mitglieder als äußert gewaltbereit ein.

Auch der Politikwissenschaftler Sascha Schmidt hält es für "gut möglich", dass es sich bei dem Mann auf dem linken Foto um Herrmann handelt. 2014 zog der Mitgründer vom "III. Weg" nach Hessen in den Landkreis Limburg-Weilburg. "Er hat mit seinem Umzug die Strukturen in Mittelhessen mit aufgebaut und forciert deren Ausbau von dort aus", sagt Schmidt. Das ist womöglich auch der Grund, warum die Nazis in der Rhein-Neckar-Region in den letzten Jahren immer weniger in Erscheinung treten.

Aktivisten vom "III. Weg" tauchen immer wieder auf "Querdenker"-Demos auf

Der Hauptaktionsradius umfasst neben Limburg-Weilburg noch den Lahn-Dill-Kreis. In den letzten Jahren dehnten sie ihre Aktionen in den Taunus bis nach Frankfurt und Südhessen aus. Insbesondere im Kreis Groß-Gerau mobilisieren die Nazis etwa jährlich zu 1. Mai-Demonstrationen. „Dem 'III. Weg' ist es in Hessen gelungen, Aktive aus dem militanten Kameradschaftsspektrum zu integrieren“, so Schmidt.

Für Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg sei es nun Aufgabe der Sicherheitsbehörden herauszufinden und zu kommunizieren, ob der Auftritt der Neonazis bei den Friedensdemos bedeute, dass Aktivitäten nun dorthin verlagert würden.

Aktivisten vom "III: Weg" tauchten bereits in Frankfurt immer wieder auf "Querdenker-Demos" auf. So wie am 4. Dezember vorigen Jahres. Dabei stellten sich die Neonazis mit eigenen Schildern auf und attackierten aus dem Schutz der Masse Journalistinnen und Journalisten.

"Sie wissen, dass sie auf unseren Demonstrationen nichts zu suchen haben und geben sich daher selten offen zu erkennen. Dort, wo wir sie dennoch erkennen, werden wir sie von unseren Versammlungen ausschließen", sagt Philip Jacks, Regionsgeschäftsführer des DGB in Frankfurt. Wichtig sei, dass sich die Versammlungsleitung inhaltlich distanziere, was zum Beispiel bei den Demos der Corona-Leugner fast nie passiere, sagt er.

Jacks ist einer der Unterzeichner der "Frankfurter Erklärung: Solidarität und Zusammenhalt", die im Zuge der Corona-Krise Anfang des Jahres von bekannten Köpfen der Stadtgesellschaft initiiert wurde. "'Der III. Weg' hat in der Vergangenheit mit ukrainischen Faschisten zusammengearbeitet. Ihnen geht es nicht um den Frieden in der Ukraine, sondern um ihre völkischen Interessen", sagt Jacks zur Teilnahme der Neonazis an den Friedensdemos.

Neonazis tauchen auf Demos unerkennbar auf und machen heimlich Fotos

Neonazis tauchen öfters bei Demonstrationen auf, ohne erkennbar zu sein, sagt Jacks. "Sie machen dann heimlich Fotos und posten diese in den sozialen Medien. Offen auftreten tun sie ganz selten. Eine Gefahr sind sie vor Ort dann trotzdem."

So wie auch Matthias Herrmann. Das Foto mit dem Emblem des Asow-Regiments vor dem russischen Generalkonsulat kann durchaus als Selbstinszenierung verstanden werden. Das Foto hat die Partei mittlerweile von ihrer Webseite entfernt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit einem Insider der rechtsextremen Szene in der Rhein-Neckar-Region
  • Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Sascha Schmidt
  • Bericht vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (Apabiz) zur Einschätzung des "Aktionsbüro Rhein-Neckar"
  • Gespräch mit Philip Jacks, DGB-Regionsgeschäftsführer in Frankfurt
  • Antwort auf eine E-Mail-Anfrage von Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg
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