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Generation Z in der Kritik: "Wo bringt uns das hin?"


Interview mit Susanne Nickel
Generation Z: "Wo bringt uns das hin?"


Aktualisiert am 25.03.2024Lesedauer: 7 Min.
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Generation-Z-Kritikerin Susanne Nickel.Vergrößern des Bildes
Generation-Z-Kritikerin Susanne Nickel. (Quelle: Susanne Nickel)

Eine neue Generation kommt auf den Arbeitsmarkt: die Generation Z. Viele Unternehmer stellt sie vor Herausforderungen.

Die Generation Z steht in der Kritik. Sie sei zu faul, zu anspruchsvoll, zu unverbindlich – vor allem Vertreter älterer Generationen werfen ihr das immer wieder vor. Auch Unternehmen sehen den Nachwuchs kritisch: Schon beim Bewerbungsgespräch fordern sie angeblich Homeoffice, Sabbatical, Workation. Sie zu halten, scheint schwer zu sein.

Susanne Nickel beschäftigt sich seit Jahren mit den jungen Erwachsenen. Sie berät Manager und Unternehmen und gilt als eine der größten Kritikerinnen der umstrittenen Generation Z. Nun hat sie ein Buch über diese veröffentlicht: "Verzogen, verweichlicht, verletzt". Mit t-online spricht Nickel über überhöhte Gehaltsforderungen, die Verantwortung älterer Generationen und die Rolle von Erziehung.

t-online: Frau Nickel, würden Sie einen Gen-Z-ler einstellen?

Susanne Nickel: Unbedingt, es sind ja nicht alle Leute aus der Generation Z problematisch. Es gibt ganz viele junge Menschen, die total fleißig sind und etwas bewirken wollen. Das ist wunderbar. Nichtsdestotrotz gibt es auch besorgniserregende Tendenzen. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das sagen Führungskräfte und Vertreter aller Generationen, mit denen ich die letzten Jahre darüber gesprochen habe.

Welche Tendenzen meinen Sie?

Ich arbeite beispielsweise sehr viel projektbezogen mit Menschen zusammen. Da muss man auch mal zu unkonventionellen Zeiten arbeiten. Und dazu braucht es eben Leute, die Bock haben, was zu tun, die anpacken und bereit sind, auch einmal eine Extrameile zu gehen. Das ist aber nicht immer der Fall. Von solchen Fällen habe ich vermehrt gehört und sie deshalb in meinem Buch aufgegriffen.

Gab es das Phänomen nicht auch schon vor der Generation Z, dass sich eine Generation so sehr in ihren Forderungen und ihrer Arbeitsmoral von den vorherigen Generationen unterscheidet?

Ich denke, dass neue Generationen immer sehr viel Tatendrang haben und etwas verändern wollen. Ich glaube, das ist eine immanente Eigenschaft junger Menschen. Viele von Ihnen sind dynamisch, engagiert, haben gute Ideen und sicher auch viel Idealismus – und das ist auch gut so. Doch es gibt leider auch viele, die für unsere Arbeitswelt in die falsche Richtung laufen.

Sie gelten als Kritikerin der Generation Z. Was ist der Grund dafür?

In meinen Interviews ist mir aufgefallen, dass ganz viele aus der Generation Z Leistungsorientierung ablehnen. Das war in meiner Generation, die zwischen 1980 und 1965 Geborenen, anders. Ich war nach meinem zweiten juristischen Staatsexamen froh, einen Arbeitsvertrag unterzeichnen zu können. Andere Kollegen mussten in München Taxi fahren. Damals konnten sich Arbeitgeber an sehr vielen Menschen auf dem Arbeitsmarkt bedienen. Personal aus der Generation Z hingegen ist Mangelware. Dadurch hat sie eine gewisse Macht und kann diese gegenüber Arbeitgebern ausspielen, wenn sie will.

Zur Person

Susanne Nickel, 1967 geboren, ist Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin und Expertin für Arbeit und Wandel. Im vergangenen Jahr wurde sie mit einem Gastbeitrag im "Handelsblatt" deutschlandweit bekannt. Seitdem gilt sie als eine der größten Kritikerinnen der Generation Z. Am 19. März erschien ihr Buch über die Generation, "Verzogen, verweichlicht, verletzt".

Schwingt in Ihrer Kritik auch ein gewisser Generationenneid mit?

Ich bin überhaupt nicht neidisch, ich gönne jedem Menschen seine Entwicklung. Ich glaube aber, dass wir aufpassen müssen, dass in den Unternehmen kein Neid entsteht. Denn dort müssen so gut wie alle Generationen zusammenarbeiten, natürlich herrscht da Konfliktpotenzial. Viele Babyboomer mussten früher jahrelang auf einen Fernseher sparen, während 16-Jährige heute häufig schon ihr viertes iPhone haben.

Ihr neues Buch heißt "Verzogen, verweichlicht, verletzt". Geht das nicht zu weit, eine ganze Generation unter Pauschalverdacht zu stellen?

Man kann nicht eine ganze Generation über einen Kamm scheren. Trotzdem steckt in diesem Thema offenbar ganz viel Energie, sonst würde es nicht so spalten. Natürlich ist sowohl der Titel als auch die eine oder andere Geschichte im Buch bewusst zugespitzt. Nur so reagieren die Leute aber darauf und eine Debatte kann angestoßen werden. Wo bringt uns das hin, wenn ich sage, dass wir uns alle liebhaben in einer Kuschelrepublik? Am Anfang war ich schon sehr geschockt von den Erzählungen der Unternehmen über die Generation Z. Dennoch habe ich versucht, in die Schuhe der Jungen zu schlüpfen. Wer mich kennt, weiß, dass mir daran gelegen ist, Lösungen zu finden. Deswegen endet das Buch auch mit einem Brief an die Generation Z, wo ich auch sehr versöhnlich werde.

Die Generationen im Überblick

Babyboomer: Geboren 1945/50 bis 1965
Generation X: Geboren 1965 bis 1980
Generation Y/Millennial: Geboren 1980 bis 1995
Generation Z: Geboren 1995 bis 2010
Generation Alpha: Geboren 2010 bis 2025

Anmerkung der Redaktion: Die Jahresangaben können je nach Definition abweichen.

Im Herbst kursierte ein Video in den sozialen Netzwerken, das den Geist vieler Gen-Z-ler, die Sie beschreiben, treffen dürfte: Eine junge Frau weinte und mokierte sich über eine Stellenanzeige für einen ausgeschriebenen Bürojob und die 36.000 Euro Einstiegsgehalt. Die 30 Urlaubstage im Jahr bezeichnete sie als ungenügend und forderte stattdessen von ihren Followern, nicht mehr arbeiten zu gehen. Zu Recht?

Diesen Fall habe ich auch in meinem Buch beschrieben. Ich fand die sehr emotionale Reaktion der jungen Frau total daneben. Meine Generation hätte sich das gar nicht getraut, so ein Video zu drehen. Dass junge Leute Grenzen aufzeigen und sich positionieren, ist gut. Was zählt, sind aber die Fakten: Zum einen arbeiten die Deutschen im internationalen Vergleich insgesamt weniger. 30 Urlaubstage im Jahr sind außerdem überdurchschnittlich hoch, der gesetzlich geregelte Mindesturlaub liegt in Deutschland bei 24 Werktagen. Davon würden Arbeitnehmer aus den USA nur träumen. Und ganz ehrlich: 36.000 Euro im Jahr sind 3.000 Euro im Monat. Ich habe auch nicht mehr verdient, als ich angefangen habe zu arbeiten.

Sind Lehrjahre also einfach keine Herrenjahre?

Diesen Spruch mag ich eigentlich nicht, aber es ist schon etwas dran. Wenn ich gerade erst in einem Unternehmen angefangen habe und auf gut Deutsch noch nichts gewuppt habe, muss ich auch etwas Demut walten lassen und mich anpassen und erst einmal etwas leisten, bevor ich hohe Forderungen stelle. Und wenn ich in einem Land wie Deutschland arbeite und im Wohlstand groß geworden bin, dann werden Dinge oft als selbstverständlich hingenommen. Man muss auch mal durchhalten, um Ziele zu erreichen.

Das klingt, als hätte die Generation Z keine Disziplin.

Die Motivation, die Extrameile zu gehen, wird heute oft als schwierig empfunden. Führungskräfte erzählen mir, dass junge Leute kategorisch Überstunden ablehnen. Oder dass Jobanfänger am ersten Arbeitstag nicht erscheinen, statt während des Bewerbungsverfahrens abzusagen. Oft ist Kritik oder kritisches Feedback direkt ein Anlass, das Unternehmen zu wechseln. Viele Unternehmen, mit denen ich gesprochen habe, verzweifeln im Hinblick auf diese Generation. Die meisten trauen es sich aber nicht auszusprechen, weil diese Generation natürlich die Zukunft ist und Unternehmen sie brauchen.

  • Zum neuen Buch "Verzogen, verweichlicht, verletzt" von Susanne Nickel

Die 18- bis 24-Jährigen sind die armutsgefährdetste Gruppe, viele Gen-Z-ler befinden sich derzeit genau in dieser Altersspanne. Vor diesem Hintergrund erscheint es als nachvollziehbar, dass sich die jungen Menschen nicht leichtfertig mit ihrer Arbeit zufriedengeben.

Natürlich sind die Perspektiven für junge Menschen schwierig. Renten sind beispielsweise unsicher, auch psychische Erkrankungen haben zugenommen. Ich finde es gut, dass junge Menschen das sichtbar machen, in meiner Generation hat man das noch unter den Tisch gekehrt. Für das Bedürfnis nach Sicherheit, auch finanzielle Sicherheit, habe ich volles Verständnis.

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Sie werfen den jungen Leuten Forderungen nach absurd hohen Einstiegsgehältern vor. Genauso gut könnte man Dax-Vorstände kritisieren, die sich trotz schlechter Performance hohe Boni verpassen. Nehmen Sie als Beispiel nur mal das Postbank-Chaos bei der Deutschen Bank oder die Vorstände der Deutschen Bahn.

Da kann man durchaus kritisch draufblicken. Dennoch handelt es sich um eine ganz andere Situation. Es ist ein Unterschied, ob ich ein junger Mensch bin, der gerade erst anfängt zu arbeiten, oder ob ich jemand bin, der schon viele Jahre Erfahrung hat und weitreichende Entscheidungen über einen gesamten Konzern treffen muss. Zudem hat der Aufsichtsrat der Deutschen Bank die Boni bei der Konzerntochter Postbank bei fast allen Vorständen gekürzt, was ich eine gute Maßnahme finde.

Die Viertagewoche haben 50 Unternehmen mittlerweile testweise eingeführt. So abwegig scheint die Idee ja nicht zu sein.

Ich wehre mich dagegen zu sagen, dass die Viertagewoche die Lösung ist. Zumal es auf die Definition ankommt: Reden wir davon, dass wir vier Tage flexibel arbeiten und auch für vier Tage bezahlt werden? Dann handelt es sich schlichtweg um Teilzeit, die gab es schon immer. Oder sprechen wir davon, dass wir vier statt fünf Tage arbeiten, dafür aber bei vollem Gehalt? Zweiteres ist aus zwei Gründen problematisch: Einerseits wäre das eine Gehaltserhöhung von 25 Prozent. Andererseits müsste dann ein Kulturwandel in den Firmen stattfinden, denn Menschen müssten lernen, dann auch effektiver zu arbeiten, um gleich produktiv zu bleiben. In großen Unternehmen braucht es dafür Schätzungen zufolge etwa sieben Jahre.

Menschen aus der Gen Z gelten auch als engagierte, politische Menschen, die etwas verändern wollen – denken Sie nur einmal an die Klimabewegung Fridays for Future. Wie passt das mit Ihrem Bild der Generation zusammen?

Keine Generation ist homogen. Außerdem steht nur ein Bruchteil der Generation Z tatsächlich hinter Fridays for Future oder engagiert sich in der Bewegung.

Die Babyboomer und die späten Generation-X-ler gelten oft als diejenigen, denen die Arbeit über alles ging. Sind diese Generationen nicht daran schuld, dass die Gen Z heute so hohe Ansprüche an ihren Job hat?

Schuld ist der falsche Begriff. Das muss man differenzierter betrachten. Zum einen haben natürlich die jungen Menschen gesehen, wie Mama und Papa sich abgearbeitet haben und fragen sich, warum sie das tun sollten – erst recht, wenn die Rente unsicher ist. Andererseits ist eine Generation immer auch Produkt von Erziehung. Das beschreibt auch das erste Wort im Titel meines Buches: "Verzogen."

Was genau meinen Sie damit?

Einerseits gibt es die überfürsorglichen Eltern, sogenannte Helikoptereltern. Wenn diese ihre Kinder von brenzligen Erfahrungen fernhalten, sind sie es später auch auf dem Arbeitsmarkt gar nicht gewohnt, einmal kritisiert zu werden. Ihnen wurde gesagt, dass sie etwas ganz Besonderes sind, und kritisches Feedback zu erhalten passt nicht zu ihrem Selbstbild. Das andere Extrem sind die sogenannten Tigereltern. Das sind die, die ihren Kindern quasi den Wochenplan eines Topmanagers bescheren, mit zweisprachigem Kindergarten, Tennisunterricht, Klavierstunden. Auch diese Erziehung hat Auswirkungen: Wird ein Kind zu Leistung gedrillt und kann aber aufgrund seines jungen Alters noch nicht wirklich Kontra geben, dann kann es sein, dass es aus dieser Situation flüchtet und beispielsweise blaumacht. Und wer früher vor dem Leistungsdruck der Eltern fliehen musste, der flieht häufig genauso im Job, indem man "ghostet" oder beim ersten schlechten Feedback hinschmeißt. Diese gelernten Bewältigungsstrategien werden im Erwachsenenalter auch wieder angewendet, was fatal für Unternehmen ist.

Frau Nickel, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Susanne Nickel via Videokonferenz
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