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Wie Fahnder Jagd machen auf den russischen Oligarchen-Schatz am Tegernsee


Russischer Oligarch
Auf der Jagd nach dem Schatz am Tegernsee


Aktualisiert am 27.04.2022Lesedauer: 6 Min.
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Reinhard Heydrich (links) und Heinrich Himmler (rechts) besichtigen mit Bauherr und SS-General Karl Wolff (Mitte) die Villa am Tegernsee während ihres Baus (Archivbilder): Heute gehört das Gebäude dem russischen Oligarchen Alisher Usmanow.Vergrößern des Bildes
Reinhard Heydrich (links) und Heinrich Himmler (rechts) besichtigen mit Bauherr und SS-General Karl Wolff (Mitte) die Villa am Tegernsee während ihres Baus (Archivbilder): Heute gehört das Gebäude dem russischen Oligarchen Alisher Usmanow. (Quelle: Klaus Wiendl (Reproduktion/ Fotografie))

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind Vertraute von Präsident Wladimir Putin im Visier der Behörden, auch in Bayern. Mithilfe der EU-Sanktionsliste hoffen Fahnder nun auf einen Schlag gegen zwei Oligarchen am Tegernsee.

Am Südufer des Tegernsees steht eine Villa, die heute einem Geächteten gehört: dem russischen Oligarchen Alischer Usmanow, einem Unterstützer Wladimir Putins. Usmanow könnte seine Villa bald verlieren. Doch die unrühmliche Geschichte des Gebäudes beginnt nicht erst mit dem Ukraine-Krieg. Sie reicht zurück bis ins Dritte Reich.

1936 war es, als der damals hohe Besuch aus Berlin am Tegernsee zu Gast war. In der stattlichen Villa am sogenannten "Schorn" war SS-General Karl Wolff Bauherr, die Namen seiner Gäste stehen heute für Gräuel: Es sind SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich und Reichsführer der SS, Heinrich Himmler. Der kam in zivil, dafür mit Trachtenhut. Fotos der Rohbaubegehung sind Zeugnis einer wechselvollen Geschichte des mächtigen Landhauses.

Oligarchen-Villa am Tegernsee: Von SS-General erbaut

Nach Kriegsende übernahm am 8. Mai 1945 der US-Befehlshaber für das Tegernseer Tal die Villa. Wolff landete im Nürnberger Kriegsverbrecher-Gefängnis. Verurteilt wurde er jedoch erst 1964 in München zu 15 Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Juden.

Nach der US-Armee wurde aus der Villa ein Ferienheim. Bis sie schließlich 2011 vom Oligarchen Alischer Usmanow über seine Strohmänner und eine Briefkastenfirma "Tegernsee (IOM) Limited" für 7,8 Millionen Euro erstanden wurde. Weitere drei Immobilien im Wert von insgesamt 13,5 Millionen Euro folgten.

Alischer Usmanow bezahlte Millionen für Villen am Tegernsee

Mindestens die gleiche Summe blätterte Usmanow nochmals für Um- und Neubauten der Villen hin, wie aus Kreisen der beteiligten Firmen zu erfahren war. Die Masche war immer dieselbe: Die Villen wurden durch ein Netz von Briefkasten- und Offshore-Firmen erstanden und geschickt verschleiert.

Doch ein Kaufvertrag, der t-online vorliegt, könnte dem 68-Jährigen seine Zweitwohnsitze am Tegernsee vermiesen. Denn dieser enthält einen Passus, der es der vom Bundeskriminalamt (BKA) gegründeten "Task Force Ermittlungsgruppe Ukraine" ermöglichen könnte, die Rottacher Villen des Oligarchen zu konfiszieren.

Dazu müssen die Ermittler ihm nachweisen können, dass der unter Sanktionen stehende Oligarch der "wirtschaftlich Berechtigte" dieser Immobilien im Notarvertrag ist. Und das könnten sie in diesem konkreten Fall, wie die Beamten bestätigen.

Kaufverträge dürften Beziehungen von Alischer Usmanow beweisen

Denn laut Gestattungsvertrag müsse sich der Käufer verpflichten, eine natürliche Person als Inhaber zu benennen, die auch wirtschaftlich Berechtigter des Kaufvertrages ist. Benannt wird "Alischer Usmanow, Sivtsev Vrazhek Street, Flat 15, Moskau, und als weitere Adresse Fischerstr. 12, Rottach-Egern."

Ins Visier von Fahndern war Usmanow mit seinem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Euro geraten, als er kurz nach Putins Überfall auf die Ukraine auf der EU-Sanktionsliste landete. Auf ihr wird der geborene Usbeke, versehen auch mit einem russischen Pass, als Nummer 673 geführt, ausgewiesen als "kremlfreundlicher Oligarch, der besonders enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Vladimir Putin unterhält."

Als "besonders favorisierter Oligarch" sei er mit "der Verwaltung von Finanzströmen betraut" worden. Und Dimitri Medwedew, Ex-Präsident und Putins Büchsenspanner, "hat persönlich luxuriöse Anwesen nutzen können, die unter der Kontrolle von Alischer Usmanow stehen", so die öffentliche EU-Ausschreibung.

Putin-Freund am Tegernsee unter Druck

Nachdem seine Geschäfte nach Putins Kriegsbeginn ruchbar wurden, hatte er es in Rottach-Egern sehr eilig. Zumal unweit seines Landsitzes Demonstranten aufmarschierten und "Stoppt Putin" forderten. Dessen Vertrauter Usmanow machte sich dann am 28. Februar eiligst aus dem Staub. Er habe "gleich die Koffer gepackt" und sei mit seiner Entourage "weg" gewesen, erzählen Nachbarn.

Eine heiße Spur für Steuerfahnder könnte auch der Notarvertrag für eine Doppelhaushälfte in unmittelbarer Nähe seiner Villa sein. Sie wurde für eine "Lakeview Property Holding Limited" im Steuerparadies Isle of Man erworben und im August 2018 für zwei Millionen Euro auf die bekannte "Tegernsee (IOM) Limited" notariell überschieben: sozusagen von der linken in die rechte Tasche.

Für Ermittler ist dies ein Indiz dafür, dass Geldflüsse auf verschiedene Konten der drei ausgewiesenen Offshore-Firmen für die Tegernseer Immobilien verschleiert werden sollten. Manche sprechen auch von Geldwäsche.

Lieferungen aus München für Villen am Tegernsee

In der Doppelhaushälfte war ein Teil von Usmanows Bodygards untergebracht. Der Rest des bis zu 30-köpfigen Trosses bezog unweit davon Quartier, in einer gemieteten Eigentumswohnung. In deren Tiefgarage wurden auch zwei Luxuskarossen Usmanows aufgespürt.

Wenn auch die ständig ein- und ausgehenden Wachleute für so manchen Nachbarn ein Problem darstellten, so erzählen einige Anlieger nur Gutes über den Putin-Vertrauten Usmanow. "Er war sehr zurückhaltend und hat nicht gestört. Was geliefert wurde, kam immer aus München."

Nie aber habe man Usmanow in Begleitung seiner Familie gesehen, ob im Sommer oder Winter, trotz "Weihnachtsbeleuchtung". Begleiten ließ sich der "Dicke", wie Nachbarn ihn nennen, bei seinen Spaziergängen am Seeufer dafür mit bis zu fünf Leibwächtern.

Alischer Usmanow ist nicht der einzige Oligarch in Bayern

Insgesamt sind BKA-Fahnder bei ihrer Datenauswertung zu Usmanow allein in Deutschland auf 36 Offshore-Firmen und 90 Geldwäscheverdachtsmeldungen gestoßen, wie nun Medien melden. Nach Erkenntnissen von Ermittlern soll Usmanows Trust etwa fünf Ebenen haben und erst in der untersten würde man auf seinen Namen stoßen. Vorher tauche ein riesiges Geflecht von Strohmännern aus seinem Umfeld auf. Was die Jagd auf Oligarchen wie Usmanow erheblich erschwert.

Beschwerlich dürfte nach den Sanktionen nun auch das Reisen für Usmanow werden. Seine 600-Millionen-Luxusyacht "Dilbar" wurde in Hamburg vom BKA an die Kette gelegt, nachdem ihm die Task Force Tricksereien nachweisen konnte. Vergeblich hatte Usmanow noch versucht, die Yacht frühzeitig einer seiner beiden Schwestern zu überschreiben.

Doch beide, Gulbahor Ismailova und Saodat Narzieva, landeten jetzt auch auf der EU-Sanktionsliste. So konnte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage vermelden: "Die Dilbar wurde rechtssicher festgesetzt und damit dauerhaft an einem sanktionswidrigen Auslaufen gehindert."

Kritik an der Taktik Deutschlands, gegen Oligarchen vorzugehen

Und in der Luft muss der Unternehmer und Medienmogul, der seine Verlage auf Putin-Kurs trimmt, auf seinen Airbus 340-313 verzichten. Mit ihm gelang Usmanow am 28.Februar noch die Flucht aus München ins usbekische Taschkent. Seinem Großraum-Jet mit der Kennung M-IABU (IABU steht für "I Am Alisher Burkhanovich Usmanov") wurde inzwischen auch die Registrierung von Isle of Man entzogen, wie der Chef der Zivilluftfahrtbehörde der Insel dem Onlineportal "Aerotelegraph" bestätigt.

Doch insgesamt sei die EU-Sanktionsliste in Deutschland ein stumpfes Schwert, wie Ermittler hinter vorgehaltener Hand äußern. Kritik übt auch der örtliche Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan (CSU). Die Taskforce sei zwar "ein schöner Anfang", doch im "Durchgriff ist sie viel zu langsam".

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Zu viel Zeit gehe verloren. "Wenn wir aber jetzt das Vermögen einfrieren könnten, hätte man genug Zeit, eine Rechtsgrundlage fürs Einziehen zu schaffen. Dann könnten die Sanktionierten nicht an ihr Vermögen kommen", sagt Radwan.

Sanktionen gegen russische Oligarchen verfolgen ein Ziel

Von offizieller Seite heißt es dagegen, dass die EU-Sanktionen eine "wirtschaftliche Verwertung der Besitztümer verbieten", wie ein Sprecher des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage erklärt. "Mit dem Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen soll die wirtschaftliche Verwertung verhindert werden." Vor diesem Hintergrund dürfe eine gelistete Person kein Grundstück mehr veräußern, ein Notar eine solche Transaktion nicht beurkunden und ein Gericht "keine entsprechenden Änderungen im Grundbuch vornehmen."

Sollte Usmanow allerdings gegen die Sanktionen verstoßen, könne man das Haus beschlagnahmen. Dann dürfte er auch nicht mehr darin wohnen. Doch in jedem Fall bliebe er Eigentümer. Anders wäre es, wenn der Putin-Vertraute und Milliardär gegen das Strafrecht verstoßen hätte, erklärt Matthias Enzler von der Staatsanwaltschaft München.

Die einzige Möglichkeit bei Straftaten wie beispielsweise Geldwäsche wäre die Vermögensabschöpfung. "Wenn man hier bei Herrn Usmanow einen konkreten Straftatverdacht im Zusammenhang mit den Immobilien hätte, dann könnten im Rahmen eines Verfahrens die Vermögenswerte eingezogen werden."

Auch Ivan Shabalov residierte am Tegernsee

Zurück an den Tegernsee. Denn in der gleichnamigen Kommune hat noch ein anderer Oligarch seine Villen: Ivan Pavlovich Shabalov, wie Usmanow in Usbekistan geboren, ist ein russischer Röhren-Magnat, der Gazprom die gewünschten Pipelines auch für das inzwischen gestoppte Nord-Stream-2-Projekt zwischen Russland und Deutschland in der Ostsee lieferte.

Sein Auftraggeber war Gazprom-Chef Alexej Miller, der auf der Sanktionsliste steht. Shabalov, geboren 1959, erwarb seine herrschaftliche Villa im Luxburgweg 2007 über seine Luxburg GmbH mit dem damaligen Sitz in München. Für die 8.005 Quadratmeter zahlte er 6,35 Millionen Euro.

2014 wurde die Villa auf eine Luxburg GbR in Gelsenkirchen überschrieben, die ihm und seiner Frau Liudmila Gai gehört. Beide geben als Wohnsitz Lugano in der Schweiz an. Seit Mai 2019 ist Shabalovs Tochter Anna Shabalova Eigentümerin.

Zwei weitere Immobilien im Visier der Fahnder

Die zweite Immobile, diesmal in der Tegernseer Pfitznerstraße, mit 1.200 Quadratmetern Grund, erwarb Shabalov ebenfalls 2007, diesmal für nur 700.000 Euro, aber für eine Luxburg GmbH in Gelsenkirchen. Im Dezember 2019 wurde diese Immobilie an Sohn Pavel mit Wohnsitz Moskau aber für 2,76 Millionen Euro weitergereicht.

Der Kaufpreis ging laut Vertrag je zur Hälfte auf zwei getrennte Konten des Paares Shabalov und Gai bei der russischen Sberbank, die inzwischen auch auf der Sanktionsliste steht. Als Wohnsitz aber geben die Shabalovs die Via Giuseppe Mazzini in Lugano im Tessin an, wenngleich beide auch noch zypriotische Pässe besitzen sollen.

Diese gekauften "goldenen Pässe" seien ganz typisch für Geldwäsche, urteilen Fahnder der Task Force. Sie entdeckten auch Shabalovs Jacht "Soaring", die unter der Flagge Zyperns fährt. Er soll sie 2020 für 120 Millionen Dollar gekauft haben.

Politiker richtet sich an Annalena Baerbock und wartet

Wieso Shabalov noch nicht auf der Sanktionsliste seht, wundert CSU-Politiker Radwan. "Er [Shabalov, Anm. der Red.] hätte wohl ebenfalls Immobilien in Oberbayern erworben und in der Vergangenheit zumindest mit anderen Sanktionierten in Kontakt gestanden", schrieb Radwan Ende März an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Und fragt weiter: "Schafft die Bundesregierung momentan etwaige Rechtsgrundlagen, um Vermögen nicht nur einfrieren, sondern auch einziehen zu können? Wenn ja, wie? Wenn nein, wieso nicht?" Eine Antwort hat Radwan bis heute nicht erreicht.

Verwendete Quellen
  • Auskünfte des Bundeskriminalamts
  • Auskünfte der Staatsanwaltschaft München
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