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Nürnberg: Interview mit SPD-Chef Nasser Ahmed: "Von der Ochsentour wegkommen"


Neuer SPD-Chef
Nasser Ahmed: "Wir müssen von der Ochsentour wegkommen"

InterviewVon Michael Bächle

19.04.2021Lesedauer: 5 Min.
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Nasser Ahmed: Der 32-Jährige ist neuer Vorsitzender der Nürnberger SPD.Vergrößern des Bildes
Nasser Ahmed: Der 32-Jährige ist neuer Vorsitzender der Nürnberger SPD. (Quelle: Daniel Karmann/dpa)

Nasser Ahmed (32) ist seit Kurzem neuer Vorsitzender der SPD Nürnberg. Im Interview mit t-online spricht er über TikTok, sportliche Erfolge – und erklärt, was ihn an den Grünen stört.

Die Nürnberger SPD hat seit dem 10. April ein neues Gesicht an ihrer Spitze: Nasser Ahmed will als Sohn eines Geflüchteten, Fußballfan und "Kind der Südstadt" neue Impulse setzen.

Herr Ahmed, im Februar verbrachten Sie eine Nacht im Schlafsack im Nürnberger Klimacamp am Sebalder Platz. Wählt von den Aktivistinnen und Aktivisten dort eigentlich jemand SPD?

Ja, tatsächlich. Der ein oder andere ist da SPD-nah. Aber sie wünschen sich, dass die SPD-Spitze dieses Thema ernster nimmt. Deshalb war ich dort.

Muss die SPD grüner und jünger werden? Ihr deutlicher Sieg bei der Wahl zum neuen Vorsitzenden deutet ja ein wenig darauf hin, dass es zumindest in Nürnberg einige so sehen.

Mein Ziel ist nicht, dass wir uns einer anderen Partei annähern. Wir brauchen einen sozialdemokratischen Weg, Klimapolitik zu machen. Wir brauchen dabei drastische Maßnahmen, zum Beispiel im Verkehr. Mehr Platz fürs Fahrrad, für den ÖPNV, für die Fußgänger – und weg vom Auto. Aber das Wichtigste ist, sozialen Ausgleich zu schaffen. Niemand darf abgehängt werden, wir müssen alle mitnehmen. An der Rhetorik vieler Aktivisten gefällt mir nicht, dass sie Dinge gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen wollen. Wir müssen viel eher dafür werben und Dialog schaffen.

Sie selbst haben sich nach Ihrer Wahl zum neuen Vorsitzenden für eine stärkere Abgrenzung zu Union und Grünen ausgesprochen. Sie sind aber auch jemand, der innerhalb Ihrer Partei für grüne Themen steht. Wo soll die Grenze verlaufen?

Die Grenze verläuft an dem Punkt, an dem wir sagen: Wir wollen Beteiligung.

Die Grünen achten darauf also zu wenig?

Auf jeden Fall. Das ist es, was mich sehr häufig stört. Man hat den Eindruck, da werden Verbote gemacht und etwas aufgestülpt. Mein Vorwurf ist, dass die Grünen vor allem bestimmte bürgerliche Schichten und reiche Menschen abholen, die sich Klimaschutz leisten können. Wir als SPD wollen eine Verkehrswende, die alle mitnimmt und keine Klimapolitik mit erhobenem Zeigefinger.

Wir schimpfen nicht auf die Dieselfahrer, die es sich nicht leisten können, sich ein E-Auto zu kaufen. Wir schimpfen nicht auf die, die nie in den Urlaub fliegen, aber dafür Fleisch essen. Da sind so ein paar Dinge in der Diskussion schief, auch bei den Grünen.

Sie stehen für einen Neuanfang in der Partei. Wenn der nötig ist, kann es zuletzt ja nicht gut gelaufen sein. Wo verorten Sie die Probleme der Nürnberger SPD?

Entscheidend ist die Abgrenzung der SPD in der Großen Koalition. Wir müssen gegenüber der CSU klar und deutlich zeigen, wo die Linien verlaufen. Es muss für jeden Menschen klar sein, wofür die SPD genau steht. In manchen entscheidenden Fragen war nicht genug Abgrenzung vorhanden.

Und zwar?

Beispielsweise in der Verkehrswende werden wir uns mit mir als Vorsitzendem stärker abgrenzen. Der preiswerte ÖPNV ist ein Thema, bei dem wir uns in Zukunft viel stärker positionieren werden.

Sie haben angekündigt, die Partei nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell neu aufstellen zu wollen.

Wir sind die mitgliederstärkste Partei in Nürnberg, wir haben ein großes Netz an Ortsvereinen. Verglichen dazu ist in manchen Stadtteilen unser Impact zu gering. Da müssen sich unsere Ortsvereine teilweise ein bisschen verändern. Noch viel wichtiger ist aber, dass wir digital nicht so stark aufgestellt sind. Das heißt für mich: Die SPD Nürnberg muss auch in der digitalen Welt mehr Präsenz zeigen.

Digitaler werden will jeder. Wie soll es der Nürnberger SPD gelingen?

Letztlich müssen wir das Rad nicht neu erfinden, sondern unsere Veranstaltungen besser in den sozialen Medien vermarkten. Die Pandemie hat uns auch eine Chance aufgezeigt. Wenn wir die Veranstaltungen als Stream anbieten, erreichen wir zehn- bis fünfzehnmal so viele Menschen wie zuvor – auch Menschen, die sonst nie in ein SPD-Haus kommen würden. Daraus haben wir gelernt. Wir werden alle unsere großen Veranstaltungen öffnen und online stellen. Social Media ist kein Selbstzweck, sondern ein neuer öffentlicher Raum. Die SPD muss dort sichtbar sein.

In Ihrer Rede auf der Jahreshauptversammlung haben Sie auch die Herkunft Ihrer Eltern, die vor dem Krieg in Eritrea nach Deutschland flüchteten, zum Thema gemacht.

Mein Vater ist mit 14 ohne seine Eltern aus Eritrea weggegangen, um sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Erst hat er in Ägypten gelebt, dann hat er sich über Italien nach Deutschland durchgeschlagen. Deutschland war sein Sehnsuchtsort, weil er wusste, dass es ein Land ist, in dem man eine faire Chance bekommt. Alles, was Deutschland zu seinem Sehnsuchtsort gemacht hat, wurde erkämpft von der SPD. Es ist das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen, von dem ich auch selbst profitiert habe.

Legen wir das Politische für einen Moment beiseite: Was ist Nürnbergs neuer SPD-Chef für ein Typ?

Ich bin ein Kind der Südstadt, bin Club-Fan und Mitglied beim FCN – also nicht nur als SPDler leidgeprüft (lacht). Ich habe lange selbst Fußball gespielt und war Schiedsrichter bis zur Bezirksliga. Jetzt kicke ich nur noch in der Stadtratsmannschaft. Wir sind 2019 deutscher Meister geworden und ich habe als Stürmer das ein oder andere entscheidende Tor geschossen. Das war mein größter sportlicher Erfolg (lacht).

Ihr Vorgänger Thorsten Brehm sagte letztes Jahr im Interview mit t-online, dass er für einen Generationenwechsel steht. Jetzt geht die Nürnberger SPD mit Ihnen diesen Weg weiter. Wo muss sozialdemokratische Politik ansetzen, um junge Menschen zu erreichen?

Wir müssen einfach dahin gehen, wo junge Menschen sind. Das ist bei TikTok, bei Instagram, in den Sportvereinen, im öffentlichen Raum.

Wird es also bald einen TikTok-Channel der SPD Nürnberg geben?

Jetzt darf ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen (lacht). Aber es gibt starke Kräfte, die an mir zerren, dass wir es endlich tun.

Sie sind jemand, der politisch ja auch über den Rand Nürnbergs hinausschaut. In der Bundespolitik gibt es kaum Menschen Ihrer Generation. Stört Sie das?

Die Bundes-SPD könnte sich jedenfalls eine Scheibe abschneiden von der Nürnberger SPD. Wir haben immer wieder mutige Verjüngungsprozesse geschafft. Ich werbe dafür, dass wir von der Ochsentour wegkommen. Also dass man jahrzehntelang gedient haben muss, um seine Ideen rüberzubringen. Wir müssen offener werden für neue Impulse. Wir in Nürnberg haben immer auch Quereinsteiger auf Stadtratslisten mit dabei. Das würde ich mir auch auf Bundesebene viel mehr wünschen.

Wäre das denn langfristig etwas für Sie, Landes- oder Bundespolitik?

Ich blicke erst mal nur auf die nächsten paar Monate, um das alles auf die Gleise zu bekommen. Darauf fokussiere ich mich. Der nächste Schritt ist, die SPD in Nürnberg auf Vordermann zu bringen.

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Aber sind Sie grundsätzlich der Typ, der auch größer denkt?

Der Typ bin ich, ja. Mein Ansatz ist auch, die großen Themen wie den Klimawandel oder den Kampf gegen Armut auch vor Ort zu übersetzen. Aber dafür muss man nicht Abgeordneter werden. Jetzt schauen wir weiter und dann können wir gerne zu einem späteren Zeitpunkt noch darüber reden.

Dann spätestens 2026, wenn Sie Marcus König im OB-Wahlkampf herausfordern?

Die SPD auf jeden Fall. Wer dann der bestgeeignete Kandidat oder die bestgeeignete Kandidatin ist, wird die Partei entscheiden. Das sind aber noch fünf Jahre, es ist noch ein langer Weg. Über die Personalfragen reden wir 2025.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Nasser Ahmed
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