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Freiburgs Christian Günter vor WM-Saison: "Belastungen in dem Ausmaß nicht erlebt"


Christian Günter
DFB-Star über Belastung: "Wird die härteste Saison meines Lebens"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 05.08.2022Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Christian Günter: Der Freiburger gilt als heißer Kandidat für den deutschen WM-Kader. (Quelle: IMAGO/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel)

Seit 16 Jahren spielt Christian Günter in Freiburg. Länger ist in der Bundesliga nur DFB-Kollege Thomas Müller bei seinem Klub. Doch Günter schweben ganz andere Rekorde vor.

t-online: Herr Günter, was fällt Ihnen zur Zahl 299 ein?

Christian Günter: 299?

Genau.

Keine Ahnung. (lacht)

So viele Ligaspiele haben Sie seit ihrem Debüt 2012 für Freiburg absolviert – die erste Saison ausgenommen waren Sie bei fast 96 Prozent der Partien dabei. Wie schaffen Sie es, seit einem Jahrzehnt quasi immer auf dem Platz zu stehen?

Das ist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Ich bringe meine Leistung und genieße das Vertrauen des Trainers. Zugute kommt mir, dass ich körperlich relativ robust bin. Etwas Glück ist sicher auch dabei. Darüber hinaus lebe ich sehr professionell, mache viel für meinen Körper – ob im Hinblick auf Kraft- und Mobilitätstraining, Regeneration oder Ernährung. Ab und zu gönne ich mir aber auch mal etwas – zum Beispiel ein Glas Wein oder gutes Essen. (lacht)

Apropos Essen – bestellen Sie im Restaurant immer das Gleiche oder testen Sie auch mal etwas Unbekanntes?

Ich teste immer wieder etwas Neues und bin schon facettenreich unterwegs – auch, wenn wir zu Hause kochen. Da mag ich schon Veränderung ...

… ganz anders als in Ihrer Karriere als Profifußballer: Seit nunmehr 16 Jahren spielen Sie in Freiburg. Warum sind Sie dem SC so treu?

Ich bin hier einfach zu Hause, habe meine Familie, mein Umfeld. Das ist mir sehr wichtig. Der Verein ist meine Heimat. Natürlich habe ich mir schon oft die Frage gestellt, ob ich mich woanders sportlich besser weiterentwickeln kann – die Antwort ist aber Jahr für Jahr zugunsten des SC ausgefallen.

Gab es Angebote anderer Klubs, bei denen Sie ins Grübeln gekommen sind?

Ja, da gab es schon das eine oder andere Angebot, das mich ins Grübeln gebracht hat. Aber am Ende habe ich nach reiflicher Abwägung immer entschieden: Ich brauche das jetzt nicht. Deshalb stand ein Wechsel für mich schlussendlich nie zur Debatte.

Welche Rolle hat dabei Trainer Christian Streich gespielt?

Er hat eine große Rolle gespielt, ist beim Wechsel in die A-Jugend mein Trainer geworden. Weil ich zuvor nicht viel gespielt hatte, hatte ich Zweifel daran, ob der Fußball den ganzen Aufwand noch Wert ist. Ich war in der Ausbildung zum Industriemechaniker, bin meistens um 5.30 Uhr aufgestanden, dann ging es zur Arbeit. Um 16.30 Uhr haben mich meine Eltern abgeholt und eine Stunde nach Freiburg zum Training gefahren. Zu Hause war ich oft erst gegen 23 Uhr. Wenn man dann nur auf der Bank sitzt, überlegt man schon, ob sich das alles lohnt. Aber nach einem super Gespräch mit Christian Streich hatte ich das Gefühl, dass die Karten neu gemischt werden. Und was soll ich sagen: Das Jahr lief perfekt – ich bin Stammspieler geworden und wir haben den Pokal geholt.

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Was hat Streich damals genau gesagt?

Es ging darum, dass er gesehen hat, was ich alles investiere und dass ich Widerstände durchbrechen kann. Außerdem hat er mir versichert, dass ich eine faire Chance habe.

Wären Sie schon weg, wenn Streich nie SC-Trainer geworden wäre?

Das ist schwierig zu beantworten. Aber für mich war es schon immer gut zu wissen, was er auf und neben dem Platz erwartet. Er ist ein herausragender Trainer ist, der Spieler besser machen kann.

16 Jahre bei einem Klub sind eine lange Zeit. Hatten Sie diesbezüglich eigentlich Vorbilder?

Steven Gerrard hat mir damals imponiert, mit seiner Spielweise, seiner Coolness. Er hat mich beeindruckt – im Lauf der Zeit auch immer mehr wegen seiner Vereinstreue. Das ist heutzutage nicht alltäglich. Gerrard hatte im Laufe seiner Karriere sehr viele Angebote, aber dass er trotzdem in Liverpool geblieben ist, fand ich extrem beeindruckend.

Gerrard war 26 Jahre beim FC Liverpool. Schaffen sie das beim SC auch?

Unrealistisch ist das sicher nicht. Dann müsste ich allerdings bis mindestens 39 spielen.

Können Sie sich denn überhaupt vorstellen, der Gerrard des SC Freiburg zu werden?

Natürlich kann ich mir das vorstellen, aber die Frage ist eher, wie lange es der Körper mitmacht und wie lange man auf dem Niveau spielen kann.

Kommen wir zur aktuellen Saison: Vincenzo Grifo, mit dem Sie zuletzt die wohl beste linke Seite der Bundesliga gebildet haben, hat seinen Vertrag gerade langfristig verlängert. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Ein bisschen Vertrag habe ich noch (lacht) und letztes Jahr erst verlängert.

Wie lange?

Das sage ich nicht. (grinst)

Aber doch bestimmt länger als bis zum nächsten Sommer?

Das auf jeden Fall.

Freiburg war mit Platz sechs und dem Erreichen des DFB-Pokalfinales eine der großen Überraschungen 2021/22. Woanders würde das Team mit hoher Wahrscheinlichkeit auseinanderfallen. Doch der SC hat mit Nico Schlotterbeck nur einen Stammspieler verloren und als Ersatz Matthias Ginter zurückgeholt. Wie macht der Verein das?

Das Umfeld in Freiburg ist relativ ruhig. Auch wenn wir mal nicht so gut spielen, gibt es nicht direkt Theater und die Fans pfeifen uns aus. Medial genauso. Außerdem kennen sich Klubmitarbeiter, Trainerteam und Mannschaft größtenteils schon sehr lange – und wir verstehen uns einfach alle gut. Es sind Jungs mit einem ganz tollen Charakter. Und viele wissen mit zunehmendem Alter, wie viel so etwas wert ist.

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Sie sprachen das Umfeld an. Haben Sie nach einer Niederlage einmal Sitzblockaden vor dem Bus erlebt, wie sie bei anderen Klubs alltäglich sind?

Nein, noch nie. Selbst nach dem Abstieg 2015 waren bei uns 100 bis 200 Fans am Stadion, haben uns aufgemuntert und Mut gemacht. Das ist schon etwas ganz Spezielles. Die Leute in Freiburg haben ein feines Gespür – besonders wenn wir alles geben und unser Herz auf dem Platz lassen. Dann kann man auch mal verlieren.

Nimmt man Fußball in der Universitätsstadt Freiburg, der eine hohe Lebensqualität nachgesagt wird, nicht so extrem ernst wie anderswo?

Die Freiburger sind schon extrem fußballbegeistert. Dazu braucht man sich nicht nur die Bilder vom Pokalfinale gegen Leipzig anzuschauen. Es geht eher um die richtige Einschätzung des Ganzen – nicht zu übertreiben, komplett persönlich zu werden oder gar Spieler zu bedrohen. Das kommt für unsere Fans nicht infrage.

Wie lauten die Ziele für die neue Saison?

Die Teilnahme an der Europa League macht es schwieriger als sonst, ein klares Ziel zu formulieren. Wenn wir im europäischen Wettbewerb überwintern, wäre das sensationell. Einen konkreten Tabellenplatz zu nennen, ist dennoch extrem schwierig, weil es ab September bis zur WM in Katar knallhart wird. So viele englische Wochen am Stück gab es nicht einmal 2020 nach der Corona-Unterbrechung und der EM 2021. Es ist extrem schwierig einzuschätzen, wie wir diese Belastung wegstecken. Daher geht es darum, in der Bundesliga so früh wie möglich viele Punkte zu sammeln, um ein Polster zu haben.

Aber mal ehrlich: Wären Sie nicht etwas enttäuscht, wenn beispielsweise Platz zehn wie 2020/21 herausspringen würde?

Man muss den Saisonverlauf abwarten. Es ist extrem schwierig, zu prognostizieren, wo wir im Winter stehen – weil ich die Belastungen in dem Ausmaß selbst noch nicht erlebt habe.

Wird das die härteste Saison Ihrer Karriere?

Das wird mit Sicherheit die härteste Saison meiner Karriere. Denn in dem Ausmaß war es selbst damals, als wir in der Europa League gespielt haben, nicht. Da war alles nicht so komprimiert und am Stück.

Eine Rolle könnte dabei die WM spielen. Wann hat Bundestrainer Hansi Flick zuletzt angerufen und wie sehen Sie Ihre Chancen, in Katar dabei zu sein?

Hansi hat mich vor den Nations-League-Spielen im Juni angerufen und erklärt, warum ich nicht dabei bin (bei den vorherigen beiden Länderspielperioden im März und November war Günter dabei, Anm. d. Red.). Ihm geht es darum, dass ich im Verein Leistung bringe. Und daran werde ich alles setzten. Mehr kann ich nicht machen.

Was ist der größte Unterschied zwischen dem heimeligen Freiburg und der Nationalmannschaft?

Es gibt gar nicht so viele Unterschiede, was mich bei meinem Debüt 2014, ehrlich gesagt, selbst überrascht hat. Die Jungs sind supernett, auch außerhalb des Platzes. Natürlich ist das Trainingsniveau ein anderes, denn es sind Weltstars dabei. Und die öffentliche Aufmerksamkeit ist selbstverständlich deutlich größer. Aber was das Teamgefüge angeht, kann ich nur Positives sagen. Ehrlich gesagt kann ich viele Parallelen zu uns in Freiburg erkennen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Christian Günter in Schruns
  • swr.de: "Traumduo für Freiburg: Günter-Grifo will noch besser werden"
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