Nach Auftakt-Enttäuschung Eine Schwachstelle wird dem FC Bayern zum Verhängnis
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auch zum Bundesliga-Start bekommt der FC Bayern eine Schwachstelle nicht in den Griff und verspielt deshalb den Sieg gegen Hertha BSC. Eine Analyse.
Es war selbst für Münchner Verhältnisse ein aufregender Abend, während und nach dem 2:2 zum Bundesliga-Auftakt gegen Hertha BSC. 22.40 Uhr in der Allianz Arena: Uli Hoeneß schritt nachdenklich durch die Katakomben in Richtung Kabine des FC Bayern. 22.41 Uhr: Leader Joshua Kimmich kam ebenso nachdenklich aus beschriebener Kabine des Rekordmeisters und sagte – nichts. Obwohl Kimmich eigentlich nach jedem Spiel was zu sagen hat.
FC Bayern lässt gegen Hertha zwei Punkte liegen
Währenddessen und kurz darauf bestätigten Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, was den Tag über durchgesickert war: Philippe Coutinho, (Noch-) Offensivstar des FC Barcelona, wird ein Münchner. Zumindest als Leihspieler, berichtete Rummenigge.
Und weil die Erleichterung nach der Leihe von Angreifer Ivan Perisic unter der Woche und der Gewissheit über den Coutinho-Deal offenbar so groß war, verkündete Salihamidzic, dass auch der 20-jährige Franzose Michael Cuisance (Gladbach) „ein Spieler des FC Bayern wird“. Diese Nachrichten überlagerten das weniger Erfreuliche: Der Meister hatte bei seiner Mission Titelverteidigung zwei Punkte liegen gelassen. Und das gleich zum Start.
Bayern kommen Marko Grujic nicht hinterher
Weil den Bayern eine Schwachstelle zum Verhängnis wurde, die sie seit Wochen nicht beheben können: Mängel im Umschaltspiel nach Ballverlust. Anders formuliert: eine behäbige Rückzugsbewegung. Im Audi Cup resultierten beide Gegentore in der regulären Spielzeit gegen Tottenham Hotspur aus diesem Makel.
Auch beide Gegentreffer im Supercup (0:2) beim BVB fielen unter diese Kategorie. Diesmal ließen sich die Bayern beim 1:2 durch Berlins Liverpooler Leihspieler Marko Grujic (39. Minute) auskontern, weil keiner dem Serben hinterherkam und keiner den - zugegeben herrlichen – Chipp-Ball von Vedad Ibisevic zuvor unterbinden konnte.
FC Bayern: Thomas Müller hadert
„Das Spiel ist schwer zu greifen. Wenn man so auftritt, von der Dominanz her, gewinnt man wahrscheinlich neun von zehn Spiele gegen die Hertha“, meinte Thomas Müller nach der Partie in der Mixed Zone: „Heute war das eine Spiel. Es ist so viel zusammengekommen, dass wir 2:2 spielen, ohne, dass wir uns viele Vorwürfe machen müssen.“ Was so nicht ganz stimmte. Das zweite Tor müsse er sich nochmal genau anschauen, sagte der Weltmeister.
Sein Boss, Rummenigge, hatte genau das von der Tribüne aus getan und meinte danach vor der Presse: „Wir haben hinten bei den zwei Gegentoren nicht gut ausgesehen, das muss man fairerweise anmerken.“ Beim 1:1 durch den Ex-Düsseldorfer Dodi Lukebakio (36.) griffen die Münchner den Stürmer schlicht zu spät – es war bereits das fünfte Tor des 21-jährigen Belgiers gegen die Bayern im dritten Spiel hintereinander!
Riskantes 4-3-3 von Niko Kovac
Was Müller einen „abgefälschten Verzweiflungsschuss“ nannte, war wohl auch auf das riskante 4-3-3-System von Coach Niko Kovac zurückzuführen. Thiago, der sich defensiv teils weit absetzte, ist nicht gerade ein Express-Spieler. Und das Pressing mit dem hochstehenden Corentin Tolisso sowie Müller, der vorne viele Freiheiten bekam, funktionierte nur phasenweise, sodass immer wieder riesige Lücken im Mittelfeld klafften, die die Münchner beim Ausgleich nach vorheriger Führung durch Robert Lewandowski (24.) nicht mehr schließen konnten. Dass der polnische Superstar per Strafstoß (60.) nochmal traf, rettete wenigstens einen Punkt.
Doch: Das zweite Gegentor hatte eine mittlerweile altbekannte Schwäche bestätigt. „Wenn man sieht, welchen Aufwand wir betreiben, wir hoch wir mit der Kette spielen. Natürlich ist es dann mal so, dass man einen einfachen Ballverlust in der Vorwärtsbewegung hat, der heute direkt bestraft wurde“, meinte Verteidiger Niklas Süle auf Nachfrage von t-online.de und beschwichtigte umgehend: „Wir haben heute gegen Hochgeschwindigkeitsspieler gespielt, waren trotzdem immer eins gegen eins hinten.“
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Immer, bis auf die Szenen gegen Lukebakio und Grujic. Süle gab sich trotzig. „Wir spielen das jetzt schon so, seit ich hier bin. Ich habe mich daran gewöhnt, 90 Minuten lang eins gegen eins gegen einen Stürmer an der Mittellinie zu stehen“, sagte der 23-jährige Abwehrmann. „Wir werden das jetzt nicht ändern.“ Ob Kollege Müller derselben Meinung ist? „Fühlt sich ein bisschen komisch an“, sagte der Angreifer, bevor er in die Münchner Nacht verschwand: „Vom Gefühl her ist es erstmal eine riesige Enttäuschung.“
- eigene Beobachtungen