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Coronavirus-Krise und die Bundesliga: Was wollen Politiker, Spieler, Polizei?


Was wollen Politiker, Spieler, Polizei?
Machtkampf um die Bundesliga


Aktualisiert am 22.04.2020Lesedauer: 6 Min.
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Die Ministerpräsidenten Söder und Laschet hoffen auf einen baldigen Bundesliga-Start. Nicht bei allen Profis kommt das gut an.Vergrößern des Bildes
Die Ministerpräsidenten Söder und Laschet hoffen auf einen baldigen Bundesliga-Start. Nicht bei allen Profis kommt das gut an. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Bundesliga soll schnellstmöglich wieder beginnen. Ohne dabei Spieler zu gefährden. Und nur mit dem Segen der Virologen. Geht das überhaupt zusammen?

Die Corona-Pandemie treibt mitunter seltsame Blüten: "Es wäre schön, wenn die Verteidiger im ersten Spiel immer eineinhalb Meter Abstand halten", lacht Sebastian Polter. Die Aussage des Stürmers von Union Berlin war natürlich scherzhaft gemeint, aber in dieser Zeit können noch so ungewohnte Ideen plötzlich Realität werden: Oder hätte jemand vor zwei Monaten gedacht, dass wir künftig allesamt mit Mundschutz an der Supermarkt-Kasse stehen werden?

Als sich etwa vor gut einem Monat einige hundert Fans von Borussia Mönchengladbach vor den Stadiontoren versammelten und mit ihrer Mannschaft, getrennt durch einen übermannshohen Absperrzaun, den Derbysieg gegen den FC Köln feierten, war für die Bundesliga das erste Novum geboren. Erstmals gab es in der Geschichte der Bundesliga ein Geisterspiel: die Ränge leer, die Stimmung gespenstisch. Kein Wunder, dass nach der Partie kein Verantwortlicher so etwas gerne wiederholt haben würde.

Jetzt, Ende April wären Geisterspiele wie in Gladbach hingegen der große Wunsch vieler Fußball-Funktionäre – wie schnell sich die Blickwinkel doch ändern können.

Die große Katastrophe einer bisher nie dagewesen Pleite-Welle bei den Profivereinen vor Augen, will die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Spielbetrieb in der Bundesliga so schnell wie möglich wieder aufnehmen. In leeren Stadien soll die Saison zu Ende gespielt werden – und zwar möglichst bis zum 30. Juni. Bevor am Donnerstag die DFL-Mitgliederversammlung zusammenkommt, scheint überall der Optimismus der Verantwortlichen gestiegen zu sein, tatsächlich bald schon wieder spielen zu können. Doch diese Pläne kommen nicht überall gut an. Ein Stimmungsbild:

Landeschefs in Sporthosen

Da wäre zum einen die Politik, in der sich zwei ausgewiesene Fußballfans unter den Ministerpräsidenten klar positioniert haben. Die Ministerpräsidenten Markus Söder (Bayern/CSU) und Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen/CDU) würden gerne den Ball ab 9. Mai wieder rollen sehen. Beide Unions-Politiker sprachen Anfang der Woche bei "Bild" zwar von einer "Gratwanderung", die dem Profi-Fußball gelingen müssen, doch Söder stellte klar: "Ich denke schon, dass es eine gute Chance gibt, dass wir Geisterspiele wagen können."

Ähnlich sieht es Gesundheitsminister Jens Spahn: Der zeigte sich am Mittwoch in einer Regierungsbefragung im Bundestag offen für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs – allerdings unter erheblichen Auflagen. Es sei entscheidend, dass für die Spieler der Arbeitsschutz gewährleistet sein müsse, sagte der CDU-Politiker.

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Der baldige Zeitpunkt stößt allerdings nicht bei allen Landesregierungen auf Verständnis. So sieht der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius in der Wiederaufnahme des Spielbetriebes in der Corona-Krise ein falsches Signal an die Bevölkerung. Allerdings ist auch dem SPD-Politiker klar, welchen Stellenwert die Bundesliga bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung genießt. So sagt er daher auch: "Seien wir ehrlich, für viele Millionen Fußball-Fans in Deutschland würde es den Samstagnachmittag in solchen Zeiten erträglicher machen."

Das Bundesinnenministerium widerspricht den raschen Forderungen nach einem Start der Bundesliga hingegen – und ist zudem gegen die vorzeitige Festlegung eines Termins. Die Sportministerkonferenz sprach von Mitte bis Ende Mai als mögliche Zeitspanne. Einigkeit scheint hier lediglich darüber zu bestehen, dass irgendwann wieder gespielt werden soll. Dem gegenüber steht die Kritik, dass dem Fußball keine Sonderrolle zugesprochen werden dürfe.

Die Virologen werden zu Sport-Propheten gemacht

Wie schlimm ist das Coronavirus? Wann enden die Kontaktsperren? Wann läuft wieder Bundesliga? Kaum ein Virologe kommt momentan darum herum, seine Einschätzung zu einem baldigen Start der höchsten deutschen Fußball-Spielklasse zu geben. Sowohl bei der DFL als auch in der Politik scheint klar, dass sie auf die Expertise der Mediziner hören müssen. Klar ist auch: Fußballspiele wird man nur mit massenhaft Tests der Profis bewerkstelligen können. Bis zu 20.000 davon bräuchte es, um die Saison zu beenden.

Doch eindeutig befürworten die Virologen einen baldigen Start in den Ligabetrieb nicht. Erst am Dienstag zeigte sich der Vize-Chef des Robert Koch-Instituts beispielsweise irritiert ob der Frage, wie Profifußball unter den gegebenen Umständen funktionieren sollte: "Ich denke, man sollte die Tests dort anwenden, wo es medizinisch sinnvoll ist", sagte Lars Schaade bei der turnusmäßigen Pressekonferenz des Institus: "Ich sehe nicht, warum bestimmte Bevölkerungsgruppen routinemäßig gescreent werden sollten."

Profis in die Ganztags-Quarantäne?

"Es ist völlig klar, dass der Fußball sich nahezu allen Regeln unterwerfen würde, die nötig sind, um zu spielen", sagt Bayerns Thomas Müller in der "Sport Bild" – und würde zahlreiche Restriktionen in Kauf nehmen. "Wenn es sein muss, auch in Quarantäne." Klar ist jetzt schon, dass sich die Profis bei Wiederaufnahme des Ligabetriebs deutlich einschränken müssen. Die Idee, die Spieler im Falle einer Saisonfortsetzung zu isolieren, lehnt die Spielergewerkschaft VDV hingegen ab: Die Mehrzahl der Sportler stünden einer solchen Maßnahme skeptisch gegenüber, und auch die Arbeitsverträge würden derartige Quarantäne-Lager nicht vorsehen, sagt VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky. "Die Spieler bezweifeln zudem, dass sich dadurch das Infektionsrisiko ganz erheblich reduzieren ließe", betont er.

Eine Sonderrolle für Fußballer sehen selbst auch manche Profis zwiespältig: "Der Fußball sollte keine Sonderstellung einnehmen. In unserer Gesellschaft gibt es viel wichtigere Dinge", sagt etwa Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach. Ginter ist damit allerdings eine Ausnahme: Zwar äußerte sich sein Teamkollege Christoph Kramer zunächst ebenfalls kritisch über eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes, ruderte dann aber zurück. Thomas Müller bringt den Interessenskonflikt auf den Punkt: "Es ist ja nicht so, dass wir in der Freizeit zum Spaß Fußball spielen. Man darf nicht vergessen: Es ist nicht nur unser Job, es hängen am ganzen Fußballgeschäft auch sehr, sehr viele Arbeitsplätze dran", so der 30-Jährige.

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Trainer hoffen auf einvernehmliche Lösung

Für den Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) sind Geisterspiele die absolute Notlösung. "Zu einem Bundesligaspiel, wie wir es uns vorstellen, gehören Fans. Ohne diesen äußeren Rahmen gehen alle damit verbundenen Emotionen verloren", sagt BDFL-Präsident Lutz Hangartner. Eine Fortsetzung der Bundesliga kommt für ihn nur in Frage, wenn gesundheitliche Risiken ausgeschlossen werden können. "Ich bin der Auffassung, dass die DFL in Abstimmung mit den Klubs unter Abwägung aller Sicherheitsaspekte (...) zu einer einvernehmlichen Entscheidung über die Fortführung der Spiele kommen wird."

Ähnlich klingt das bei Steffen Baumgart: "Es geht letztendlich darum, dass auch wir wieder unseren Beruf ausüben wollen", sagte der Trainer des Tabellenletzten SC Paderborn gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Und der beinhaltet nun einmal, dass wir wieder auf dem Platz stehen und gegeneinander Fußball spielen." Kritik an den Plänen kann er allerdings verstehen: "Natürlich muss man diese Meinungen ernst nehmen. Man muss alle Stimmen hören", sagte Baumgart. Einige Fan-Gruppierungen und Politiker hatten die Pläne der Deutschen Fußball Liga kritisiert, die aktuelle Saison mit Hilfe von Geisterspielen zu Ende zu bringen.

Die Fußball-Fans sind gespalten

Für die Fan-Szene geht es bei der Diskussion um mehr als leere Stadionränge. Die Organisationen nehmen den Profifußball in die Pflicht und wollen die näherrückenden Geisterspiele in der Bundesliga nicht hinnehmen, ohne dass ein Wertewandel eingeleitet wird. "Wir möchten nicht mehr über Symptome diskutieren, sondern endlich über die Krankheit und die Wege zur Gesundung des Fußballs sprechen", fordert die Organisation "Unsere Kurve". Der "neue Fußball" brauche Visionäre, um eine Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlicher Verantwortung herzustellen. Die Ultras der "Fanszenen Deutschland" haben sich schon vergangene Woche gegen Spiele ohne Zuschauer ausgesprochen und ebenfalls einen Kulturwandel gefordert. "Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne", heißt es in einer Erklärung.

Dem gegenüber stehen Umfragen, bei denen ein großer Teil der Fans auf Geisterspiele hofft: So ergab eine Befragung der Voting-App FanQ, dass Dreiviertel der Fußballfans daran glaubt, dass die Spielzeit trotz der Pandemie beendet werden kann. Um dies zu verwirklichen, befürworten ebenfalls dreiviertel der Befragten die Austragung der Partien unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Polizei hat Angst vor den Fans – besonders wegen Corona

Das eingangs genannte erste Geisterspiel in der Bundesliga fand mit der Intention statt, die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Trotzdem kamen nach der Partie viele Fans zusammen, um mit ihrer Mannschaft zu feiern. Da passt es ins Bild, dass die Polizei am Sinn einer Bundesliga-Fortsetzung zweifelt. "Auch ohne Seuche ist Fußball sehr personalintensiv für die Polizei", sagt Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Es bestehe die begründete Gefahr, dass Fans sich trotz eines Kontaktverbots vor den Stadien versammeln, um ihre Mannschaften zu unterstützen. "Fußballspiele würden dann für die Polizei einen noch höheren Personalaufwand bedeuten", außerdem bestünde eine erhöhte Ansteckungsgefahr.

Auch Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, hält Spiele ohne Zuschauer für problematisch. "Derartige Veranstaltungen, welche auch mit gebündelten Anreisen von Fangruppen einhergehen, würden uns schon vor personelle Herausforderungen stellen", sagt Rettinghaus.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, SID
  • Eigene Recherche
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