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Bundesliga: ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann lobt Gier des FC Bayern


Claudia Neumann
"Ich hätte gedacht, dass wir als Gesellschaft weiter sind"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 18.09.2020Lesedauer: 6 Min.
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Claudia Neumann: Die ZDF-Reporterin kommentiert heute Abend das Eröffnungsspiel der Bundesligasaison 2020/2021.Vergrößern des Bildes
Claudia Neumann: Die ZDF-Reporterin kommentiert heute Abend das Eröffnungsspiel der Bundesligasaison 2020/2021. (Quelle: Markus Endberg/imago-images-bilder)

Heute Abend kommentiert Claudia Neumann das Eröffnungsspiel der Bundesligasaison. Zuvor spricht sie im Interview über die Corona-Herausforderungen und den Umgang mit Hass im Netz.

Seit Jahren schon kommentiert Claudia Neumann Fußballspiele für das ZDF – so auch heute Abend. Wenn der FC Bayern München in der Allianz-Arena auf den FC Schalke trifft (20.30 Uhr, im Liveticker bei t-online), wird sie live vor Ort die Partie für das ZDF begleiten.

Zuvor spricht sie im Interview mit t-online über die bevorstehende Bundesligasaison, warum der FC Bayern voraussichtlich auch in diesem Jahr den Titel holen wird, die Herausforderungen als Kommentatorin sowie die Gleichberechtigung in ihrem Beruf.

t-online: Frau Neumann, der Bundesligastart steht vor der Tür. Bei einigen Teams gab es Corona-bedingt viele Ausfälle, bei anderen weniger. In einige Stadien darf eine bestimmte Anzahl an Fans, in andere nicht. Auf was für eine Saison müssen wir uns einstellen?

Claudia Neumann (56): Wenn ich DFL-Chef Christian Seifert zitieren darf: Die schwierigste, die wir je hatten. Wie sich genau die Pandemie entwickelt, mag momentan noch niemand voraussagen. Aber sie wird uns voraussichtlich noch Monate, wenn nicht Jahre, beschäftigen. Gesamtgesellschaftlich, aber eben auch im Sport.

Der ehemalige DFL-Boss Andreas Rettig sprach von einer potenziellen Wettbewerbsverzerrung bei der Zulassung von Fans und forderte eine bundeseinheitliche Lösung. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Ich bin ebenfalls für eine einheitliche Lösung. Die einzelnen Vereine sind natürlich darum bemüht, sich nicht untereinander zu zerstreiten, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden. Aber am Ende will jeder Klub die besten Bedingungen für sich herausholen, auch wenn das Verständnis für die unterschiedlichen Situationen in den jeweiligen Bundesländern sicher da ist.

Im Mai bezeichneten Sie das DFL-Hygienekonzept als "ein Konstrukt, das auf Kante genäht ist", beklagten zudem die intransparente Kommunikation der Vereine. Haben die Klubs dazugelernt?

Ich habe das Krisenmanagement der DFL von Anfang an als sehr positiv empfunden. Bei den Vereinen war es teilweise schwierig, weil beispielsweise wir Journalisten vor Ort nicht filmen durften und nur das Klub-Material zur Verfügung gestellt bekamen. DFL-Chef Seifert hat von Anfang an sehr besonnen, klug und auch zurückhaltend agiert. Im Vergleich dazu hat nicht jeder Klubvertreter eine gute Figur gemacht.

Welche konkreten Herausforderungen stellen sich Ihnen als Kommentatorin, auch heute Abend?

Bei Geisterspielen ist das Gefühl einfach ein ganz anderes – und als Kommentatorin muss man sich darauf einstellen. Wenn der Kommentator Pausen macht, hört der Zuschauer am TV nur Stille, eine Art Totentanz. Das ist für den dann mitunter sehr langweilig. Also überlegen wir, diese Stille mit reden zu überbrücken – was wir ansonsten kritisieren würden.

Es gibt auch die Möglichkeit der Atmo-Schleifen, die künstlich eingespielt werden.

Das haben wir auch diskutiert, uns dann aber dagegen entschieden, weil das eine Verfälschung der Realität ist und dem Zuschauer etwas vorgegaukelt wird. Da halte ich eine andere Option für deutlich besser.

Die wäre?

Ich bin sehr offen, was Co-Kommentierung angeht. Mit unserem neuen Experten Per Mertesacker hat das in der Nations League schon super funktioniert und wir werden das auch am Freitag so machen, dass ich ihn mehrfach dazuschalte. Ich bin zu 100 Prozent der Meinung, dass er als Ex-Profi die Dinge mit einem ganz anderen Selbstverständnis und glaubwürdiger formulieren kann. Würde ich dies oder jenes als Reporterin über einen Spieler sagen, klänge das eventuell anmaßend.

Der FC Bayern eröffnet zum achten Mal hintereinander als Titelträger die Saison. Warum wird es 2021 einen anderen Meister geben?

Wird es nicht (lacht). Ich kann mich da nur allen Experten anschließen. Der FC Bayern müsste schon üble Schwächephasen haben – und zeitgleich müsste die Konkurrenz überperformen. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass den Verfolgern wie Dortmund, Leipzig oder auch Gladbach am Ende die Konstanz fehlt.

Was macht den FC Bayern derzeit so unangreifbar?

Ich mache das an zwei Vokabeln fest. Ein absolutes Selbstverständnis und eine unendliche Gier haben die Münchner auf einen anderen Planeten gehoben.

Gibt es einen Klub oder eine Personalie, auf die Sie in dieser Spielzeit besonders gespannt sind?

Die Performance des FC Bayern war schon beeindruckend in den vergangenen Wochen – aus ganz neutraler Sicht. Das muss man schon anerkennen und akzeptieren können. Ich bin gespannt, wie sich die Konkurrenz dem stellen wird. Auch wenn es die Münchner sein sollten, die die Highlights setzen: Wir werden sicher einige zu sehen bekommen.

Bayern-Fans gibt es in Deutschland zuhauf. Viele von ihnen werden die Partie gegen Schalke am Freitag im ZDF gucken. Kalkulieren Sie den Shitstorm mittlerweile eigentlich schon ein?

(lacht) Ich weiß gar nicht, warum mich immer alle nach dem Shitstorm fragen. Ich gehe damit locker um, kein Problem. Dennoch frage ich mich, warum sich alle Medien immer gefühlt darüber definieren. Ich glaube, es würde zu einer Normalisierung beitragen, wenn Menschen, die permanent im Netz andere beschimpfen, das Signal bekämen: "Es ist gesellschaftlich nicht mehr interessant, was ihr da sagt."

Man könnte es auch so deuten, dass Ihre Arbeit die Menschen draußen vor den Endgeräten bewegt – und dadurch wird es zum Thema.

Natürlich. Aber es ist ein klassischer Medienreflex, immer auf diese negativen Äußerungen aufzuspringen. Man muss klar trennen zwischen Strategien, solche Hetze im Netz in den Griff bekommen zu wollen, und auf der anderen Seite mit vermeintlichen Aufregern bewusst Aufmerksamkeit erzeugen zu wollen. Ich bin der Meinung, man sollte diesen Trollen im Netz einfach nicht noch mehr Futter geben.

Haben Sie einen Vorschlag, wie Berichterstatter stattdessen mit dieser Thematik umgehen sollten?

Vielleicht sollte man das ganze Thema einfach andersrum aufziehen. Das positive Feedback ist um ein Vielfaches größer als der Hass, das deute ich in meinem Buch auch leicht an. Im echten Leben habe ich so viele angenehme Begegnungen, dass ich mir manchmal denke: Wenn das alles im Netz niedergeschrieben wäre, dann würde der Hass vielleicht weniger Aufmerksamkeit bekommen und weniger Wucht haben. Vieles wird auch einfach aus Langeweile geteilt und geliked – und gar nicht aus Überzeugung.

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In Ihrem Buch schreiben Sie auch davon, dass der Terminus "erste Frau" Ihnen auf den Geist geht wie eine "lästige Infektion". Heute beim Eröffnungsspiel sind Sie, rein faktisch, schon wieder die "Erste", obwohl Sie seit Jahren im ZDF als Kommentatorin aktiv sind. Wie genervt sind Sie?

Das wird zwangsläufig so sein, ja. Aber ich bin gar nicht genervt. Es ist für mich nur kein Etikett, mit dem ich arbeiten kann. Irgendwann ist immer jemand der oder die Erste, aber für mich ist das völlig unwichtig. Der Witz ist, dass irgendwelche jungen Leute kommen und sagen, da wird eine Frau aus dem Hut gezaubert, obwohl ich diesen Job im ZDF ja schon seit mehreren Jahren ziemlich exponiert mache. Das wirkt irgendwie albern.

Seit vergangener Saison kommentiert mit Stephanie Baczyk auch eine Frau in der ARD-Sportschau. Sind die öffentlich-rechtlichen Sender Vorreiter, was die Gleichberechtigung in Ihrem Beruf angeht?

Ich würde schon sagen, dass die Öffentlich-Rechtlichen als erstes erkannt haben, dass es gesellschaftlich relevant ist, die Gleichberechtigung zu fördern. Aber nicht nur im Sport, sondern generell. Da sind die ARD und auch das ZDF anders in der Verpflichtung und in der Verantwortung als ein Privatunternehmen – ohne damit zu behaupten, dass sie dem nicht nachkämen. Aber es ist gut, dass diese Signale gesendet werden und nach außen gezeigt wird: “Frauen können in allen Berufssparten alles machen, wenn sie es fachlich können. Punkt.”

Wie schwierig ist es denn heutzutage für eine Frau, sich in der Männerdomäne Fußball durchzusetzen? Werden Sie oft nach Tipps gefragt?

Hin und wieder schon, das hat in den letzten Jahren auch ein wenig zugenommen. Es kommt viel Lob, dass ich mich in dieser Thematik quasi wie ein Prellbock verhalte, mich nicht wegducke sondern dem stelle. Eine Kollegin von mir, die auch im Männersport im Schweizer Radio co-kommentiert, kam begeistert auf mich zu, lobte mich und ermutigte mich in meinem Umgang. Aber wir kennen alle nicht den Königsweg. Ist es besser, immer wieder darüber zu reden oder besser, es auch mal einfach gut sein zu lassen?

In Ihrem Buch findet sich auch folgendes Zitat: "Eine Frau, die Männern ein Männerspiel deutet, zerstört dabei das Weltbild." Hätten Sie rückblickend gedacht, dass unsere Gesellschaft im Jahr 2020 schon weiter ist?

Ja. Gewünscht auf jeden Fall und ehrlicherweise auch gedacht. Viele haben vielleicht im Inneren noch ein größeres Problem damit, dass eine Frau ein Fußballspiel der Männer kommentiert – und eben insgesamt ein antiquiertes Rollenbild der Frau. Ich habe nach wie vor den Eindruck, dass viele Männer ein Bild von Frauen haben, das sich nach Äußerlichkeiten richten muss und in der Extreme auch die Vorstellung, dass die Frau sich unterordnen muss. Das ist schwierig.

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