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FC Bayern in der Krise? Bei Manchester United ist es noch schlimmer


Kracher in der Champions League
Bayern-Krise? Beim Gegner ist es noch viel schlimmer

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 12.12.2023Lesedauer: 5 Min.
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United-Trainer Erik ten Hag: Unglückliche Figur.Vergrößern des Bildes
United-Trainer Erik ten Hag: Unglückliche Figur. (Quelle: IMAGO/Martin Rickett/imago-images-bilder)

Die Bayern erholen sich noch vom 1:5 gegen Eintracht Frankfurt. Beim letzten Champions-League-Vorrundengegner Manchester United ist die Lage aber noch deutlich brenzliger. Ein Experte erklärt, warum.

"Es gibt die Gelegenheit, auf einer der größten Bühnen der Welt eine Reaktion zu zeigen", erklärte Bayern-Trainer Thomas Tuchel vor dem abschließenden Champions-League-Gruppenspiel bei Manchester United (Dienstag ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online). Nach dem 1:5 bei Eintracht Frankfurt steht der deutsche Rekordmeister unter Druck, ein Erfolg auch im letztlich bedeutungslosen Spiel der längst für das Achtelfinale qualifizierten Bayern würde die Situation im und um den Klub zumindest etwas beruhigen.

Auf "einer der größten Bühnen der Welt" also fordert Tuchel ein Zeichen seiner Spieler ein – und meint damit natürlich das Old Trafford, die legendäre Spielstätte der "Red Devils". Im Gegensatz zu den Bayern steckt der englische Rekordmeister wirklich in einer Krise, steht aktuell nur auf Platz sechs der Premier League, kassierte in 15 Spielen bereits sieben Niederlagen. Zuletzt setzte es für die Mannschaft von Trainer Erik ten Hag ein blamables 0:3 zu Hause gegen Bournemouth. Auch in der Champions League droht das Aus in der Vorrunde, gegen die Bayern muss United gewinnen – und gleichzeitig hoffen, dass der FC Kopenhagen und Galatasaray im Parallelspiel nur unentschieden spielen.

Einer, der im englischen Fußball genau hinschaut, ist Raphael Honigstein. Der in München geborene Journalist und Autor lebt seit 30 Jahren in London, schreibt für "The Athletic" und den "Spiegel" über die Premier League und die Bundesliga. Im Interview mit t-online erklärt der 50-Jährige die Probleme innerhalb der Mannschaft – und den vergeblichen Kampf des Trainers.

t-online: Herr Honigstein, was läuft grundsätzlich falsch im Old Trafford?

Raphael Honigstein: Man hatte gehofft, dass der Aufwärtstrend des letzten Jahres (United belegte zum Saisonende Platz drei, Anm. d. Red.) anhält und man nicht nur wieder in die Champions League kommt, sondern auch wieder um Titel mitspielen kann – und vor allem den Rückstand auf Manchester City, auf Arsenal und Liverpool verkürzt. Das ist bisher nicht passiert. Im Gegenteil, United war in Spitzenspielen oft stark unterlegen. Die Mannschaft ist noch nicht entscheidend nach vorne gekommen. Der sehr langwierige, undurchschaubare Prozess der teilweisen Vereinsübernahme durch Investoren hat das alles nicht einfacher gemacht.

Ein Teufelskreis ...

Wenn die Mannschaft nicht performt und die Ergebnisse nicht stimmen, herrscht bei einem Verein wie Manchester United natürlich latente Unruhe. In der Liga sind sie nicht gut genug, in der Champions League zittert man ums Weiterkommen.

Wie macht sich diese Unruhe bemerkbar?

Es gibt sehr viele Schuldzuweisungen, jeder sucht nach den Gründen. Bei United ist es dann leider so, dass es den einen oder anderen Spieler gibt, der die Situation dann über Berater, über Freunde, so darstellen will, dass er selbst natürlich überhaupt keine Schuld trägt, sondern der Trainer. Wenn man in der Zeitung liest, dass 50 Prozent der Mannschaft angeblich nicht mehr an den Trainer glauben, ist das maximal unruhestiftend. Allerdings sollte man diese Berichte mit Vorsicht genießen.

Trainer Erik ten Hag musste sich bereits rechtfertigen.

Ten Hag hat eingeräumt, dass es immer wieder mal ein, zwei Spieler geben wird, die ihn vielleicht nicht mögen. Einen gibt es ja aktuell, den jeder kennt: Jadon Sancho, der sich mit ten Hag überworfen hat, sich bisher auch nicht entschuldigen wollte und auch deshalb kein Teil der Mannschaft mehr ist. Sicherlich gibt es auch noch ein, zwei andere, die nicht zufrieden sind, die aber wie auch unter ten Hags Vorgängern keine Verantwortung übernehmen, sondern nur schauen, wie sie selbst aus dieser Sache gut herauskommen, und Geschichten streuen.

Die Mannschaft macht generell keinen homogenen Eindruck – ist es ein Einstellungsproblem?

Im Kader stehen immer noch Spieler, die schon seit mehreren Jahren regelmäßig zeigen, dass sie eigentlich nicht das Niveau für United haben. Bei allen Neuzugängen gibt es in der Mannschaft immer noch einen Stamm an Spielern, die sich so durchwurschteln. Die spielen zwar immer wieder mal mit, können den Verein aber nicht entscheidend nach vorne bringen. Auch deshalb wirkt es so, als müsse im kommenden Sommer schon wieder der nächste Neuanfang in Angriff genommen werden. Die Frage dabei ist eine andere ...

Ja?

Wird die Vereinsführung mit den neuen Leuten an Bord wieder alles umbauen? Stützen sie ten Hag – oder machen sie einen radikalen Schnitt und holen auch einen neuen Trainer?

Der Unternehmer Jim Ratcliffe wird in den Verein einsteigen. Ist Besserung in Sicht?

Ob es mit Ratcliffe besser wird, ist sehr schwer abzuschätzen. Es soll ein sehr kurioses Konstrukt werden. Er bekommt 25 Prozent der Anteile, soll mit seinem Team aber sportlich die Geschicke leiten. Gleichzeitig wird es aber auch immer noch einen Vorstand geben, in dem auch noch die Familie Glazer als Mehrheitseigentümer weiter prominent vertreten sein wird – da muss man erst mal abwarten, wie das in der Realität dann funktioniert. Ich kenne keine Vereine dieser Größenordnung, die so geführt werden.

Was würde denn aktuell am meisten helfen?

United braucht einen richtig guten Sportdirektor, der in der Zusammenarbeit mit dem Trainer eine Mannschaft mit Struktur und Profil aufbaut, eine eigene Identität entwickelt. Und damit auch eine seriösere Transferpolitik.

Das hat zuletzt gefehlt?

Man hat die Kaderplanung in den 18 Monaten an ten Hag ausgelagert, hat ganz altmodisch den Trainer alles machen lassen. Das ist immer ein riskantes Unterfangen – wie sie bei United jetzt auch merken.

Tatsächlich hat kaum ein Neuzugang zuletzt richtig eingeschlagen.

Wenn Spieler wie Antony, der für 100 Millionen Euro von ten Hags Ex-Klub Ajax gekommen ist, die Erwartungen nicht erfüllen, wird es schwierig. Für ihn gibt es zu diesem Preis keinen Abnehmer. Und falls sich die neuen Leute in der Vereinsführung entscheiden, auf dem Trainerposten eine Veränderung vorzunehmen, müssen sie zugleich den halben, von ten Hag konzipierten Kader mit entsorgen. Das ist alles einfach nicht effizient, zumal ja wie erwähnt auch beträchtliche Mittel aufgebracht werden.

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Hat ten Hag zu viel Macht?

Nicht jeder Trainer ist auch der beste Chefscout, der alle Linksverteidiger auf der Welt kennt und gekonnt den besten herauspickt. Wenn man sich dann auf Spieler beschränkt, die man persönlich schon mal trainiert hat oder aus der Vergangenheit kennt, dann wird der Teich, in dem der Verein fischt, sehr schnell sehr klein. Und das kann nicht der Anspruch von Manchester United sein.

Wie sicher ist der Trainer noch im Amt?

Ich glaube, dass der Druck auf ten Hag langsam zunimmt, aber er nicht akut gefährdet ist. Er muss allerdings aufpassen, dass er auch das Vertrauen der zukünftigen Vereinsführung genießt.

Ist er überhaupt der Richtige für Manchester United?

Er ist ein guter Trainer, vielleicht sogar ein sehr guter Trainer. Aber an dieser Mannschaft und diesem Verein haben sich in den letzten Jahren schon sehr viele große Trainer, die anderswo Erfolg hatten, die Zähne ausgebissen. Ich bin nicht hundertprozentig sicher, dass es bei ihm anders laufen wird. Vor allem, wenn jetzt schon Geschichten in Umlauf gebracht werden, der Trainer rede nicht mit den Spielern oder seine Taktik sei nicht gut – das haben vor ihm schon Louis van Gaal, José Mourinho, Ole Gunnar Solskjaer und Ralf Rangnick bei United erlebt. Diese Mechanismen sind schon wieder in Gang. Dann kann es nach ein paar Niederlagen ganz schnell gehen.

Es stehen wichtige Spiele an ...

Wenn sie heute gegen die Bayern aus der Champions League ausscheiden, wird es weiter ungemütlich bleiben.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview
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