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Marina Hegering: "Keine Mannschaft hat fußballerisch überzeugt"


Nationalspielerin Hegering
Streit wie mit Trump? "Würde es in Deutschland nicht geben"

  • Noah Platschko
InterviewEin Interview von Noah Platschko

07.08.2019Lesedauer: 5 Min.
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Marina Hegering bildete mit Sara Doorsoun das Innenverteidigerinnen-Duo bei der WM.Vergrößern des Bildes
Marina Hegering bildete mit Sara Doorsoun das Innenverteidigerinnen-Duo bei der WM. (Quelle: DeFodi/imago-images-bilder)

Vor genau einem Monat endete die Fußball-WM der Frauen. Nationalspielerin Marina Hegering absolvierte in Frankreich alle Spiele für den DFB. Im Interview mit t-online.de spricht sie nun über das frühe Aus und Megan Rapinoes Streit mit Donald Trump.

Marina Hegering blickt mit gemischten Gefühlen auf die Frauen-WM in Frankreich zurück. Einerseits kam die 29-Jährige in jedem der fünf Turnierspiele zum Einsatz. Auf der anderen Seite verlief die WM mit dem Aus im Viertelfinale und dem Verpassen von Olympia 2020 in Tokio enttäuschend.

Im Interview mit t-online.de blickt sie unter anderem zurück auf das frühe Aus sowie den Streit zwischen der US-Amerikanerin Megan Rapinoe und Donald Trump.

t-online.de: Frau Hegering, Sie sind Nationalspielerin und arbeiten zudem als kaufmännische Angestellte in Ihrer Heimat Borken. Zwei Tage nach dem WM-Aus Ende Juni posteten Sie auf Instagram ein Bild von sich auf der Arbeit. Haben Sie keinen Urlaub bekommen?

Marina Hegering (29): Ich hätte Urlaub nehmen können, aber ich hatte kein wirkliches Urlaubsziel. Und außerdem hatte ich nicht angedacht, dass wir so früh wieder zu Hause sind. Ich wollte arbeiten, das war in dem Moment eine gute Ablenkung. Ich wäre auch bei einem WM-Gewinn direkt nach dem Turnier wieder eingestiegen.

Wie sehr schmerzt heute noch das frühe Aus im Viertelfinale?

Natürlich ist das kein superschöner Gedanke. Das ist ein Erlebnis, das man erst verarbeiten muss. Wir Spielerinnen sind wieder ins Training eingestiegen, bald geht die Bundesliga wieder los. Da muss der Fokus auf anderen Dingen liegen.

Das 1:1 gegen Schweden resultierte aus einem Stellungsfehler im Abwehrverbund. Wie oft haben Sie noch an dieses Gegentor denken müssen?

Ich wurde für diese Aktion sehr kritisiert. Sicher auch zurecht, aber es war eine Fehlerkette, die schon vorne anfing.

Die WM haben am Ende die USA gewonnen zurecht?

Die Mentalität hat den Unterschied gemacht – und die war bei den USA eben am stärksten. Keine Mannschaft hat beim Turnier fußballerisch überzeugt und das Turnier von Spiel eins dominiert. Normalerweise hat man bei einem Turnier immer ein Team, von dem man denkt, dass es unschlagbar ist. Das war bei dieser WM nicht der Fall. Jede Mannschaft war schlag- und verwundbar.

Die Story um die US-Amerikanerin Megan Rapinoe und ihre Ankündigung, nicht ins "beschissene Weiße Haus zu gehen", ging um die Welt. Wie haben Sie ihre Aussagen wahrgenommen?

Das war eine sehr amerikanische Art, sich zu äußern. Nichtsdestotrotz ist ihre Kernaussage – ihre Wortwahl hat sie ja im Nachhinein bedauert – aus ihrer Sicht berechtigt. Sie hatte das nötige Selbstbewusstsein und auch das Recht zu sagen, was sie gedacht hat. Vor allem wenn man so ein Standing hat wie sie und so viel bewegen kann. Das war eine starke Aktion.

Übertragen auf Deutschland wäre das so, als würde DFB-Kapitänin Alexandra Popp sich mit Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier streiten. Wäre sowas in Deutschland denkbar?

Ich habe jetzt nicht die ganze Diskussion verfolgt, aber diese Art von Auseinandersetzung würde es in Deutschland nicht geben. Ich denke, man muss sich jetzt aber auch nicht über die sozialen Medien streiten. Es passt aber zu der amerikanischen Kultur, dass der Austausch so geführt wird.

Das müssen Sie genauer erläutern.

Rapinoe hat die Aussage sehr souverän getätigt, die Auseinandersetzung wurde aber öffentlich über die sozialen Medien geführt. Diese Vorgehensweise würde ich dafür nicht sehen und ich denke Poppi auch nicht. Man kann auch meinungsstark sein, ohne die Konfrontation über die sozialen Medien zu suchen.

Die US-Frauen sind deutlich erfolgreicher als die Männer, sind in ihrem Land aber auch Fußball-Pioniere. Schauen Sie neidisch über den Teich?

Neid ist das falsche Wort. Sie haben sich das hart erarbeitet, das muss man anerkennen. Aber in Deutschland geht es auch voran. Wenn Vereine, Sponsoren und Verbände künftig noch enger zusammenarbeiten, kann man sicher noch mehr Aufmerksamkeit für den Frauenfußball erreichen.

Sie spielen aktuell bei der SGS Essen, erreichten vergangenes Jahr überraschend Platz vier in der Liga. Können Sie dieses Jahr ganz oben angreifen?

Platz vier letztes Jahr war schon ein Wahnsinnserfolg. Eines ist klar: Wir in Essen können uns derzeit nicht mit Bayern oder Wolfsburg messen. Vom Budget her reicht das Fußballspielen allein zum Leben nicht aus, da kann der komplette Fokus nicht auf der Liga liegen. Aber natürlich haben auch Spielerinnen aus München oder beim VfL ihre Nebenaktivitäten und -einkünfte.

Wie schwierig ist es, mit der Doppelbelastung Arbeit und Fußball umzugehen?

Bei mir ist das ein Sonderfall. Als ich damals so schwer verletzt war (Hegering litt an einer komplizierten Fersenverletzung, konnte sechs Jahre keinen Fußball spielen, Anm. d. Red.), habe ich mich extrem aufs Berufliche konzentriert.

Es war nicht klar, ob ich je wieder Bundesliga spiele. Als ich das dann geschafft habe, wollte ich den Beruf aber nicht aufgeben, weil ich wusste, dass Tag X kommt, an dem ich aufhören muss. Das berufliche Standbein wollte ich nicht aufgeben.

Nervt es Sie nicht, dass Sie zweigleisig fahren müssen?

Es wäre schön, wenn man in der ersten Liga einheitliche Bedingungen schaffen könnte, um professioneller Fußball zu spielen und es nicht notwendig ist, nebenher zu arbeiten. Das Gefälle zwischen denen, die arbeiten müssen und denen, die es nicht müssen, ist auch zu groß. Auf der anderen Seite erdet einen der Job aber. Man verliert nicht die Verbindung zur normalen Welt.

Wen sehen Sie in der Pflicht, die Professionalisierung voranzutreiben?

Alle. Vereine, Verbände und Sponsoren. Und je besser die Vermarktung, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Man wird das Niveau nicht mit dem der Herren gleichsetzen können. Aber ich denke schon, dass in ein paar Jahren bessere Strukturen geschaffen werden können.

Wie bewerten Sie das Niveau der Bundesliga, auch im Vergleich der davoneilenden Ligen in England, Frankreich oder Spanien?

Ich würde nicht sagen, dass diese Ligen uns enteilen. Sie haben vielleicht das ein oder andere Jahr Vorsprung, in dem Maßnahmen eingeleitet wurden, um die Liga zu professionalisieren.


Aber wenn man allein das sportliche Niveau vergleicht, ist es einfach so, dass die anderen Ligen aufgeholt haben und eine stärkere Konkurrenz sind, als das vielleicht noch vor zehn Jahren der Fall war.

Apropos vor zehn Jahren: 2009 bekamen Sie die Fritz-Walter Medaille in Gold als beste Nachwuchsspielerin verliehen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die letzten zehn Jahre?

(Lacht). Im Großen und Ganzen bin ich froh über das, was passiert ist. 2009 war ein absoluter Höhepunkt mit der Fritz-Walter-Medaille, so wie ein Jahr später mit dem Gewinn der U20-WM. Danach folgte eine lange Leidenszeit und jetzt mit meiner ersten WM wieder ein Highlight. Auch die negativen Erfahrungen haben mich weitergebracht. Aus heutiger Sicht betrachtet würde ich nichts ändern wollen.

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