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Was alles schief laufen kann: Die großen Pechvögel der WM


Die großen Pechvögel der WM
Ballack opfert sich und Heynckes wird richtig böse

Von Udo Muras

06.06.2018Lesedauer: 6 Min.
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Michael Ballack bekommt seine zweite gelbe Karte bei der WM 2002: Der Schlüsselspieler der deutschen Nationalmannschaft durfte daraufhin im Finale nicht spielen.Vergrößern des Bildes
Michael Ballack bekommt seine zweite gelbe Karte bei der WM 2002: Der Schlüsselspieler der deutschen Nationalmannschaft durfte daraufhin im Finale nicht spielen. (Quelle: Laci Perenyi/imago-images-bilder)

Spieler, die im endgültigen WM-Kader landen, haben Grund zur Freude. Doch nicht immer war die Teilnahme für die Spieler erfreulich. Ein Rückblick auf Deutschlands WM-Pechvögel.

Der WM-Kader steht, vier Spieler wurden noch aussortiert und 23 andere fahren voller Hoffnung nach Russland. Dabei ist die WM-Teilnahme nicht immer nur erfreulich, es gab in der deutschen WM-Historie auch einige ausgesprochene Pechvögel.

Bei Rudolf Gramlich ging der Beruf vor (1934)

Schon bei der ersten deutschen WM-Teilnahme in Italien müssen zwei Spieler früher abreisen. Während es sich Bayern-Verteidiger Josef Haringer aus disziplinarischen Gründen selbst eingebrockt hatte, waren es beim Frankfurter Rudi Gramlich besonders unglückliche Umstände. Gerade hatte er sich beim 2:1 gegen Schweden in die Elf gespielt und freute sich aufs Halbfinale, da erfolgte der Hilferuf seines jüdischen Arbeitgebers, einem Lederwarenhändler. Den hatten staatliche Repressalien der neuen NS-Regierung in Schwierigkeiten gebracht, weshalb er Gramlich telegrafisch aufforderte: "Sofort heimkommen! Brauchen Sie dringend geschäftlich!" Dunkle Vorboten. Da die Spieler alles Amateure waren, ging der Beruf vor. Für ihn wurde Reinhold Münzenberg nachnominiert, der deswegen seine Hochzeit verschob. Da hatte dann vor allem die Braut Pech.

WM ins Wasser gefallen: Heinz Kubsch und Heinrich Kwiatkowski (1954-58)

Zu den kuriosesten Geschichten aus deutschen WM-Quartieren gehört die, die sich in den ersten Tagen der WM 1954 am Anlegesteg des Hotels Belvedere ereignete. Der Pirmasenser Kubsch saß im Ruderboot und wollte den anderen Ersatztorwart, Dortmunds Heini Kwiatkowski, einladen. Er legte aber zu früh ab und der von der Kai-Mauer abgesprungene Kamerad fiel ins Wasser. Das Boot geriet ins Wanken und Kubsch schlug mit der Schulter an die Betontreppe, was ihm die WM verdarb. Dabei war er der Mann hinter Toni Turek und sollte zumindest in der Vorrunde gegen Ungarn spielen. So durfte der Kollege sich acht Tore einschenken lassen.

Zwar durfte sich Kwiatkowski nun Weltmeister nennen, aber er litt lange unter der Packung. Zudem musste er 1958 auch im Spiel um den dritten Platz gegen Frankreich ran, das die deutsche Elf mit etlichen Reservisten abschenkte – 3:6. Nach 14 Gegentoren in zwei WM-Spielen ging Kwiatkowski zu Herberger und bat ihn flehentlich: "Bitte stellen Sie mich nie mehr auf."

Jupp Heynckes erlitt während der WM eine Verletzung (1974)

Der Mönchengladbacher war eigentlich Stammspieler bei der Heim-WM, als Europameister 1972 und Torschützenkönig (gleichauf mit Gerd Müller) war er auf Linksaußen gesetzt. Doch schon im zweiten Spiel gegen Australien erlitt er eine Innenbandverletzung. Vertreter Bernd Hölzenbein nutzte seine Chance und blieb im Team.

Bei den beiden letzten Spielen gegen Polen und die Niederlande schaffte es Heynckes immerhin wieder in den 16er-Kader. Mit Hölzenbein verabredet er vor dem Finale, dass derjenige, der spiele, sich gegen den anderen auswechseln lasse wenn die Kräfte schwänden. Im rasanten Finale hat Hölzenbein das dann schlicht vergessen, weshalb Heynckes ihm noch viele Jahre böse war. Als richtiger Weltmeister fühlt sich der Mann, der 2013 mit Bayern als Trainer das Triple gewann, bis heute nicht.

Der gezerrte Oberschenkel von Heinz Flohe (1978)

Nach Argentinien flog Deutschland mit nicht allzu großen Hoffnungen. Viele Weltmeister von 1974 hatten abgedankt, es fehlte an Persönlichkeiten. Neuer Spielmacher sollte der Kölner Flohe werden, der endlich aus dem Schatten seines Vereinskameraden Wolfgang Overath und Madrid-Legionär Günter Netzer (beide zurückgetreten) wollte. Darauf hat er jahrelang gewartet, immerhin war er seit 1971 Nationalspieler. Endlich kam er zum Zug und überzeugte in der Vorrunde, schoss gar zwei Tore gegen Mexiko (6:0). „Flohes großer Sprung“, titelte der Kicker. Weil ihm fast alles gelang und mit jeder gelungenen Aktion das Zutrauen in das eigene Können wuchs.

Dann kam das Spiel gegen Italien im Nebel von Buenos Aires. Auch in dieser Partie lief es gut, beinahe gelang ihm sogar ein für ihn seltenes Kopfballtor. Es folgte die tragischste Szene aus deutscher Sicht. In der 66. Minute spielte Flohe Doppelpass mit Rummenigge, im Strafraum wollte er volley abziehen, bekam den Ball jedoch in den Rücken und zerrte sich bei dem Versuch, ihn zu erreichen, den Oberschenkel. Aus in diesem Spiel, Aus für diese WM, Aus in der Nationalmannschaft. Nach deren enttäuschenden Abschneiden kommt ein neuer Bundestrainer und der verzichtet auf Flohe.

Der ungerechte Platzverweis von Rudi Völler (1990)

Im brisanten Achtelfinale gegen die Niederlande wurde Rudi Völler in der 22. Minute vom Platz gestellt – völlig zu Unrecht nach allgemeiner Ansicht. Er hat sich nicht mal von Frank Rijkaard, der ihn zweimal ohne ersichtlichen Grund angespuckt hatte, provozieren lassen und das vermeintliche Foul an Hans van Breukelen war auch keines, wie die Bilder zeigen. Im letzten Moment ist er dem Torwart ausgewichen und hat die Knie angezogen. Rijkaard zog ihm trotzdem an den Ohren, Völler echauffierte sich. Schiedsrichter Lousteau (Argentinien) stellte daraufhin beide vom Platz. „Er will wohl Ruhe haben auf dem Platz“, mutmaßte ARD-Experte Karl-Heinz Rummenigge. Verständnis erntete Lousteau damit nicht.

Der DFB legte Protest ein und hoffte auf einen Freispruch. Völler und Lothar Matthäus, gegen dessen Verwarnung wegen Zeitspiels auch Einspruch erhoben wurde, reisten gemeinsam zur Verhandlung nach Rom. Denn von Seiten der Fifa wurde signalisiert, dass beide Spieler angehört werden dürfen. Klarer Fall von Denkste. Die beiden saßen schweigend im Verhandlungsraum und durften sich doch nicht äußern, auch wurden die TV-Bilder nicht zugelassen. Völler wurde für das Viertelfinale gesperrt, die Karte gegen Matthäus blieb bestehen. Außer Spesen nichts gewesen? Nicht ganz: Völler, der damals in Rom spielte, nutzte den dienstlichen Abstecher auch privat. Er traf Sabrina, die seine zweite Frau werden würde, in einem Restaurant. Mit Aufpasser Matthäus…

Michael Ballack gewinnt und verliert zugleich (2002)

Im Jahr 2002 hatte der Leverkusener schon einige Tränen vergossen. Mit Bayer verspielte er einen Fünf-Punkte-Vorsprung in der Liga und wurde Zweiter, ebenso im Finale der Champions League und des DFB-Pokals. Nun stand halb „Vizekusen“ mit Deutschland sensationell im Halbfinale gegen Gastgeber Südkorea. Ballack war nach Torwart Oliver Kahn der wichtigste Mann im Team, auf dem Zenit seines Könnens. Nach 71 Minuten stand es immer noch 0:0, als die Gastgeber plötzlich durchbrachen. Ballack half in der Abwehr aus und stoppte mit einem taktischen Foul Chun Soo Lee knapp vor dem Strafraum. Schiedsrichter Urs Meier hatte keine Wahl und zückte Gelb. In diesem Moment stand der erste Nichtteilnehmer am Finale fest: Michael Ballack, der schon eine Gelbe Karte auf dem WM-Konto hatte.

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Statt zu resignieren, raffte er sich auf und schoss Deutschland vier Minuten später ins Finale, das dann ohne ihn stattfand. In der Kabine erlitt er einen Weinkrampf. Aber er erntet weltweit Respekt und Beifall. Eine englische Zeitung schreibt: „Er müsste zusammen winken und weinen. Und was macht der verdammte Kerl? Er steht auf und schießt das entscheidende Tor.“

Ein angeblicher Faustschlag von Torsten Frings (2006)

Im heiß umkämpften Viertelfinale von Berlin gegen Argentinien war Frings der beste Mann. Als es nach einem dramatischen Viertelfinale gewonnen war, kam es zu einem dreiminütigen Tumult, in den quasi alle Spieler und sogar Funktionäre verwickelt waren. Die Argentinier waren in diesem Moment keine guten Verlierer. Fäuste flogen, Mertesacker wurde in den Unterleib getreten. Es sind Bilder, die man nicht sehen will, aber in aller Welt verbreitet wurden.

Und so kam es, dass die Fifa entgegen ersten Verlautbarungen einen Tag nach dem Spiel gegen Torsten Frings ermittelte. Italienische TV-Bilder (Sky Italia) schienen ihm einen Faustschlag gegen Julio Cruz nachzuweisen. Wird er gesperrt? Der nächste Gegner lautete Italien. Obwohl Cruz Frings entlastete („Ich habe nichts gespürt“), wird er tatsächlich fürs Halbfinale gegen Italien gesperrt, auf ein zweites Spiel kriegt er Bewährung, zudem 5000 Schweizer Franken Strafe. Frings tobt: „Das ist ein politisches Urteil. Die Fifa will beweisen, dass Deutschland als Gastgeber nicht bevorzugt wird.“ Die Bild kommentiert: „Dieses Urteil ist wirklich ein Schlag ins Gesicht.“ Und einer, den die Elf nicht verkraftet. Ohne Frings verloren die Deutschen gegen ihren Angstgegner 0:2.

Ein verletzter Sami Khedira und ein bewusstloser Christoph Kramer (2014)

Kurz vor Anpfiff des Finales gegen Argentinien in Rio war es für Khedira schon beendet. Monatelang hat er nach seinem Kreuzbandriss auf diesen Tag hingearbeitet, sich im Turnier in die Elf gekämpft. Das Knie hielt. Aber beim Warmlaufen merkte er plötzlich: Die Wade zwickt. „Der Moment der Gewissheit, nicht spielen zu können, das war mit Abstand der bitterste Moment meiner Karriere.“ Und er traf die schwerste Entscheidung seiner Karriere und nahm sich selbst aus dem Spiel. Er meldete sich bei Bundestrainer Joachim Löw ab – und der schickte den Reservisten Christoph Kramer, zuvor nur zweimal eingewechselt, in die Schlacht.

Auch für ihn war es kein wirklicher Glückstag, schon nach 27 Minuten musste er wieder herunter. Nach einem Zusammenprall mit Verteidiger Garay, dessen Schulter gegen seinen Kopf knallte, hatte er einen Blackout – Gehirnerschütterung. Geistesabwesend spielte er weiter, fragte den Schiedsrichter schließlich, ob „das das Finale ist. Das ist für mich wichtig.“ Der meldete den Vorfall Bastian Schweinsteiger und schon bald wird Kramer, der sich bis heute nicht an seinen Einsatz erinnern kann, ausgewechselt. Armer Kramer. Da wird man schon mal Weltmeister und weiß von nichts. Er gesteht: „Von der halben Stunde, die ich auf dem Platz stand, habe ich kein einziges Bild mehr in Erinnerung. Ich wusste nicht mal, dass ich nach dem Zusammenprall noch weitergespielt habe.“ Die anschließenden Feierlichkeiten in Maracana und am Brandenburger Tor dürften Entschädigung genug gewesen sein.

Verwendete Quellen
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