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Trump und Infantino: Fifa-Expertin Schenk äußert sich vor Klub-WM


Infantino und Trump
"Er merkte gar nicht, wie peinlich das war"

InterviewVon Julian Buhl

13.06.2025 - 07:04 UhrLesedauer: 9 Min.
Gianni Infantino (l.) neben Donald Trump: Fifa- und US-Präsident unter sich.Vergrößern des Bildes
Gianni Infantino (l.) neben Donald Trump: Fifa- und US-Präsident im Weißen Haus. (Quelle: IMAGO/Chris Kleponis)
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Die reformierte Klub-WM startet am Wochenende. Mit dabei sind auch zwei deutsche Teams. Ein umstrittenes Turnier, hinter dem noch mehr steckt.

Ab Samstag kämpfen in den USA 32 Teams um den Titel Klub-Weltmeister. Auch der FC Bayern und Borussia Dortmund mischen mit. Es ist ein Prestigeprojekt von Fifa-Präsident Gianni Infantino, das im Vorfeld mächtige Schwierigkeiten hatte. Mit dem Start soll sich das ändern.

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Als Gastgeber sind die USA derzeit gefordert, schließlich findet im kommenden Jahr die Fußball-WM in den Vereinigten Staaten statt. Ein Turnier, von dem auch Präsident Donald Trump profitieren will. Fifa- und Menschenrechtsexpertin Sylvia Schenk blickt im Interview mit t-online kritisch auf die Beziehung zwischen Trump und Infantino sowie auf die WM 2034 in Saudi-Arabien und gibt ihre Meinung zu den Entwicklungen in Katar ab.

t-online: Ab 14. Juni wird in den USA die Klub-WM ausgetragen – ein viel diskutiertes neues XXL-Turnier der Fifa. Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf dieses Turnier?

Sylvia Schenk: Dieses neue Turnierformat stand von Anfang an unter keinem guten Stern, schon im Vorfeld gab es Eruptionen. Es fehlten Sponsoren, und deshalb wurde Druck auf existierende Fifa-Sponsoren wie Coca-Cola gemacht, mit einzusteigen. Die waren kurz vor dem Rechtsstreit. Die Fifa hatte offenbar große Schwierigkeiten, die riesigen Versprechen, die sie gemacht hat, zu refinanzieren. Insofern verfolge ich interessiert, wie sie da rauskommt. Auch der TV-Rechteverkauf funktionierte nur mithilfe von DAZN und wohl Saudi-Arabien im Hintergrund. Eine Sache hat mich besonders amüsiert.

Welche?

Der Pokal für die Klub-WM, in den eingraviert wurde, dass die Idee dafür von Fifa-Präsident Gianni Infantino kommt. Infantino verhält sich bei der Fifa wie ein Sonnenkönig. Und keiner setzt was dagegen. Das kann man nur mit Staunen beobachten.

Sylvia Schenk bei der Konferenz Spobis.
Sylvia Schenk bei der Konferenz Spobis. (Quelle: IMAGO/Steinbrenner)

Das ist Sylvia Schenk

Sylvia Schenk (73) ist Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International Deutschland. Sie war bis Ende 2020 Mitglied im Fifa-Menschenrechtsbeirat und ist aktuell im Menschenrechtsbeirat des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Als Leichtathletin nahm die frühere Leistungssportlerin unter anderem an den Olympischen Spielen 1972 in München teil.

Das Sonnenkönigtum scheint nicht nur bei der Fifa ausgebrochen zu sein: Wie nehmen Sie die Rolle und das Auftreten von US-Präsident Donald Trump als Mit-Gastgeber der Klub-WM und der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko wahr?

Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Dieser Pokal stand sogar bei Trump im Oval Office. Es gingen Bilder um die Welt, auf denen er Dekrete unterzeichnete, bei denen es um etwas völlig anderes ging, und man sah daneben auf seinem Schreibtisch den Pokal. Das unterscheidet sich schon von dem, was viele andere Herrscher oder sonst wer je gemacht haben aus solchen großen Events. Trump überhöht damit die Fifa und schmeichelt Infantinos Ego, auch indem er ihn zur Inauguration einlud. Er verschafft ihm damit eine riesige Plattform, aber auch sich selbst.

Inwiefern?

Trump versucht, die WM für sich zu nutzen. Er hat schon die WM-Bewerbung in seiner ersten Amtszeit unterstützt, in der auch die Vergabe stattfand. Er ist halt ein Sportfan, das kann man nicht leugnen. Trump weiß, wie man sich den Sport populistisch zunutze macht. In bestimmten Wähler- und Bevölkerungskreisen hilft ihm das. Da seine Umfragewerte gerade abstürzen, braucht er das vielleicht nochmal dringlicher.

Infantino und Trump waren in den vergangenen Monaten zehnmal gemeinsam auf Reisen, zuletzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Saudi-Arabien. Was sind die beiden aus ihrer Sicht für ein Gespann?

Das sind zwei Männer, die sich immer sehr stark in den Vordergrund schieben. Sie als extrovertiert zu bezeichnen, ist noch untertrieben. Denken Sie an die Aufnahmen aus dem Weißen Haus oder von der Inauguration, die Infantino dann als Selfies verschickt hat: wie so ein kleiner Junge zu Weihnachten, der alle Geschenke bekommen hat, die er sich gewünscht hat. In seinem Fall war das, dass er im Weißen Haus war und Trump die Fifa erwähnt hat. Er merkte gar nicht, wie peinlich das war. Und das passt zu beiden: ohne Hemmungen, ohne Skrupel, immer nur das Ego im Vordergrund. Beide beherrschen das Großsprechertum, das ja im Moment leider bei sehr vielen Menschen sehr gut anzukommen scheint, nicht nur in den USA. Der Rest der Fifa bis hin zu DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat bisher kein Rezept dagegen gefunden.

Welches Rezept sollte das sein?

Zum Beispiel einfach mal sagen: "Das finde ich nicht gut", statt sich beeindrucken zu lassen.

Nach der letzten gemeinsamen Reise mit Trump nach Saudi-Arabien ließ Infantino den Fifa-Kongress in Paraguay über drei Stunden lang auf sich und seine verspätete Rückkehr warten. Wie haben Sie das verfolgt?

In der aktuellen Lage mit der Klub-WM, der WM 2026 und den politischen Verflechtungen war es für Infantino nicht einfach, eine Einladung von Trump abzulehnen. Zumal das auch Absagen an Katar und Saudi-Arabien bedeutet hätte – wichtige Partner der Fifa. Politisch hätte man das aber anders lösen können.

Wie denn?

Letztlich hatte das Council durch die Verlegung seiner Sitzung die Reise gebilligt. Auf die Verspätung hin hätte der Kongress dann auch ohne Infantino starten können, wozu gibt es Vizepräsidenten? Stattdessen wurde mehrfach verschoben, und als Infantino dann endlich kam, marschierten einige Europäer demonstrativ hinaus, wie beleidigte Kinder. Anschließend wurde das wieder heruntergespielt – am Ende machen die Fifa-Verbände dann eben doch alles mit. Sie hätten sich stattdessen auch zusammenschließen und klare Grenzen setzen können. Infantino führt die anderen vor, wie selbst sein Vorgänger Sepp Blatter es nie getan hätte. Diese Macht bekommt er nur, wenn alle sie ihm geben und sich niemand wehrt.

Beim Turnier 2006 in Deutschland lautete das Motto: "Die Welt zu Gast bei Freunden". Trumps Vize JD Vance sagte jetzt: Alle seien willkommen, solange sie nach dem Turnier auch wieder gingen.

Dass Fans irgendwann wieder ausreisen müssen, ist normal. Auch in Deutschland wollte man nicht, dass Fans, die über ein Touristenvisum für die WM oder Euro reinkamen, einfach blieben. Man spricht das aber nicht so drastisch aus wie Vance, außerdem liegt das Problem ganz woanders.

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Warum?

Eigentlich müssten zum Beispiel mexikanische oder iranische Fans problemlos einreisen können. Und es ist auch üblich, dass Fans einreisen, die kein Ticket haben, also kann man das Visum nicht nur an die Tickets binden. Im Moment ist aber eine problemlose Einreise vielfach nicht möglich. Aus bestimmten Ländern muss man bis zu zwei Jahre auf ein Visum warten und es gibt pauschale Einreiseverbote. Die Trump-Administration hat eine Taskforce eingerichtet, die für Ausnahmen sorgen soll von dem, was ansonsten gerade Praxis ist. Trotzdem haben meines Wissens sogar etliche Mannschaftsbetreuer für die Klub-WM derzeit noch kein Visum.

Inwieweit kann der Fußball da aber vielleicht auch generell politisch etwas bewirken?

Das sehe ich skeptisch. Sicher, Human Rights Watch, eine amerikanische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in New York, fordert jetzt praktisch von Infantino, Druck auf Trump zu machen, um bestimmte Dinge in den USA zu ändern. Bisher war es andersherum: Die USA wurden instrumentalisiert, um Druck auf den Fußball und Infantino auszuüben, um in anderen Ländern was zu ändern. Aber ich bin der Meinung: Klärt die Dinge bitte erst mal in eurem eigenen Land und verlangt nicht von der Fifa, dass sie jetzt auch noch den amerikanischen Präsidenten ändert, das schafft auch sonst niemand. Die Fifa muss – dazu hat sie sich in ihrer Satzung verpflichtet – bewirken, dass in ihrem direkten Verantwortungsbereich keine Menschenrechte verletzt werden.

Woran denken Sie da konkret?

Die direkte Zuständigkeit der Fifa für das Turnier: Arbeitsstandards in Hotels, Transport, Logistik, die Situation für die Fans. Dazu gehört auch, dass die Fifa Hotlines einrichtet, damit Vorfälle gemeldet werden können und sie dann Abhilfe schafft. Sollte ein Fan aus Mexiko abgewiesen oder gar verhaftet werden, muss die Fifa sich darum kümmern. Die Fifa muss dazu die Zusammenarbeit mit allen Behörden sicherstellen – sowohl mit der US-Regierung als auch mit den Bundesstaaten. Das alles wird vor allem bei der WM sehr viel komplizierter als in Katar, wo die Fifa einiges bewirken konnte, weil es ein kleines Land ist. Die USA werden die Fifa sehr viel mehr Geld und Nerven kosten. Aber wer ein WM-Turnier mit solchen Milliardeneinnahmen organisiert, hat nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte eine entsprechende Verantwortung: Da muss die Fifa ihre Hebelwirkung nutzen.

Und welche Verantwortung haben die deutschen Teilnehmer, der FC Bayern und Borussia Dortmund, bei der Klub-WM?

Der FC Bayern hat inzwischen ein Bekenntnis zu Menschenrechten auch in seiner Vereinssatzung stehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie sich auch den UN-Leitprinzipien entsprechend verpflichtet fühlen. Und Dortmund sollte das genauso sehen. Insofern haben natürlich auch die teilnehmenden Vereine, egal aus welchem Land sie kommen, eine Verantwortung, die aber immer begrenzt ist.

Inwiefern?

Die müssen sich nicht um mexikanische Fans kümmern. Das würde den FC Bayern und Borussia Dortmund sicherlich überfordern. Sie sollten aber für die mitgereisten deutschen Fans ansprechbar sein und sich mit den Botschaften und Konsulaten abstimmen, dass vor Ort Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Die Klubs müssen darauf achten, welche Hotels sie nutzen – werden die arbeitsrechtlichen Standards dort eingehalten? Welches Busunternehmen beauftragen sie vor Ort? Das ist die direkte Verantwortung der Vereine.

Bei Thomas Müller, der den FC Bayern nach der Klub-WM verlassen wird, steht ein Wechsel in die amerikanische MLS (Major League Soccer) im Raum. Wäre er ein guter deutscher Botschafter in den USA?

Für den Fußball auf jeden Fall. Aber er wird jetzt sicherlich nicht derjenige sein, der Trump zur Vernunft bringt. Ich weiß nicht, ob es so jemanden überhaupt gibt. Mit seiner Ausstrahlung und seinem spielerischen Können hätte Müller sicherlich noch einen großen Wert für die amerikanische Liga. Aber in den USA gibt es so viele Sportlerinnen und Sportler. Da ist jemand, der bei uns ein großer Star ist, nur einer von ganz vielen. Da würde ich jetzt auch von Thomas Müller keine Wunder erwarten.

Wie stehen Sie zur Vergabe der WM 2034 an Saudi-Arabien?

Das Problem war insbesondere, dass nicht schon im Vorfeld die Frage geklärt wurde, welche menschenrechtlichen Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die WM nach den UN-Leitprinzipien sauber durchführen zu können. Das haben Amnesty International und andere zu Recht kritisiert. Und auch, dass es bisher zumindest öffentlich keinen entsprechenden Plan gibt, den man normalerweise für so eine Veranstaltung in einem Land mit hohen menschenrechtlichen Risiken haben muss.

Hat die Fifa also aus der WM 2022 in Katar nichts gelernt?

Die Fifa fällt hinter Katar zurück. Dort hat die WM, auch wenn man die Fifa zum Jagen hat tragen müssen, einiges bewirkt. Es gibt keine andere Sportgroßveranstaltung, die einen wesentlichen Teil der Rechtsordnung eines Landes so verändert hat, wie das mit dem Arbeitsrecht in Katar der Fall war. Die International Labour Organisation ist weiter vor Ort und kontrolliert die weitere Entwicklung. Da ist wirklich etwas grundlegend in Bewegung geraten, auch wenn noch viele Probleme mit der Umsetzung bleiben.

Und in Saudi-Arabien?

Da hat sich zuletzt gesellschaftlich einiges getan – gerade was Frauen, Jugend, Sportkultur betrifft. Die WM könnte ein Booster sein, diese Entwicklung, auch die Öffnung des Landes noch weiter zu verstärken und vor allem die Situation der Migrantenarbeiter zu verbessern. Dazu hätte die FIFA im Vergabeprozess an die Erfahrungen in Katar anknüpfen müssen. Das hätte ein entsprechendes Konzept mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung schon vor der Abstimmung erfordert. Das ließe sich sogar positiv verkaufen, wurde aber leider versäumt. Ich erwarte, dass die Fußballnationalverbände weiterhin Druck auf die Fifa ausüben, diese Aufgabe jetzt anzugehen.

Was erwarten Sie konkret vom DFB in Bezug auf die WM in Saudi-Arabien?

Der Blick auf den DFB muss zweigeteilt sein: auf Präsident Neuendorf als Council-Mitglied und auf die Verbandspolitik. Neuendorf muss in seiner Rolle die Interessen der Fifa wahrnehmen. Das bedeutet auch, menschenrechtliche Standards einzufordern. Beim DFB reicht es nicht, bei der Turniervergabe zu sagen: "Wenn alle zustimmen, stimmen wir auch zu." Man hätte die Fifa an die eigene Satzung erinnern und Bedingungen zur Achtung der Menschenrechte formulieren müssen. Der Druck muss die nächsten Jahre noch kommen, vom DFB und anderen Fifa-Mitgliedern.

Sie sagten schon im Zuge der WM-Vergabe an Saudi-Arabien, der DFB müsse aus der Isolation heraus. Wie meinen Sie das?

Der DFB muss sich mit gleich gesinnten Verbänden zusammentun – zum Beispiel mit Norwegen, England, der Schweiz, Australien, Neuseeland. Gemeinsam kann man menschenrechtliche Verpflichtungen auf die Agenda setzen und diskutieren. Einstimmigkeit ist organisierte Unverantwortlichkeit. Wer sich in der Gruppe versteckt, übernimmt keine Verantwortung. Der DFB müsste klare Initiativen ergreifen, Verbündete suchen und nicht immer erst spät reagieren.

In Katar gab es die Diskussionen mit der Regenbogenbinde und der Mund-zu-Geste der deutschen Nationalspieler. Wie fanden Sie das?

Das war das Peinlichste, was ich je erlebt habe. Bilder transportieren Botschaften anders als Worte. Wie man so ein Bild mit zugehaltenem Mund in die Welt setzen kann, ist mir völlig unbegreiflich – auch von der damaligen Innenministerin (Nancy Faeser mit "One-Love"-Armbinde; Anm. d. Red.) auf der Tribüne. Der DFB hat nicht klargemacht, was – trotz aller Defizite – in Katar auch an positiven Entwicklungen passiert ist: Es gab keine große Gefahr für LGBT-Personen, es gab queere Communitys, auch Transpersonen, die ohne Probleme unterwegs waren. Von außen ein Land und tief verankerte Sichtweisen zu verändern, ist kaum möglich. Auch Deutschland ist nicht perfekt. Man muss genauer hinschauen, was den Menschen vor Ort wirklich hilft, wie man die Reformkräfte langfristig stärkt, anstatt ihnen mit unüberlegtem Aktionismus in den Rücken zu fallen.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Sylvia Schenk
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