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Warum Real Madrid plötzlich auf seinem Geld sitzt


Historische Sparsamkeit
Warum Real Madrid plötzlich auf seinem Geld hockt

Von t-online
Aktualisiert am 26.09.2016Lesedauer: 4 Min.
Real Madrids Kapitän Sergio Ramos und Trainer Zinedine Zidane.Vergrößern des BildesReal Madrids Kapitän Sergio Ramos und Trainer Zinedine Zidane. (Quelle: Alterphotos/imago-images-bilder)
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Aus Spanien berichtet Florian Haupt

Es war eines der Rätsel des Sommers: Warum hockt Real Madrid plötzlich so auf seinem Geld? Wo bleiben die neuen Spielzeuge?

Lediglich 30 Millionen Euro gab der Champions-League-Sieger aus, und damit wurde auch nur die Rückkaufklausel von Eigengewächs Álvaro Morata bei Juventus Turin eingelöst. Seit 1998 hatte der umsatzstärkste Verein der Welt nicht mehr so wenig investiert. Damals bezahlte er noch in Peseten.

Damoklesschwert Transfersperre

Doch der Minusrekord für das laufende Jahrtausend ist nicht nur bemerkenswert, weil die Preise gestiegen sind oder die Verpflichtung mindestens eines Posterkickers pro Spielzeit im Santiago Bernabéu normalerweise zum Geschäftsprinzip gehört. Über Real hängt auch das Damoklesschwert einer anstehenden Transfersperre wegen der unerlaubten Einschreibung Minderjähriger.

Ein Protest vor dem FIFA-Schiedsgericht scheiterte bereits, nur der Internationale Sportgerichtshof CAS könnte die Madrilenen jetzt für den Winter 2016/17 und Sommer 2017 zurück an den Basar holen. Dass der CAS dem Einspruch des Vereins stattgeben wird, gilt jedoch als unwahrscheinlich – schon der FC Barcelona hoffte vor zwei Jahren in ähnlicher Angelegenheit vergebens auf Gnade.

Brutale Wirkung von der Bank

Wie erklärt sich also die Zurückhaltung? Gleich das erste Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon lieferte eine Antwort. Es war einer der Abende, an denen Real nicht in Schwung kam. Der "BBC"-Glitzersturm wirkte behäbig, Luka Modric und Toni Kroos konnten dem Spiel kein Tempo geben, die Außenverteidiger wurden vom Gegner geschickt eingebremst. Sporting spielte den besseren Fußball und führte verdient mit 1:0. Dann wechselte Trainer Zinédine Zidane aus.

Es kamen: die spanischen Nationalspieler Morata und Lucas Vázquez für Karim Benzema und Gareth Bale, später noch WM-Torschützenkönig James Rodríguez für Kroos. Die Wirkung war brutal. Wer gegen einen müde werdenden Gegner solche Qualität auf den Platz werfen kann, dreht ein Match nicht nur mit Kampfgeist, Glück oder Siegermythos. Nun gab es Chance um Chance, der Ausgleich fiel in der 89., das Siegtor in der 95. Minute: Kopfball von Morata auf Flanke von James.

"Kader, der nicht zu verbessern ist"

"So zu gewinnen, spricht für die Ressourcen dieser Mannschaft", sagte Zidane. Oder, wie Präsident Florentino Pérez zum Ende der Transferperiode verkündet hatte: "Wir haben einen spektakulären Kader, der nicht zu verbessern ist."

Das mag nicht ganz stimmen, es gibt zum Beispiel talentiertere defensive Mittelfeldspieler als Casemiro und verlässlichere Außenverteidiger als Marcelo und Carvajal. Das waren allerdings noch nie Positionen, die den künstlerverliebten Pérez großartig interessierten. Eine Rolle dürfte zudem gespielt haben, dass aufgrund der üppigen Gehaltsliste und der Abschreibungen für vergangene Investitionen nur beschränkter Spielraum vorhanden war.

Real hat aus seinen Fehlern gelernt

Aber das hatte Pérez in früheren Jahren nicht davon abgehalten, freien Platz notfalls dadurch zu schaffen, dass etablierte Stars vergrault wurden. Diesmal nicht. Und so zeigt die ungewohnte Zurückhaltung vor allem zweierlei. Real hat aus Fehlern gelernt. Sowie: Das Vertrauen ist groß wie lange nicht.

Wenn man so will, ist Real konservativer geworden, vielleicht sogar: langweiliger. Aber nach Jahren des Aufruhrs ist das für diesen Klub erst mal ein Geschenk. Ohne den Champions-League-Titel wäre es nicht möglich gewesen. Doch selbst der rettete den damaligen Trainer Carlo Ancelotti noch 2014 nicht vor einer großen Umbesetzung. Der Italiener verlor gegen eigenen Willen mit Xabi Alonso und Ángel Di María zwei zentrale Bausteine seiner Elf. Er musste mit dem Puzzle wieder von vorn anfangen.

Eine Atempause, die viel wert ist

Dabei ist es ja eigentlich ein Privileg der Spitzenteams, nicht jede Saison mit neuem Kader bestreiten zu müssen. Nur wer mächtig genug ist, sich gegen Abwerbungsversuche anderer Vereine zu wehren, kann es genießen. Die Vorteile einer festen Basis sind offensichtlich, ohne Veränderungen entfallen oft auch Reibungsprozesse und Stressfaktoren. Umso mehr wert ist eine Atempause, je irrsinniger das Tempo des Geschäfts wird. Das berühmte Wort der Kontinuität: es gilt auch für die Profis. Hat das nach Barça oder Bayern jetzt auch Real begriffen?

Wenn ja, dann hat es für diese Politik der ruhigen Hand den idealen Coach. Zidane mag zwar als Spieler selbst ein großer Künstler gewesen sein, aber als Trainer, das wird er nicht müde zu betonen, steht bei ihm über allem anderen die Gruppe. "So denke ich als Trainer, und die Spieler verstehen es, weil es logisch ist", sagt er.

Sie verstehen es natürlich vor allem, weil die Botschaft von ihm kommt, einer allseits respektierten Legende. Ob der Trainer Zidane taktisch zur Crème de la Crème gehört, mag immer noch offen sein. Wie er die Spannungen und Eitelkeiten auf diesem Boulevard der Stars heruntergefahren hat, kann man nur als spektakulär bezeichnen.

Zidane der entscheidende Faktor

Zidane achtet die Hierarchien, aber rotiert mehr als etwa Ancelotti und gibt den Hinterbänklern ihre Chancen. Selten handelt der Trainer mit dieser Methode unglücklich: Zidane nahm beim Remis auf Gran Canaria gegen Las Palmas (2:2) Ronaldo beim Stand von 2:1 vom Platz - dieser würdigte seinen Vorgesetzten aber keines Blickes, die Könglichen verspielten die Führung. Vor allem im Endspurt der letzten Saison, als nach fulminanter Aufholjagd dem FC Barcelona noch ein Zweikampf um die Meisterschaft geliefert wurde, übernahm die zweite Garde bisweilen sogar das Kommando. Das überzeugte auch Pérez davon, im Sommer nicht um jeden Preis einkaufen zu müssen. Natürlich, Paul Pogba hätte man schon genommen. Aber die Ablöse von 120 Millionen Euro stand letztlich in keinem Verhältnis zur Qualität, zumal sie offensichtliche Eifersuchtsattacken bei Platzhirschen wie Ronaldo nach sich gezogen hätte.

Und so scheint die Untätigkeit bisher nur Vorteile zu haben: Das Gruppengefühl ist weiter gestärkt, und dieser Teamgeist gewinnt wie gegen Sporting dann sogar Spiele: der Glaube, der Zusammenhalt, die Bereitschaft von Einwechselspielern, in wenigen Minuten umso mehr zu geben und sich danach wieder artig hinten anzustellen.

Diese guten Schwingungen beizubehalten, ist fürs erste die zentrale Zukunftsfrage des Klubs. Denn ohne ein Wunder vor dem CAS gibt es auch keinen Plan B. Real ist diesem Kader ausgeliefert, bis ins Jahr 2018.

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