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Ob FC Bayern oder Olympia 2021: So spaltet die Impfdebatte die Sportwelt


Sportler als Vorbilder
Wie die Impfdebatte die Sportwelt spaltet


Aktualisiert am 16.02.2021Lesedauer: 5 Min.
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Karl-Heinz Rummenigge: Der Vorstandschef hat mit seiner Aussage über Bayern-Spieler als Impfvorbilder eine teils hitzige Diskussion angestoßen.Vergrößern des Bildes
Karl-Heinz Rummenigge: Der Vorstandschef hat mit seiner Aussage über Bayern-Spieler als Impfvorbilder eine teils hitzige Diskussion angestoßen. (Quelle: imago-images-bilder)

Taugen Bayern-Profis als Vorbilder für Impfkritiker? Und gehören Olympioniken gar zu den Risikogruppen? Die Impfdiskussion hat den deutschen Sport fest im Griff – und wird kontroverser. Das bekam besonders der FC Bayern zu spüren.

Karl-Heinz Rummenigge hatte in den vergangen Tagen Redebedarf. Und zwar mehr als sonst üblich. Erst griff der Vorstandsboss des FC Bayern München DFB-Sportdirektor Oliver Bierhoff an ("Löw gegenüber illoyal"), danach witterte er eine Verschwörung, weil seine Bayern nach dem Hertha-Spiel vom Nachtflugverbot ausgebremst wurden ("Man hatte immer den Eindruck, in Brandenburg ist irgendeiner, der den FC Bayern nicht mag") und dann brachte er die Bayern-Spieler als Impfvorbilder ins Gespräch. Und zwar während einer Klub-WM in Katar, die die Bayern gewannen, in der im Corona-Lockdown befindlichen Heimat aber viel Kritik hervorrief.

Während die ersten beiden Aussagen die Schlagzeilen nur wenige Stunden beherrschten, sorgt letztere noch immer für Diskussionen. Konkret hatte Rummenigge bei "Sport 1" gesagt: "Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung" und hinzugefügt: "Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten."

Reaktionen darauf ließen nicht lange auf sich warten. "Ganz ehrlich, da musste ich herzlich lachen. Mit gesundem Menschenverstand lässt man sich impfen, wenn man an der Reihe ist. Dass ein Impfgegner vom FC Bayern überzeugt wird, halte ich für eine sehr gewagte These", sagte beispielsweise Turn-Europameister Marcel Nguyen, der für den nur wenige Kilometer von der Säbener Straße entfernten TSV Unterhaching startet, bei t-online.

Mainzer Oberbürgermeister: "Multimillionäre sollen einfach die Klappe halten"

Nicht ganz so humorvoll nahm es Andreas Bovenschulte. Bremens Bürgermeister setzte zu einer regelrechten Schimpftirade an: "Was mich an diesem Spruch besonders gewundert hat, ist, wie man simples Vordrängeln 'Ich will zuerst geimpft werden' dann noch versucht, als Realisierung einer gesellschaftlichen Vorbildfunktion zu verkaufen. Da muss man erstmal drauf kommen, indem man sagt: Wir ziehen vorbei an Erzieherinnen und Erziehern, an Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern, vielleicht auch an medizinischem Personal und Polizisten", so der SPD-Politiker.


Sein Parteikollege und Mainzer Pendant Michael Ebling ging noch weiter und sagte beim Radiosender "RPR1" ohne explizit Rummenigges Namen zu nennen: "Da sollen sich diese Multimillionäre einfach mal zurückhalten und die Klappe halten und sich in die Ecke stellen und schämen. Das wäre für unsere Nation hilfreich."

Flick nimmt Rummenigge in Schutz

Unterstützung erhielt Rummenigge vor allem aus Fußballerkreisen – unter anderem von seinem leitenden Angestellten Hansi Flick. Der Bayern-Trainer betonte, dass er sich impfen lassen und als Vorbild vorangehen werde, um Menschen dazu zu bringen, es ihm gleichzutun. Flick sagte zudem: "Wir alle wissen, dass andere Menschen Priorität haben und wir uns hinten anstellen müssen und werden. Es ist erstmal wichtig, dass die Risikogruppen zuerst drankommen."

Sportsoziologe Gunter Gebauer vermochte das, in Bezug auf Rummenigges Aussagen, nicht zu überzeugen. Er unterstellte dem Bayern-Boss in der ARD-"Sportschau" Eigennutz und betonte ganz grundsätzlich, eine bevorzugte Impfung von Profisportlern sei "zutiefst unsozial und moralisch nicht zulässig".

Großteil der Deutschen lehnt frühere Impfung für Fußballer ab

Das scheint ein Großteil der Deutschen ähnlich zu sehen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online lehnen rund 87 Prozent eine frühere Impfung für Profifußballer ab.


Doch warum geht es eigentlich gerade um Fußballer? Denn schon vor Rummenigges Aussagen gab es Diskussionen in eine ähnliche Richtung. Dabei im Fokus: mögliche Starter bei den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio. Auslöser war eine Aussage von Richard Pound. Der 78-jährige Kanadier – ein Urgestein des Internationalen Olympischen Komitees und seit 1978 dessen Mitglied – schlug Anfang des Monats vor, Olympia-Athleten bei Corona-Impfungen zu bevorzugen. Immerhin haben sie durch die zahlreichen Wettkämpfe ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Er glaube nicht, dass die verhältnismäßig sehr wenigen für die Sportler benötigten Impfdosen für einen öffentlichen Aufschrei sorgen würden.

Doch genau das passierte – und zwar kurz nach Pounds Vorstoß. Biathlon-Olympiasieger Arnd Peiffer mahnte bei t-online beispielsweise: "Es ist einfach niemandem zu vermitteln, wenn über 80-Jährige oder Pflegekräfte später drankommen, damit die deutsche Olympiadelegation mit 600 Personen geimpft nach Tokio fliegen kann." Ähnlich sah es Turner Nguyen, der die Diskussion als "völlig irrsinnig" bezeichnete.

Speerwurf-Bundestrainer wünscht sich Impfung für Olympia-Teilnehmer

Es gab aber auch andere Stimmen – allen voran die von Speerwurf-Bundestrainer Boris Obergföll. Der verwies auf die Verhältnismäßigkeit: "Aus Deutschland werden rund 1.000 Athleten und Betreuer nach Tokio reisen. Das sind 1.000 von 83 Millionen Menschen." Diese sollten, nach seinem Dafürhalten, geimpft werden – und zwar "wenn es geht, im Juni und nicht zwei Wochen vor den Spielen. Darüber sollte man nachdenken".

Und das tun einige Verantwortliche bereits offenkundig. Alfons Hörmann, Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds sprach sich im "Sportschau"-Podcast dafür aus, dass potenzielle Olympia-Teilnehmer bei Impfungen im zweiten Quartal möglichst bald an die Reihe kommen.

Dies solle aber nicht im Sinne einer Bevorzugung ablaufen, sondern "wenn genügend Impfstoff da ist." Hörmann erwarte für das Frühjahr und die Wochen vor den Sommerspielen "ein völlig anderes Szenario" als jetzt in der "Zeit der Knappheit" des Corona-Impfstoffs.

Turner Nguyen: "Sonst würde ich auf die Olympischen Spiele verzichten"

Bei vielen Sportlern stößt er damit auf offene Ohren. In einer DOSB-Umfrage plädierten 73 Prozent der rund 1.700 befragten Olympia-Kandidaten dafür, sich an die festgelegte Impfreihenfolge zu halten. Nur 18 Prozent wünschten sich eine andere Priorisierung.

Schwimm-Weltmeister Marco Koch sagte bei t-online dazu: "Die Herangehensweise, dass wir Profisportler mit der Impfung drankommen, wenn genügend Impfstoff da ist, halte ich für sinnvoll. Damit werden wir nicht bevorzugt vor denen, die eine Impfung dringend benötigen, bekommen aber dennoch die Möglichkeit uns zu schützen, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen." Der 31-Jährige machte derweil deutlich, dass er niemandem den Impfstoff wegnehmen wolle. Diese Einschätzung teilt Turner Nguyen, der sonst "lieber auf die Olympischen Spiele verzichten würde".

Aus der Politik kommen derweil zurückhaltende Töne – auch, weil die Impfdebatte um Profisportler dort momentan nicht oben auf der Agenda steht. Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag (SPD), sagte in der ARD: "Hier trifft ein durchaus nachvollziehbarer Wunsch auf die Wirklichkeit. Wir sehen jeden Tag, wie mühsam es ist, eine funktionierende Impfinfrastruktur in Gang zu bringen."

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Für Rummenigge hat sie derweil einen Vorschlag: "Wenn ich wohlwollend annehmen würde, dass es ihm darum geht, die Impfbereitschaft zu erhöhen, wäre es vorbildlich, wenn der FC Bayern einen Bruchteil seiner beträchtlichen Einnahmen eingesetzt hätte, um in Anzeigen und TV-Spots mit der Mannschaft für das Impfen zu werben." Das sei eine glaubwürdige Maßnahme. "Jetzt aber sieht es aus, als will er vor allem seine Probleme lösen", sagte Freitag bei RTL/ntv in Anspielung auf einige Corona-Fälle beim deutschen Rekordmeister in den vergangenen Tagen.

Eine weitere Möglichkeit, die Impfbereitschaft zu steigern, bringt derweil Schwimmer Koch ins Spiel, den Rummenigges Aussagen weiterhin beschäftigen." Jeder kann Impfvorbild sein. Da sehe ich keinen Unterschied zwischen verschiedenen Sportarten", so der Hesse. "Ich fände sogar, dass eine sportübergreifende Impfkampagne ein gutes Zeichen wäre – auch im Sinne des Zusammenhalts zwischen Randsportarten und Sportarten wie Fußball. So könnte sich gerade hinsichtlich der Olympischen Spiele und des Olympischen Gedankens das Team Deutschland geschlossen darstellen."

Verwendete Quellen
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