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Film über Boris Becker | Ex-Trainer: "Er konnte die Zuschauer zum Weinen bringen"


Vor der Premiere des Becker-Films
Ex-Trainer Bosch: "Boris konnte die Zuschauer zum Weinen bringen"

InterviewVon Florian Vonholdt

Aktualisiert am 17.12.2021Lesedauer: 6 Min.
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Erfolgsduo Mitte der 80er-Jahre: Boris Becker (l.) und Trainer Günther Bosch 1986 am Hamburger Rothenbaum.Vergrößern des Bildes
Erfolgsduo Mitte der 80er-Jahre: Boris Becker (l.) und Trainer Günther Bosch 1986 am Hamburger Rothenbaum. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Am Donnerstag feiert "Der Rebell", ein Film über Tennis-Legende Boris Becker, TV-Premiere. Sein Ex-Trainer Günther Bosch erinnert sich im t-online-Interview an die damalige Zeit und die Umstände der Trennung.

Dass aus Boris Becker einmal der beste deutsche Tennisspieler der Geschichte werden würde, hat in dessen Kindesalter niemand geglaubt. Niemand, außer Günther Bosch. Bei Sichtungslehrgängen fiel Becker durch oder bestenfalls nicht auf. Doch Bosch sah trotz "Babyspeck und dicken, schwerfälligen Beinen", wie er selbst einmal erzählte, etwas Besonderes in ihm. Er förderte Becker von dessen neuntem Lebensjahr an und ermöglichte so die Tennis-Weltkarriere des ewigen "17-jährigen Leimeners". Deswegen gilt Bosch als der Entdecker von Becker, über den nun ein Film über die erfolgreichen Anfangsjahre im Profi-Tennis gedreht wurde, die in gleich zwei Wimbledon-Triumphen gipfelten.

Im t-online-Interview spricht Bosch über den Film und erinnert sich an die erfolgreiche gemeinsame Zeit, die abrupt und im Unfrieden endete. Er spricht darüber, wie sein damaliger Schützling Becker die Zuschauer mitriss und was er sich für Alexander Zverev wünscht.

t-online: Herr Bosch, am Donnerstag feiert der Film "Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon" Fernseh-Premiere. Es geht darum, wie Sie den besten deutschen Tennisspieler entdeckt und in die Weltspitze geführt haben. Haben Sie sich den Film schon angeschaut?

Günther Bosch: Ja natürlich, ich konnte schon einmal hineinschauen und ich war positiv überrascht. Er hat mir gut gefallen. Er entspricht der Wahrheit. Es ist ein Event-Film, da wird einiges Lustiges oder Trauriges noch eingebaut, aber insgesamt gesehen ist es ein Film, der der Wahrheit entspricht, so wie sich die Ereignisse im jungen Alter von Boris zugetragen haben. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas miterlebe.

Waren Sie an der Entstehung des Films beteiligt?

Nein, das nicht. Aber ich habe mich mit Schauspieler Samuel Finzi (spielt im Film Becker-Trainer Günther Bosch, Anm. d. Red.) länger unterhalten. Er war sehr aufmerksam, hat meine Gesten genau beobachtet und die Art, wie ich mich zeige.

Sind Sie zufrieden mit der Art, wie er Sie spielt?

Ja! Das ist ihm gut gelungen, denn ich habe mich wirklich wiedererkannt im Film. Ich war in meiner aktiven Zeit auch so beweglich, wie er das gezeigt hat, sehr temperamentvoll. Er ist ein toller Schauspieler.

Wenn Sie an die Zeit, die im Film behandelt wird, zurückdenken: Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Becker und auch mit Manager Ion Tiriac in Erinnerung?

Insgesamt kann man sagen, dass dieses Trio – Tiriac, Boris und ich – eine tolle Zeit erlebt hat. Es war die schönste Zeit als Trainer, auch, wenn ich vieles schlucken und anders gestalten musste, als das die Trainingslehre vorgibt. Aber es war eine tolle Zeit und die dürfen wir nicht vergessen. Wir waren das Trio Infernale (lacht).

Der Film trägt den Titel "Rebell". War Boris ein Rebell?

Er war ein sehr extrovertierter, ein sehr temperamentvoller Spieler. Man musste ihn überzeugen. Es gab im Training immer einen Wettkampf zwischen uns, wo ich mich anstrengen musste und vor allem bei Konditionsübungen gegen ihn antrat. So wurde der Siegeswille geschult.

"Der Rebell – Von Leimen nach Wimbledon" von Regisseur Hannu Salonen feiert am 16. Dezember 2021 TV-Premiere auf RTL. Er handelt davon, wie sich Tennis-Trainer Günther Bosch (gespielt von Samuel Finzi) in den frühen 80er-Jahren Boris Becker (Bruno Alexander) annimmt, der bei Lehrgängen für nicht gut genug befunden wurde, und ihn als Teenager zu zwei Wimbledonsiegen führt.

Nach zwei Wimbledonsiegen erfolgte im Januar 1987 die überraschende Trennung zwischen Ihnen und Becker. Haben Sie seinen Werdegang danach weiter intensiv verfolgt?

Ja, natürlich. Ich habe ja zehn Jahre bei Sat.1 und RTL Tennis kommentiert. Und so gesehen war ich ganz nah dran an ihm. Ich habe seine Spiele kommentiert, als wäre ich weiter sein Coach. Ich habe den Zuschauern erzählt, was er gut macht oder was er besser machen könnte. Da habe ich mich selbst ertappt und musste mich daran erinnern, dass ich nicht mehr coache, sondern am Mikrofon in der Kabine sitze (schmunzelt).

Ihre Trennung erfolgte im Streit. Sie haben die Frage schon öfter gehört: Gab es zu Boris inzwischen wieder Kontakt, vielleicht im Zuge des Films?

Genauso wie es bei der Trennung war, ist es auch heutzutage. Es gibt keinen Kontakt zu Boris, obwohl mich jeder Journalist anspornt, ich solle den ersten Schritt machen und es zu einer Versöhnung kommen lassen. Aber zu dieser Versöhnung kann es nicht kommen, denn es gab mehrere Dinge, die zu dieser Trennung geführt haben. Entscheidend war, dass er plötzlich selbst bestimmen wollte, welche Turniere er spielt. Das war nicht in meiner Vorstellung. Ich sagte: 'Du bist noch kein fertiger Spieler, du kannst noch viel dazulernen und dann wirst du sicher einer der besten oder sogar der beste Spieler auf der Computer-Rangliste.'

Erwarten Sie, dass er nach so vielen Jahren noch einmal auf Sie zukommt?

Nein, die Trennung ist schwer zu kitten. Wenn wir uns jetzt treffen oder versöhnen würden, wie würde er mich ansprechen? Günzi oder Herr Bosch? Jetzt sagt er nicht mehr Günzi. Wenn er nach dem Trainer der damaligen Zeit gefragt wird, sagt er "Bosch". So nennt er mich.

Der Erste, der seit Becker-Zeiten wieder um Grand-Slam-Titel mitspielt, ist Alexander Zverev, der gerade erst die ATP-Finals gewann. Was halten Sie von ihm?

Zverev hat ein gutes Umfeld, sein Vater ist ein sehr guter Trainer. Ich habe ihn selbst noch erlebt, als er für die Sowjetunion spielte. Und das, was er spielte, hat er sehr gut weitervermittelt an seine zwei Söhne. Sein großer Sohn Mischa ist Profi und so konnte Sascha in einem sehr jungen Alter alles miterleben. Angefangen im Umkleideraum, auf dem Trainingsplatz und dann in den Matches. Dadurch hat er im Vergleich zu anderen Spielern schon alles erlebt und muss es nur positiv umsetzen. Das gelingt ihm in letzter Zeit und man kann sich echt freuen für die Ergebnisse, die er in diesem Jahr erzielt hat.

Trauen Sie ihm den Gewinn eines Grand Slams zu?

Das wird schwierig. Ich weiß nicht, ob Roger Federer oder auch Dominic Thiem wieder richtig Tennis spielen können. So gesehen wird es nicht einfacher als in diesem Jahr. Aber er hat die Fähigkeit dazu. Die Voraussetzung ist, dass ihm sein Aufschlag keine Schwierigkeiten bereitet. Denn ohne Aufschlag ist Zverev nicht Zverev. Er ist einer, der unglaublich aufschlägt und ein unglaubliches Selbstvertrauen für diesen Aufschlag hat.

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Günther Bosch (84) setzte sich 1974 nach einem Tennisturnier in Saarbrücken aus seiner Heimat Rumänien ab. Der frühere Tennisprofi wurde vom Deutschen Tennis Bund als Bundestrainer für den Nachwuchsbereich angestellt. In dieser Funktion entdeckte er 1976 bei einem Sichtungsturnier den neunjährigen Boris Becker und wurde später sein persönlicher Trainer. Damit legte er den Grundstein für die Weltkarriere von Deutschlands erfolgreichstem Tennisspieler. Bosch führte Becker gemeinsam mit Manager Ion Tiriac zu zwei Wimbledonsiegen (1985 und 1986). Im Januar 1987 trennten sich die Wege abrupt wegen Meinungsverschiedenheiten. Nach seiner Zeit als Becker-Trainer arbeitete Bosch als TV-Kommentator und Buchautor. Er eröffnete 1999 eine eigene Tennis-Akademie nahe Berlin und war später für die Talentförderung beim LTTC Rot-Weiß Berlin zuständig. Er sagt: "Ich habe mich selbst jahrelang bemüht, einen zweiten Boris zu finden, aber es ist mir nicht gelungen." Bosch lebt heute in Berlin und verfolgt die Tennis-Szene weiter sehr genau.

Sehen Sie in der Mentalität Ähnlichkeiten mit Boris?

Man sollte keinen Vergleich zwischen beiden ziehen. Es könnte ja gut sein, dass Zverev viel mehr Grand-Slam-Turniere gewinnt als Boris. Er hat ja noch viele Jahre vor sich. Aber das, was Boris geleistet hat, sind ja nicht nur die Ergebnisse und die sechs Grand-Slam-Titel, die er gewonnen hat. Sondern es ist ja die Begeisterung, die er vermitteln konnte. Er war imstande, die Zuschauer so weit zu bringen, dass sie mit ihm zusammen geweint haben – sie auf der Tribüne, er auf dem Platz. Und dass sie sich auf der anderen Seite so gefreut haben für ihn und begeistert waren von seinem Erfolg. Das ist für Zverev schwierig so zu hinzubekommen. Mich würde schon freuen, wenn Zverev es schafft, dass wieder mehr Jugendliche Tennis spielen. Das wäre schon ein Erfolg.

Wie intensiv schauen Sie heute noch Tennis?

Sehr intensiv. Wenn ein Spiel um drei Uhr nachts in Australien gespielt wird, dann schaue ich mir das an. Natürlich suche ich mir die Spiele ein bisschen aus, denn ich möchte ja sehen, wie sich die jungen Spieler weiterentwickeln und was ihre Trainer so machen. Natürlich durfte ich zu meiner Zeit bei den Matches nicht coachen. Und habe doch gecoacht. Es kamen viele Strafen hinzu. Heutzutage wird ganz laut gecoacht, ein Coaching existiert heutzutage. Da interessiert mich auch, wie gecoacht wird, was dem Spieler gesagt wird und wie sich dieser weiterentwickelt, bis es ein Weltklassespieler ist, wie es bei Zverev der Fall ist.

Wie sieht es mit dem eigenen Tennis aus? Lässt es die Gesundheit noch zu, dass Sie selbst noch auf dem Platz stehen?

Leider erlaubt mir das die Familie nicht (lacht). Denn es ist ja in meinem Alter doch ein wenig gefährlich. Ich könnte vielleicht aus dem Stand spielen, bewegen wird schwieriger. Tennis wird in erster Linie mit dem Kopf gespielt, aber in zweiter Linie eben mit den Beinen. So gesehen, würde ich es nicht ertragen, einen Stoppball nicht zu erlaufen (lacht). Daher sage ich lieber 'lass es' und ich versuche stattdessen vom Rande dem ein oder anderen Spieler noch zu erzählen, was er noch besser machen könnte.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Videogespräch mit Günther Bosch
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