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Olympia: Teilnehmerin Claudia Pechstein spricht über nicht heilende Wunden


Pechstein vor Olympia
"Vorbei? Kann ich mir nicht vorstellen"

InterviewVon Andreas Becker

Aktualisiert am 15.01.2022Lesedauer: 5 Min.
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Die geballte Faust, der Ehrgeiz ungebrochen: Claudia Pechstein wird auch an Olympischen Spielen 2022 in Peking teilnehmen - bei Ihren dann achten Spielen.Vergrößern des Bildes
Der Ehrgeiz ungebrochen: Claudia Pechstein wird auch an Olympischen Spielen 2022 in Peking teilnehmen - bei Ihren dann achten Spielen. (Quelle: getty-images-bilder)

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat sich mit 49 Jahren zum achten Mal für die Olympischen Winterspiele qualifiziert.

Denkt man an die Olympischen Winterspiele, assoziiert man ganz automatisch einen Namen damit: Claudia Pechstein. 1992 in Albertville war sie das erste Mal dabei. Nun, 30 Jahre später, startet die 49-Jährige in Peking erneut. Es sind Pechsteins achte Spiele – ein Rekord. Als weltweit erste Frau hat sie das erreicht.

Fünfmal holte sie Gold, insgesamt neun olympische Medaillen hat Pechstein gesammelt. Mit welchen Zielen reist sie nun nach China? Werden es ihre letzten Olympischen Spiele? Im t-online-Interview gibt die 49-Jährige Antworten auf die drängendsten Fragen.

t-online: Frau Pechstein, Sie haben sich zum achten Mal für die Olympischen Spiele qualifiziert. Wie fühlt es sich an, Geschichte geschrieben zu haben?

Claudia Pechstein: Die Geschichte habe ich erst geschrieben, wenn ich in Peking am Start stehe. In den Corona-Zeiten muss man immer negativ bleiben, das ist das Entscheidende im Moment. Aber natürlich bin ich sehr stolz darauf, dass der DOSB mich für die Olympischen Spiele nominiert hat. Es ist schon etwas Sensationelles, dass ich damit Geschichte schreiben kann. Ich fühle mich jetzt aber nicht besser oder schlechter damit – ich bin immer noch Claudia Pechstein.

Hätten Sie sich denn früher wirklich vorstellen können, mit 49 Jahren noch einmal an Olympia teilzunehmen?

Das ist schon etwas Besonderes. Aber alle wissen ja auch um die Situation, dass mir die Olympischen Spiele von Vancouver gestohlen worden sind. Fest steht, dass sich mein Leben dann wahrscheinlich anders gestaltet hätte. Was mich freut, ist, dass ich international im Eisschnelllaufzirkus so viel Respekt bekomme für meine Leistungen, weil ich immer noch konkurrenzfähig bin. Ich bin sehr stolz darauf, mit 49 Jahren noch einmal an Olympia teilnehmen zu können.

Wie sehr beschäftigen Sie die Dopingvorwürfe und die damit verbundene Absage von Vancouver aktuell noch?

Ich bin zu Unrecht verurteilt worden. Natürlich wurmt mich das. Das ist eine Ungerechtigkeit und jeder weiß das: die Funktionäre, der IOC-Präsident Thomas Bach. Wir haben damals im DOSB-Büro zusammengesessen, als er noch DOSB-Chef war, da waren sich alle einig, dass das ein Fehlurteil ist. Ich ärgere mich da bis heute drüber.

Aber wenn dieser Fall nicht gewesen wäre, dann hätte ich meinen Partner nicht kennengelernt, da hat sich mein Leben um 100 Prozent verbessert. Ich kämpfe nach wie vor für mein Recht, sinnbildlich ganz nach dem Motto: siegen oder sterben. Ich habe nie etwas Unrechtes getan, sprich: nie gedopt oder eine unerlaubte Methode angewandt.

Den Dopingvorwurf kann mir niemand machen, der sich ernsthaft mit meinen Blutwerten beschäftigt hat. Die Schwankungen werden durch eine Anomalie verursacht, die mir mein Vater vererbt hat. Darüber gibt es eine klare medizinische Diagnose. Ich bin selbst erstaunt, dass ich mich auch 13 Jahre später noch mit diesem Fehlurteil beschäftigen muss. Das macht es nicht leichter. Aber umso schöner ist es, dass ich es wieder zu Olympia geschafft habe, obwohl mir das viele nicht zugetraut haben.

Sie selbst haben mal gesagt "nichts schmeckt so süß wie Olympisches Gold". Mit welchen Ambitionen reisen Sie nach Peking? Reicht es am Ende für eine Überraschungsmedaille?

Klar ist Olympia für Überraschungen gut. Aber ich bin Realistin und habe schon vor einer ganzen Weile gesagt, dass ich nicht mehr um eine Medaille mitkämpfe. Ich habe keinen Leistungsdruck mehr, will die Olympischen Spiele so richtig genießen. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen und will einfach Spaß haben. Obwohl das durch Corona und die dazugehörigen Maßnahmen anders wird als früher. Als Motivation nehme ich die ganzen Glückwünsche und Gratulationen aus aller Welt mit, die mich erreicht haben.

Sie werden immer wieder als mögliche deutsche Fahnenträgerin genannt. Was würde das für Sie bedeuten?

Ich war ja schon einmal in der engeren Auswahl. Das wäre natürlich eine riesige Ehre und ich würde das sehr gerne machen. Ich bringe mich da aber nicht selber ins Gespräch, sondern antworte den Journalisten, wenn sie mich danach fragen. Deshalb sage ich ganz offen: Als Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin und als einzige Frau mit acht Teilnahmen an den Winterspielen würde das vielleicht ganz gut passen. Es gibt also Gründe, die dafür sprechen könnten, aber die Entscheidung liegt nicht bei mir, die liegt beim DOSB.

Sind die Spiele von Peking Ihre letzten? Oder bleibt der Ehrgeiz so groß, dass Sie mit dann fast 54 Jahren noch einmal in Mailand 2026 angreifen möchten?

Ich kann mir jetzt gerade nicht vorstellen, dass meine Karriere nach Olympia vorbei sein sollte. Es ist ganz komisch, denn Sport ist mein Leben. Ich habe mit dreieinhalb Jahren mit dem Eislaufen angefangen, ich liebe es, das ist meine Leidenschaft. Wir können uns nach Peking darüber unterhalten (lacht).

Corona, die Frage nach fehlenden Menschenrechten in China, die vielen Umweltprobleme rund um den Bau der Sportstätten in Peking: Wie sehr beschäftigen Sie diese Themen vor der Abreise?

Das Erste, was ich einmal ändern würde, ist, dass die Athleten bei der Vergabe der Olympischen Spiele mitreden dürften. Die Athleten haben einfach die bessere Erfahrung und wissen, was den Wintersport letztendlich auszeichnet. Peking ist kein echter Wintersportort, gerade auch, weil dort 2018 die Sommerspiele stattfanden.

Wir wissen um diese Themen, die immer wieder aufkommen, wie den Bau der Sportstätten und die fehlende Nachhaltigkeit. Aber am Ende entscheide ja nicht ich, wo die Spiele stattfinden. Da gibt es ein IOC und dessen Funktionäre legen fest, wer die Spiele bekommt. Ich würde mir wirklich wünschen, sie würden uns Sportler da mitreden lassen.

Finden Sie, dass sich Sportler an Protesten während der Spiele beteiligen sollten? Oder muss man Sport und Politik klar trennen?

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Sport und Politik kann man nicht trennen. Die Aussage von Herrn Bach, dass das IOC mit Politik nichts zu tun hat, war mir ein bisschen fremd. Jeder Sportler kann seinen Standpunkt vertreten, das muss jeder für sich entscheiden. Ich fahre zu Olympia, weil ich Sportler bin und meine sportlichen Leistungen zeigen will.

Wie haben Sie die Debatten um die Spieler des FC Bayern, die trotz Corona um die Welt fliegen und sich dort anstecken, oder Tennisstar Novak Djokovic und seinen Einreiseärger in Australien wahrgenommen?

Grundsätzlich ist man als Sportler schon eine Art Vorbild, das sollte man zumindest sein. Ich versuche mich an die Regeln zu halten. Ich bin aber auch schon vor Corona jemand gewesen, der Menschenmassen meidet. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er tut. Man darf aber nicht egoistisch sein und nur an sich denken. Man muss im Sinne der Gesellschaft handeln.

Sie sind zur Bundestagswahl 2021 in Berlin für die CDU angetreten. Was halten Sie von den sogenannten „Spaziergängen“ gegen die Corona-Politik, die momentan in vielen Städten stattfinden? Ist die deutsche Gesellschaft gespalten?

Spaltung gab es schon immer. Man kann es nie allen recht machen. Das ist im Sport so, in der Kultur, in der Wirtschaft – das ist überall so. Und das Demonstrationsrecht gibt es nun mal in unserem Land. Als Bundespolizistin mache ich mir aber auch so meine Gedanken. Wenn ich überlege, was die Polizei eh schon für Aufgaben hat, dann wird die Belastung jetzt natürlich noch größer. Zum Dank erhält sie häufig Dresche, auch von den Medien. Man darf nie vergessen: Meine Kollegen bei der Polizei sind auch nur Menschen und hinter ihnen stehen immer Familien.

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